Vorschau GP Singapur: Red Bull in Sorge

Vorschau GP Singapur 2024
Angststrecke für Red Bull

Nur noch sieben Grands Prix stehen in der Formel 1 auf dem Programm. Eine Woche nach dem Rennen in Baku geht es in Singapur bereits auf dem nächsten Stadtkurs um WM-Punkte. Und von denen hat McLaren in der Konstrukteurs-Wertung seit dem GP in Aserbaidschan die meisten. Der Sieg von Oscar Piastri und Platz vier von Lando Norris machten aus acht Zählern Rückstand einen 20-Punkte-Vorsprung.

Red Bull verlor zum ersten Mal seit dem Grand Prix von Spanien 2022 die WM-Führung bei den Herstellern. In Singapur deutet vor dem Nachtrennen wenig daraufhin, dass sich dort das Pendel wieder in Richtung des Titelverteidigers ausschlagen sollte. Max Verstappen reist ohne großen Hoffnungen auf einen Triumph in den Stadtstaat. Dabei würde er gerne die Scharte auswetzen, bisher noch nicht in Singapur gewonnen zu haben. In erster Linie wird der Niederländer schauen, sein Polster von 59 Punkten auf Lando Norris nicht zu schnell schrumpfen zu lassen.

Mercedes - Strecken-Grafik - GP Singapur 2023
Mercedes

Die Strecke: Marina Bay Street Circuit

Schon mehrmals änderten die Streckenbetreiber das Layout. 2023 zwangen Sanierungen sie dazu. Den Bauarbeiten im Stadtstaat fielen vier Ecken zum Opfer. Zwischen den Kurven 15 und 16 entstand deshalb ein fast 400 Meter langes Vollgasstück. Es bleibt abzuwarten, ob die veränderte Streckenführung dauerhaft zu mehr Überholmanövern einlädt.

Der Umbau kürzte die Gesamtlänge von 5,063 auf 4,940 Kilometer. Die Rundenzeiten fielen rund zehn Sekunden. Der Kurs ist nun flüssiger als zuvor. Zu rund 70 Prozent führt dieser im Stadtteil Marina Bay über öffentliche Straßen. Regelmäßige Regengüsse verhindern, dass sich eine klebrige Gummischicht auf der Ideallinie bilden kann. Der Griplevel befindet sich stets am unteren Rand der Skala.

Die vielen engen, rechtwinkligen Ecken und die Bodenwellen machen den Ritt durch den Leitplanken-Dschungel für die Piloten zur Tortur. Als wären Temperaturen von über 30 °C und eine Luftfeuchtigkeit auf Sauna-Niveau nicht schon anstrengend genug. An allen Session-Tagen könnte es zu Schauern kommen.

Viele Fahrer bezeichneten den GP Singapur in der Vergangenheit als das körperlich anstrengendste aller Rennen. Bis zu drei Kilo Gewicht schwitzen die Sportler im Laufe des GP aus. Die Fehlerrate ist hier traditionell hoch. Weil auch das Überholen überdurchschnittlich schwierig ist, hat sich die FIA dazu entschieden, eine vierte DRS-Zone zwischen T14 bis T16 einzurichten. Pirelli liefert mit den Sorten C3, C4 und C5 die weichsten Mischungen.

Pirelli - Reifen - GP Singapur 2024 - Formel 1
Pirelli

Fast Facts

  • Streckenlänge: 4,940 Kilometer
  • Runden: 62
  • Renndistanz: 306,143 km
  • Anzahl Kurven: 19 (12 links / 8 rechts)
  • Rundenrekord (Rennen): 1:35.867 Minuten (2023)
  • Absoluter Rundenrekord: 1:30.984 Minuten (Sainz, Q3, 2023)
  • Distanz von Pole Position bis zur ersten Bremszone: 177 Meter
  • Länge Boxengasse: 402 Meter
  • Zeit in der Boxengasse bei Speedlimit: 25 Sekunden
  • Vollgas-Anteil (Rundendistanz): 66 Prozent (Rundenzeit: 54 Prozent)
  • Top-Speed: 312 km/h
  • DRS-Zonen: 4 (T5-7, T13-T14, T14-16, T23-T1)
  • Pirelli-Reifen: C3, C4, C5
  • Bremsenverschleiß: hoch
  • Safety-Car-Wahrscheinlichkeit: 5/5 (100 Prozent)

Setup

Die Stop-and-Go-Charakteristik führt in Verbindung mit den hohen Außentemperaturen zu einer hohen Bremsbelastung. Die Teams zählen gleich vier harte Bremszonen. Durch das Fehlen langer Geraden und die kurzen Abstände zwischen den Kurven wird auch weniger Luft in die Bremsen geleitet. Die Kühlung ist daher ein wichtiges Thema.

Wer in Singapur schnell sein will, braucht eine Vorderachse, die zupackt, und ein Heck, das kein wildes Eigenleben führt. Untersteuern können die Fahrer bei den vielen langsamen Kurven gar nicht gebrauchen. Die Balance muss stimmen. Hier ist im Freien Training viel Setup-Arbeit gefragt. Ein stabiles Auto bringt Vertrauen und Zehntel auf der Uhr.

Das Fahrwerk muss möglichst weich und hoch eingestellt werden, um den Ritt über die Randsteine und die Bodenwellen abzufedern und die mechanische Traktion zu verbessern. Das beißt sich eigentlich mit den Grundeigenschaften der Groundeffect-Autos, was die Abstimmungsarbeit kompliziert und zugleich spannend macht.

Die Einstellung des Flügelwerks ist extrem. Die vielen rechtwinkligen Kurven verlangen maximalen Abtrieb. Obwohl es für einen Stadtkurs noch relativ lange Geraden gibt, ist Top-Speed zweitrangig – ganz im Gegensatz zu beispielsweise Monza oder selbst Baku zuvor.

Es fehlen zwar die schnellen Kurven. Trotzdem belastet Singapur die Reifen – und zwar auf der Hinterachse. Das ständige Abbremsen und Beschleunigen gepaart mit hohen Außentemperaturen und einem aggressiven Asphalt setzt den Pirellis über die Distanz zu. Die Oberfläche kann nie richtig auskühlen. Reifenmanagement ist gefragt, sonst überhitzen die Gummis, verschleißen und bauen ab. Auch in der Nacht.

Updates

Da Singapur unmittelbar auf Baku folgt, gehen wir von keiner Upgrade-Welle aus. Die Teams hatten ihre Teile schon für Baku eingepackt und werden ihre nächsten Updates in Austin bringen. Denn die Formel 1 legt nach dem GP Singapur eine vierwöchige Rennpause ein. Dort wird dann zum Beispiel Mercedes dem W15 einen neuen Unterboden verpassen. Dennoch deutete Andrea Stella nach dem GP Aserbaidschan an, dass McLaren etwas Neues ans Auto schrauben könnte.

Red Bull muss schauen, wie sie das Auto von Sergio Perez aufbauen. Das Baku-Paket wurde bei dem heftigen Crash zwischen dem Mexikaner und Ferrari-Pilot Carlos Sainz in der vorletzten Runde zerstört. Teamchef Christian Horner sagte nach dem Unfall: "Unsere Mechaniker müssen jetzt fünf Tage durcharbeiten, um das Auto wieder zu richten."

Oscar Piastri - McLaren - Formel 1 - GP Aserbaidschan - Baku - 15. September 2024
Motorsport Images

Favoriten

Anhand der Performance aus Baku dürften McLaren und Ferrari als die heißesten Sieganwärter für Singapur betrachtet werden. Vor allem die Scuderia präsentierte sich in der Vergangenheit immer stark bei dem Nachtrennen. Im Vorjahr siegte Carlos Sainz und durchbrach Red Bulls Siegesserie. Ansonsten hätten Max Verstappen und Sergio Perez alle Grands Prix der Saison gewonnen.

Red Bull zeigte in Baku eine aufsteigende Tendenz. Vor allem Perez war im Rennen fast auf Augenhöhe mit Piastri und Leclerc. Verstappen litt unter seinem schlechteren Setup. Die vielen Bodenwellen bereiten Red Bull im Vorfeld des Grand Prix allerdings Sorgen. Zudem war die Strecke in der Vergangenheit die Achillesferse des Autos.

Mercedes ist so etwas wie das Dark Horse für Singapur. Phasenweise sind die Silberpfeile extrem schnell und können um die Spitzenplätze kämpfen, oder sie müssen der Konkurrenz den Vortritt lassen. Treffen die Ingenieure beim Setup des W15 das Fenster, ist ein Podium definitiv drin.

Dahinter tummeln sich wieder einige Teams, die bei der Vergabe der restlichen Punkte mitspielen. Williams war in Baku stark, Aston Martin punktete dank Fernando Alonso und Haas landete ebenfalls in den Top-Ten. Toro Rosso scheint etwas vom Weg abgekommen zu sein. Alpine und Sauber dürften unter normalen Umständen nichts mit der Punktevergabe zu tun haben.

Zeitplan GP Singapur

Das Qualifying und das Rennen werden in Singapur traditionell erst nach Sonnenuntergang gestartet. Durch die Zeitverschiebung ändert sich für die deutschen Fans nicht viel. Das Qualifying beginnt am Samstag um 15.00 Uhr, das Rennen wird um 14.00 Uhr freigegeben. Nachdem RTL fünf Rennen im Free-TV übertragen hat, wandert für die deutschen Formel-1-Fans der Grand Prix von Singapur wieder hinter die Bezahlschranke und ist nur bei Sky zu sehen.