Saisonvorschau: Zehn Jahre Formel E

Vorschau auf die zehnte Formel-E-Saison
Wer holt den Jubiläumstitel?

Ein Batteriebrand, unglückliche TV-Partner und Zoff mit Strecken setzten die Formel E zwischen den Saisons massiv unter Druck. In ihrem ersten runden Jubiläumsjahr will die Elektro-WM nun wieder mit Action und mindestens der Neuauflage des Kracher-Duells Porsche vs. Jaguar punkten.

Formel E - Rom 2023 - Start-Szene
Foto: Motorsport Images

Es war nicht die schlimmste Saisonpause in der noch jungen Geschichte der Formel E – aber auch nicht weit davon entfernt. Obwohl der Elektro-WM diesmal schmerzhafte Ausstiege der Kategorien Audi, BMW und Mercedes erspart blieben, musste sie trotzdem mehrere harte Nackenschläge einstecken. Den gefährlichsten davon gab es beim traditionellen Vortest in Valencia Ende Oktober.

Nach dem Feuer beim Batterie-Einheitslieferanten WAE führte selbiger zusammen mit der FIA eine umfangreiche Untersuchung durch. Diese identifizierte schlussendlich einen kaputten Schütz (auf Englisch: "contactor") als Schuldigen. Bis zum Auftaktwochenende in Mexiko soll WAE die elektrischen Schalter bei allen Batterien erneuert haben. Weitere Anpassungen gab es außerdem bei ihren Betriebstemperatur-Vorgaben und beim Batterie-Management-System. Die Hoffnung ist groß, dass es sich nur um eine Verkettung unglücklicher Umstände gehandelt hat.

Unsere Highlights
Formel E - Valencia-Vortest 2023 - Batterienbrand
Motorsport Images

Das Feuer am 24. Oktober war das erste seiner Art in der Geschichte der Formel E. Ihr Batterie-Einheitslieferant WAE erarbeitete ein breites Maßnahmenpaket.

Weniger Stadtkurse

Ob die Überarbeitung auch Folgen für die geplanten Schnelllade-Stopps – die spannendste Änderung der neuen Saison – hat, ist nicht bekannt. Der sogenannte "Attack Charge" soll nach einer Saison Verzögerung nun passend zum Jubiläum debütieren. Als Auftakt wird aktuell der Double-Header in Saudi-Arabien anvisiert. Die nächste Chance gäbe es beim Doppel-Gastspiel in Misano. Der vor allem durch die MotoGP bekannte Kurs ersetzt die Stadtschleife in Rom, welche nach der Massenkarambolage im letzten Jahr als unsicher eingestuft wurde.

Zusammen mit dem Neuzugang des Shanghai International Circuit und den bereits 2023 besuchten Rennstrecken in Mexiko-Stadt und Portland formen permanente Anlagen in dieser Saison knapp weniger als die Hälfte des Kalenders – eine erstaunliche Abkehr vom früheren City-Konzept.

Allerdings hatte die E-Meisterschaft diesbezüglich auch reichlich Pech. So sähe das Verhältnis ohne die sehr kurzfristige Absage des Indien-Laufs (ursprünglich: 10. Februar) nach einem Regierungswechsel etwas freundlicher aus. Den bitteren Wegfall von Kapstadt und Jakarta können die Serienmacher derweil teils mit dem ersten Auto-Stadtrennen in der Geschichte Japans kompensieren.

Konstantes Technik-Paket

Der Abschied von gleich vier City-Kursen und das Aufkommen von Hybrid-Lösungen wie dem Londoner Messegelände werfen jedoch verstärkt die Frage auf, ob die Zukunft der Formel E auf klassischen Rennstrecken liegen wird. Der Performance-Zuwachs durch das Evo-Paket ab 2025 und die schon in der Vorbereitung befindliche Gen4 könnten die Sinnkrise weiter verstärken.

Während die sogenannte Gen3 Evo durch ein überarbeitetes Bodywork, einen auch für Vortrieb genutzten Einheits-Frontmotor und neue Hankook-Reifen einen soliden Speed-Sprung verspricht, soll die Gen4 dann endlich für einen Wow-Effekt sorgen. Durch bis zu 600 kW Spitzenleistung ab Saison 13 wollen die Verantwortlichen bei den Kennzahlen auf Formel-2-Niveau liegen.

In diesem Jahr bleibt es allerdings mit der Ausnahme des Schnelllade-Projekts über 16 Rennen hinweg erstmal beim Status quo. Abseits einer Weiterentwicklung bei der Software sind die Autos grundsätzlich gleichgeblieben. Somit müssen die 22 Piloten auch 2024 wieder ein intensives Energie-Management, haltbare Hankook-Pneus und eine sensiblere Frontpartie in ihre Renn-Taktik einbauen.

Formel E - Saison 2024 - ERT - Dan Ticktum - Laden
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Die Vorbereitungen auf die Schnelllade-Stopps laufen weiter. Wenn alles wie geplant klappt, feiern sie ihren Einstand in Saudi-Arabien.

Wildes Fahrerkarussell

Konstanz herrscht ebenfalls bei den elf Teams. Die größten Veränderungen erlebte die letztjährige NIO-333-Mannschaft in der Form einer Umbenennung in "ERT Formula E Team" und einer neuen Investorenstruktur. Womöglich auch wegen der kriselnden Straßenseite verabschiedete sich der chinesische Autobauer NIO endgültig aus der Serie. Das in Silverstone stationierte Team behält trotzdem Hersteller-Status – jedoch ohne OEM-Beziehung. Es bleibt so bei sechs Motorlieferanten: DS, ERT, Jaguar, Mahindra, Nissan und Porsche.

Deutlich mehr Bewegung gab es dafür auf dem Fahrermarkt. Bis auf DS Penske, ERT und Porsche mischten die Teams ihre Paarungen durch (siehe Bildergalerie). So freut sich das von Cupra gesponserte Abt-Team über die Rückkehr des Formel-E-Meisters Lucas di Grassi. Sein erneuter Boss Thomas Biermaier erklärt: "2024 wollen wir die nächsten Schritte machen, konstant punkten und vielleicht hier und da für eine Überraschung sorgen." Viel mehr als Überraschungen will Porsche. Nachdem 2023 nur Jake Dennis für Andretti am Ende gegen die Jaguar-Renner bestehen sollte, peilen Pascal Wehrlein und António Félix da Costa die Weltmeisterschaft an.

Ihr Chef Florian Modlinger blickt voraus: "In den vergangenen Wochen und Monaten haben wir sehr intensiv speziell an der Qualifying-Performance gearbeitet, mit der wir als Team in der Saison 9 nicht immer zufrieden waren. Ich bin überzeugt, dass wir da einen großen Schritt gemacht haben. Ein weiterer Schwerpunkt unserer Vorbereitung war die Software-Optimierung des Gesamtpakets. Das Ziel ist es, mit allen vier Porsche 99X Electric schon beim Saisonauftakt konkurrenzfähig zu sein, Rennen zu gewinnen und bis zum Schluss um den Weltmeistertitel zu kämpfen."

Formel E - Kapstadt 2023 - Prosieben-Interview
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Harte Zeiten für Fans aus Deutschland: René Rast und André Lotterer wollen sich nur noch auf Sportwagen konzentrieren, ProSieben stieg wegen mieser Quoten aus.

"Formel Deutschland" zerfällt

Abseits von Porsche und Abt setzte sich der Exodus in der früher sehr deutschsprachigen Formel E während der Pause fort. Zwar erhofft sich neben Pascal Wehrlein auch Maximilian Günther (Maserati-DS) weitere Erfolge und vielleicht eine Chance auf den Titel. Aber mit André Lotterer und René Rast gibt es zwei hochrangige Abgänge zu vermelden. Beide wollen sich voll auf ihre Sportwagen-Programme fokussieren.

Dafür dürfen sich die Schweizer Nachbarn über drei Landspiloten freuen: Sébastien Buemi (Envision-Jaguar), Edoardo Mortara (Mahindra) und Nico Müller (Abt-Mahindra). Am stärksten ist im Übrigen die Heimat des Weltmeisters Jake Dennis mit insgesamt fünf UK-Piloten repräsentiert.

In Deutschland füllt nun der Servus-TV-Nachfolger DF1 die Übertragungslücke nach dem mit schlechten Zahlen begründeten ProSieben-Aus. Außerdem sendet der Pay-TV-Kanal Eurosport 2 das Jubiläumsjahr.