SUV stehen ja derzeit im Kreuzfeuer: zu groß, zu schwer, zu durstig. Und beim Crash lebensgefährlich für kleinere Unfallgegner.
Alle SUV? Nein, ein ganzes Stück unterhalb der dicken Brocken tummelt sich die Klasse der Subkompakt- oder Mini-SUV, die gar nicht als solche wahrgenommen werden und daher höchst sozialverträglich sind. Je nach Selbstverständnis darf man sie auch als Crossover bezeichnen. Erste Ansätze dazu lieferte VW 2004 mit dem Polo Fun und dann ab 2006 mit dem Cross-Polo, bei denen aber lediglich die originale Karosserie um 15 Millimeter angehoben und mit ein paar Zierteilen aus der Offroad-Schublade aufgehübscht worden war. Erst ab ungefähr 2012 tauchten die ersten eigenständigen Zwerg-SUV auf. Und auch Renault gehörte mit dem Captur zu den viel bestaunten Pionieren.
Karosserie: Viel Luft, umgeben von Blech
Wollte man ein Patentrezept für diese Gattung entwerfen, sähe das in etwa so aus: Länge um vier Meter und mindestens 15 Zentimeter Bodenfreiheit. Aber kein Allradantrieb, was die Kleinen von talentierteren Kraxlern wie Toyota RAV4, Mitsubishi Pajero Pinin oder diversen Suzuki unterscheidet und den Preis niedrig hält.
Angereichert wird das Ganze dann noch mit einer üppigen Karosseriehöhe. Der Captur bringt es auf rund 1,57 Meter. Dadurch lassen sich die Passagiere aufrechter platzieren, was bei vorgegebener Innenraumlänge für ein luftigeres Package mit mehr Beinfreiheit sorgt. Wobei diese beim Captur auch noch von recht kleinen Sitzen unterstützt wird. Die kosten selbst zwar nur wenig Platz, lassen aber Urlaubsreisen nicht gerade verlockend erscheinen. Dabei wäre genügend Gepäckraum vorhanden, mit 377 Litern liegt der Renault, gemessen an seinen Außenabmessungen, im Vergleich weit vorn. Zusätzlich lässt sich die Rückbank um 16 Zentimeter vorschieben, womit das Stauvolumen auf 455 Liter wächst. Oder kurz: Ein höherbauender Kleinwagen eben.
Die dünnblechig wirkenden Türen scheppern schon ab Werk schütter ins Schloss, Spaltmaße sind nie so ganz perfekt, und die Motorhaube kann auf der Autobahn schon mal etwas flattern – all das ist normal und hat auch beim Gebrauchtwagen nichts mit versteckten Schäden zu tun. Immerhin: Der Captur ist zäh. Ernsthafte Rostprobleme kennt er nicht. Lediglich Achsteile und Aggregateträger können je nach Streusalz-Historie korrodieren. Nacharbeiten geht aber schnell und billigst. Durch diese Vorteile und sein zweckmäßiges Format, lässt sich der etwas dürre Eindrück locker kompensieren.
Innenraum: Irgendwas klappert immer
Die Praktikabilität in Form von cleveren Klappen und rückbarer Rücksitze fordert auch Zugeständnisse, etwa in Form einer gewissen Gleichgültigkeit gegenüber Störgeräuschen. Denn wo viel geklappt und geschoben wird, schleicht sich mit den Jahren auch Spiel ein. Und dann scheppert so eine Bank auf schlechten Straßen stetig vor sich hin. Auch aus anderen Ecken des Gehäuses knackt und zirpt es gelegentlich, eine leichte Grundklapprigkeit in der Konstruktion kann also auch der Captur nicht leugnen. Wer diese Geräusche im Stand reproduzieren möchte, der klopfe einfach mal gegen Türverkleidungen oder Armaturentafel. Fast alle anderen Kleinwagen fühlen und fassen sich solider an. Aber auch hier zählt wieder das Aber: Dem Nutzwert als Gebrauchsgegenstand tut das keinen Abbruch. Zumindest ist auch im Cockpit alles recht gefällig mit etwas Herz designt. Einen eher liebevollen Zugang erfodert auch die vertrackte Bedienung vieler Funktionen. Wir sprechen nicht vom blind verwendbaren Bediensatteliten hinterm Lenkrad – der ist fast schon genial, sondern eher davon dass der Tempomat gleich zwei Speichen, und damit das gesamte Multifunktionslenkrad in Beschlag nimmt, ohne dabei auf Renault-Neulinge auch nur ansatzweise intuitiv zu wirken. Beinahe perfide ist, dass der Geschwindigkeitshalter zudem noch per Wippschalter in der Tiefe zwischen den Vordersitzen eingeschaltet werden möchte. Das Kombiinstrument trägt den verspielten Charme einer digitalen Armbanduhr, nicht aber deren Funktionalität. Bordcomputeranzeigen werden nur in äußerst knapper Einzeiligkeit wiedergegeben. Die touchbasierte Software der "besseren" Navigationsgeräte spottet jeder Beschreibung von intuitiver Nutzbarkeit. Die von Renault verwendete Schlüsselkarte nebst Startknopf funktioniert im Alter nicht immer zuverlässig. Hier hilft nur pfleglicher Umgang und etwas Sauberkeit um den ihr zugeteilten Schlitz.
Während alle fünf Insassen auf zu kleinen und seltsam gepolsterten Stühlchen kauern, zieht sich der Beifahrer zudem noch blaue Flecken an den Schienbeinen zu, wenn das federbelastete und als Schublade ausgeführte Handschuhfach öffnet. Muss das sein? Nur wer dieser Liste an kleinen Schwachsinnigkeiten gelassen gegenübersteht, findet Freude am Renault.
Motoren: Spitzenmäßige Diesel, diffizile Benziner
Das Fotomodell in diesem Artikel stammt vom Autohaus Brunkhorst in Zeven (Landkreis Rotenburg an der Wümme, Niedersachsen), trägt den Namen 1.5 dCi 110 eco hoch zwei XMOD Energy und hat beim Entstehen dieser Zeilen bereits einen neuen Besitzer. Erstmals zugelassen im März 2017, knapp 72.000 Kilometer abgespult und mit 13.990 Euro bepreist, hört sich das erst nach einem guten Deal an. Der – so viel sei bereits verraten – auch auf der Hebebühne keine anderslautenden Erkenntnisse beschert.
Von Renaults 1,5-Liter-Diesel sind ohnehin keine Hiobsbotschaften zu befürchten. Die Dinger laufen, halten sich mit dem Durst zurück und verenden eigentlich nur dann unplanmäßig, wenn irgendwann in soundsovielter Hand der alle 150.000 Kilometer oder sechs Jahre fällige Zahnriemenwechsel vergessen wird.
Abgesehen davon teilen sie die üblichen Gebrechen aller modernen Turbodiesel, die mittels hoher Abgasrückführungsraten die Stickoxide bekämpfen müssen, wobei der Ansaugtrakt sich derart mit Schmutz aus Öl und Ruß zusetzen kann, dass die Leistung nachlässt und irgendwann die Motorlampe aufleuchtet. Das passiert auch, wenn die Stauklappe hinter dem Partikelfilter mit den Jahren schwergängig wird, bis sie völlig klemmt oder der für ihre Betätigung nötige Motor durchbrennt.
Auch das Abgasrückführungsventil selbst kann so verrußen, dass es klemmt. Weil verschiedene Renault-Diesel bei Abgastests mit deutlich überschrittenen Grenzwerten aufgefallen waren, gab es mehrere Updates fürs Motorsteuergerät, bei den Automatikversionen außerdem fürs Getriebesteuergerät. Und dann wäre da noch die Sache mit den verrosteten Einspritzdüsen. Denn der Captur gehört zu jenen Autos, bei denen Regenwasser – trotz geschlossener Haube – auf den Motor tropfen kann. Und weil steter Tropfen nicht nur Steine höhlt, verrotten mit der Zeit die Injektoren. Und zwar so sehr, dass sie sich dann nicht einmal mehr demontieren lassen, weil sie im Zylinderkopf festkorrodiert sind. Der dann im Extremfall mit erneuert werden muss. Es kann also nicht schaden, die Vertiefungen, in denen die Injektoren sitzen, nach Regen auf Nässespuren zu untersuchen und eventuell den Wasserablauf vor der Frontscheibe zu modifizieren.
Bei den Benzinern tritt dieses Problem seltener auf, die plagen dafür andere Sorgen: Dreh- und Angelpunkt bei den TCe-Motoren ist der Steuertrieb, also die Kette samt Gleitschienen und Spannvorrichtung. Im 100.000-Kilometer-Dauertest eines Renault Scénic meldete die Motorkontrolle schon vor Erreichen von 60.000 Kilometern eine gelängte Kette. Da haben die Franzosen tief und fest geschlafen. Schließlich hatte der VW-Konzern bei Erscheinen der TCe-Benziner bereits jahrelang Watschn für das Ketten-Desaster seiner TSI-Aggregate bezogen. Das Problem zu labil dimensionierter Kettentriebe durfte also als bekannt vorausgesetzt werden.
Davon abgesehen sind jedoch auch die Benziner des Captur solide Langläufer, kleinere Probleme mit der Abgasreinigung mal ausgenommen. So wurde die Entschwefelung des NOx-Speicherkats anfangs zu spät angestoßen, was wiederum die Motorlampe erstrahlen lässt. Sollte aber inzwischen mittels Software-Update behoben sein.
Getriebe: Zähneknirschend hinzunehmen
Mehr Sorgen kann der Antriebsstrang bereiten, insbesondere die Getriebe. Am solidesten ist noch der Sechsgang-Handschalter, der zwar etwas teigig zu bedienen ist, aber dafür wenig Ärger bereitet. Die Fünfgang-Ausführung hingegen hat noch das gesamte Mängel-Repertoire früherer Renault-Radsätze in petto wie rausspringende Gänge und Ölverlust an diversen Stellen. Umfangreich auch die Geräuschbeschreibungen der Renault-internen Anweisung zur Fehlersuche, vom Heulen, Jaulen bis zum Gurren ist alles dabei. Als Reaktion hat der Hersteller ein Maßnahmenpaket entwickelt, höchste Eskalationsstufe ist dabei der Komplettaustausch.
Ein Fall für sich ist weiterhin das automatische Doppelkupplungsgetriebe, zugeliefert von Magna Powertrain. Wird die Dichtung seiner Eingangswelle durchlässig, verölt die Doppelkupplung und bedarf dann der Erneuerung – wofür zusätzlich acht Arbeitsstunden zu bezahlen sind, sofern keine Gebrauchtwagen-Garantieversicherung aufkommt.
Aber um diese Schaden-Litanei richtig einzuordnen: So was kann passieren, muss aber nicht. Schließlich ist der ADAC voll des Lobes über den Captur, stuft ihn in den Baujahren 2014 bis 2018 in die dunkelgrüne Gruppe ein – besser geht’s nicht. Lediglich der Jahrgang 2019 schafft nur hellgrün, was aber immer noch weit entfernt ist von unzuverlässig.
Fahrwerk: Vorhanden
Wobei die Federung sich größte Mühe gibt, erst gar keine Erschütterungen durchzulassen. Im Grunde lobenswert, wo heutzutage doch alles sportlich abgestimmt sein muss und kein Autohersteller damit werben würde, ein gemütliches Auto zu bauen. Genau das aber ist der Captur (na gut, bis auf die Sitze), und deshalb gewinnt er auch keinen Dynamikpreis. Kurven umsegelt er mit deutlicher Schräglage stur untersteuernd. Sobald die Reifen das erste zarte Fiepen der Querbeschleunigung von sich geben, packt auch schon das übervorsichtige ESP zu.
Also surrt man besser entspannt über Land, erfreut sich des niedrigen Innengeräuschpegels und der sanften Federung. Damit wir uns nicht falsch verstehen: Vom beschwingten Wogen eines R4 oder auch des frühen R5 ist der Captur natürlich weit entfernt. Die Karosserie bleibt ruhig, kurze Unebenheiten werden in Form von Poltergeräuschen vor allem akustisch weitergegeben. Physik lässt sich nun mal nicht überlisten. Wie die meisten anderen SUV macht eben auch der Renault deutlich, dass an einer leichten Karosserie vier große und entsprechend schwere Räder hängen, die mittels straffer Dämpfung irgendwie am Springen gehindert werden müssen – Stichwort ungefederte Massen. Unser Tipp: Wählen Sie nach Möglichkeit die leichteste Rad-Reifenkombination. Schade nur: wegen ihrer 4x100-Anbindung und dem großen Durchmesser sind die recht leichten Stahlfelgen häufig bei Tuningfans gefragt und vergriffen.
Mängel: Nichts ist wirklich schlimm
Es zieht sich wie ein roter Faden durch diese Kaufberatung: Nur wenig am Captur ist wirklich perfekt, aber doch schafft er es mühelos durch sämtliche Unbillen des Alltags. Ähnlich sieht es der TÜV: Der Anteil der Captur ohne erkennbare Mängel lag im Prüfjahr 2021 deutlich über dem Durchschnitt aller geprüften Fahrzeuge, Exemplare mit leichten bis erheblichen Beanstandungen jeweils darunter. Wenn etwas zu bemängeln war, dann Klassiker wie ausgenudelte Radführungsgelenke und Koppelstangen, ganz vereinzelt ein paar Bremsschläuche und – selten, aber nicht ausgeschlossen – Rost, bevorzugt am vorderen Aggregateträger. Kein Grund also, den Captur von der Einkaufsliste zu schubsen. Andere Autos sind auch nicht fehlerfrei, irgendwas ist immer.
Doch bei diesem Renault stimmt vor allem das Preis-Leistungs-Verhältnis. Wer also einen sozialverträglichen Mini-SUV für den Alltag oder als Rentner-Hochsitz sucht, darf einen gepflegten Renault Captur getrost in die engere Wahl nehmen.
Preise: Alles halb so wild
Wer sich für den knuffigen Captur 1 interessiert, stößt auf ein breites Angebot. Über 1.200 Exemplare stehen in den einschlägigen Online-Börsen zum Verkauf. Das Angebot beginnt bei 8.000 Euro für knapp motorisierte, mager ausgestattete Modelle mit fünfstelligem Tachostand und noch mindestens sechs Monaten bis zur nächsten HU. Angesichts der grundsätzlich guten Haltbarkeit und der auffallend niedrigen Unterhaltskosten, wird aus der zugegebenermaßen etwas unperfekten Klapperkiste ein talentierter Stadtwagen.
Fazit
Wer einen – gemessen am derzeit üblichen Kostenrahmen – preiswerten Mini-SUV sucht, sollte sich den Captur durchaus mal ansehen. Den Alltag meistert er in der Tradition früherer Renault-Klassiker wie R4 und R5 – also überaus praxisgerecht. Deren Grundklapprigkeit hat er allerdings ebenfalls geerbt, der Rostschutz ist mittlerweile natürlich erheblich besser. Weil auch TÜV und ADAC kaum Kritik äußern, ist die erste Generation des Captur somit ein Tipp.
Renault Captur dCi 110 XMOD | Renault Captur TCe 120 XMOD | |
Grundpreis | 24.090 € | 23.690 € |
Außenmaße | 4122 x 1778 x 1566 mm | 4122 x 1778 x 1566 mm |
Kofferraumvolumen | 455 bis 1235 l | 455 bis 1235 l |
Hubraum / Motor | 1461 cm³ / 4-Zylinder | 1197 cm³ / 4-Zylinder |
Leistung | 81 kW / 110 PS bei 4000 U/min | 87 kW / 118 PS bei 5000 U/min |
Höchstgeschwindigkeit | 180 km/h | 192 km/h |
0-100 km/h | 11,2 s | |
Verbrauch | 3,9 l/100 km | 5,6 l/100 km |
Testverbrauch | 5,8 l/100 km |