Wie sähe wohl die Autowelt aus, wenn es ihre vielen verschiedenen Ausprägungen nicht gäbe? Keine Sportwagen, keine SUVs, keine Luxusautos – nur Typen, die von allem ein bisschen können. Die Antwort: in etwa so wie der Škoda Octavia . Speziell in Generation Drei machte er einen großen Sprung, was Fahrkomfort, moderne Technik und optionale Verwöhnausstattung angeht. Nun wird er schon seit zwei Jahren nicht mehr gebaut und muss zeigen, ob er auch als Gebrauchtwagen ein Tausendsassa ist. Wir meinen ja. Hier sind zehn Gründe, warum.
1. Das Preis-Leistungs-Verhältnis
Stumpf verglichen mit anderen Kompaktautos, ist der Octavia nicht herausragend günstig. Zum Teil ist er sogar teurer, als Astra, Focus, oder sogar der eine oder andere Golf 7, mit dem er sich den Baukasten teilt. Der Vorteil liegt in seinem Format. Während die direkte Kompakt-Konkurrenz meist ganz klassisch als Steilheck-Fünftürer daherkommt, besitzt die Basisvariante des Octavia stets ein ausladendes Fließheck und kommt optisch auf diese Weise viel eher wie eine Mittelklasselimousine daher. Tatsächlich überragte bislang jede moderne Octavia-Generation das übliche Format der Kompaktklasse und wilderte im Revier von Passat und Co. Gleiches gilt natürlich auch für die hierzulande am deutlichsten verbreitete Kombi – pardon – Combiversion.
Und was hat das mit Preis-Leistung zu tun? Ganz einfach: Technisch war er schon immer durch und durch Golf und blieb damit technisch ganz in der kosten- und unterhaltsgünstigen Kompaktklasse. Schon bei 7-8.000 Euro geht die Reise für gepflegte Exemplare mit etwas erhöhtem Kilometerstand (um die 150.000 km) los – bedenkenlos kaufbar, sofern die Wartungshistorie stimmt. Bis an die 20.000-Euro-Hürde sind im Netz rund 5.000 Exemplare zu finden, die jeweils in Alter und Laufleistung sinken, dafür aber an Extras dazugewinnen. Die Preiskurve ist dabei homogen.
2. Das Platzangebot an sich
Vom Obengenannten können wir also festhalten: Wer ein Auto mit Mittelklasse-Platzangebot sucht, und dabei nicht auf günstige Kompaktpreise verzichten möchte, hat mit dem Octavia ein echtes Ass im Ärmel. Doch wie lässt sich das Raumangebot präzise in Worte und Zahlen fassen? Mit dem Kofferraum zum Beispiel. Schon das Fließheck bietet 590 bis 1580 Liter Stauraum. Das sind waschechte Kombiwerte, nur dass die Ladung unter der eher flachen Heckscheibe nicht ganz so sperrig ausfallen darf. So wird die Limo außerdem zum Geheimtipp, da sie oftmals billiger angeboten wird, als ein vergleichbarer Combi, dabei aber nicht selten besser ausgestattet ist. Letzter schlägt mit 610 bis 1.740 Litern dem Fass den Ladeboden aus. Zum Vergleich: ein Audi A6 (!) Avant bietet 565 bis 1.680 Liter. Wichtig ist außerdem zu erwähnen, dass die riesigen Kofferräume keineswegs dafür sorgen, dass am Platz für die Fahrgäste gespart wird. Vorn wie hinten verbringen auch Zweimeter-Typen lange Urlaubsfahrten ohne Murren. Der simple Trick dahinter: Wo das gediegenere Längsmotor-Layout vieler Mittel- und Oberklassewagen relativ viel Raum verbraucht, kauert im Octavia-Motorraum stets ein platzsparender Quermotor.
3. Die Wertstabilität
Versprochen, wir hören gleich auf, über öde Preise und offensichtliche Laderaum-Vorteile zu schwadronieren, dennoch könnte dieser Punkt für manche interessant sein. Da so ein Octavia meist nicht als emotionaler Herzensbrecher gekauft wird, sondern doch eher als braves Nutztier, spielt für viele auch der Wiederverkauf eine Rolle. Damit meinen wir nicht den horrenden Wertverlust, den heutzutage praktisch jeder Neuwagen, der nicht aus Stuttgart-Zuffenhausen kommt, einbüßt, sondern die Tatsache, dass ein halbwegs vernünftig gewarteter Octavia nie ganz heruntergewirtschaftet wird. Wo manch ein ausgelutschter Kompaktwagen sich nach vielen hunderttausend Kilometern irgendwann lediglich noch seinem Schrottwert annähert, findet sich beim Octavia immer noch ein dankbarer Käufer. So können Sie auch für echte Kilometer-Methusalems noch einen fairen vierstelligen Betrag verlangen.
4. Die Zuverlässigkeit
Damit obige Kalkulation aufgeht, muss die Technik stets instand gehalten werden – das ist klar. Und auch hier brilliert der Octavia. Das Lob gebührt hier nicht allein den tschechischen Konstrukteuren, sondern vor allem VW, aus dessen Regalen Antriebe und Technik kommen. Gerade die Diesel sind echte Dauerläufer. Ob sie nun 2-, 3-, 4- oder 500.000 Kilometer halten (oder gar noch länger) entscheidet im Einzelfall nur eine halbwegs angemessene Wartung. Und die ist nicht teuer. Alle 200.000 Kilometer ein Zahnriemen mit Wasserpumpe für 600 bis 1.000 Euro (je nach Werkstatt) und möglicherweise mal ein neuer Ladeluftkühler, weil die originalen früher oder später mal undicht werden können, und viel mehr ist außerhalb von regelmäßigen Ölwechseln zum Glück nicht nötig. Ähnlich, jedoch seltener anzutreffen ist es bei den Benzinern (EA211 und EA888), die allesamt von einem problemlosen Trockenzahnriemen gesteuert werden, und somit die schwerwiegenden Steuerkettenprobleme der Vorgängergeneration (EA111) hinter sich lassen. All das heißt nicht, dass ein Octavia stets fehlerfrei funktioniert, doch wo andere unter echten Achillesfersen leiden, gibt's beim VW-Baukasten meist nur Kleinkram zu beheben. Wir sind bereits in der großen Kaufberatung zum Golf 7 im Detail darauf eingegangen.
Einen möglichen Stolperstein sehen viele im optionalen Doppelkupplungsgetriebe, welches die Automatikoption darstellt. Während die ersten DSG-Generationen auf Dauer kapitale Probleme mit Lagerschäden bereiteten, sind die Aggregate im Octavia 3 insgesamt betrachtet relativ problemlos, sofern sie richtig behandelt wurden. Ständiges Kriechen, speziell am Berg oder mit Anhänger sorgt für starken und teuren Verschleiß, die Ölbad-Versionen der stärkeren Antriebe sind zudem auf einen Getriebeölwechsel alle 60.000 Kilometer angewiesen.
5. Die Sparsamkeit
Es hat einen guten Grund, weshalb Sie bei Ihrer Onlinesuche zum Octavia auf unzählige 1.6 TDI mit überschaubaren 105 PS treffen. Wer sich nur ein wenig anstrengt, fährt den großen Octavia mit einem Verbrauch im niedrigen Vierliter-Bereich durch die Gegend. Sogar die Drei vorm Komma ist mit etwas Langmut drin. Im normalen Fahrbetrieb wuppt der Diesel dank seiner 250 Newtonmeter den Octavia übrigens sogar einigermaßen spritzig vom Fleck. Lahm ist er nicht, und das, obwohl ihm die böhmischen Buchhalter nur ein Fünfgang-Schaltgetriebe (DSG optional) zugestanden haben. Der nicht minder beliebte 2.0 TDI äußert sein Hubraum-Plus von 0,4 Litern meist auch in einem ebenso erhöhten Kraftstoffverbrauch – geschenkt. Ab Mitte 2015 erfüllen sämtliche Antriebe die Euro-6-Norm, sind also überall in Deutschland innenstadttauglich.
Die kleineren Benziner sind im Spritverbrauch stark vom Fahrstil abhängig, da sie mehr auf Ladedruck angewiesen sind, um auf Trab zu kommen, als es bei den größeren Hubräumen der Fall ist. Hier zaubern Sparsame relativ leicht eine Fünf vors Komma, während die kräftigen 1,8- und 2,0-Liter-Motoren meist gut einen Liter mehr genehmigen.
6. Das Sicherheitsniveau
Eine zeitgemäße Menge an Airbags war 2013 auch bei Skoda bereits ebenso selbstverständlich, wie ein tadelloses Fünf-Sterne-Resultat im Euro-NCAP-Crashtest. Und weil das auch bei praktisch allen anderen Herstellern der Fall ist, würde dies allein nicht für ein Lob in der Sicherheit reichen. Vielmehr verdient der Octavia unsere Empfehlung, weil alles, was zu seiner Fahrsicherheit beiträgt, so gut abgestimmt ist. Das fängt schon beim Fahrwerk an, welches hohe Reserven bietet (ab 150 PS mit Mehrlenker-Hinterachse) und gut mit einer relativ präzisen Lenkung harmoniert, und kommt mit tadellosen Bremswerten zum Stehen. Aktive Fahrassistenz, so sie denn an Bord ist, arbeitet deutlich angenehmer als in vielen Konkurrenten seinerzeit. Zum Debüt des Octavia 3 war es nicht unüblich, dass Notbremsassistenten sich schon mal von einer Verkehrsinsel erschreckten, oder Spurhalteassistenten wie betrunken an den Fahrbahnmarkierungen entlangtaumelten.
7. Der Komfort
In grauen Vorzeiten bedeutete Luxus im Auto vor allem viel Platz, bequeme Sitze und eine angenehme Federung. Kurz: Das Fahren und Mitfahren an sich stand im Fokus. Heute würde niemand einen beradkappten Basis-Octavia mit 86-PS-Saugbenziner und manueller Klimaanlage als luxuriösen Reisewagen bezeichnen. Und doch bietet er genau jene klassischen Vorzüge. Es lässt sich einfach unheimlich gut auf langen Strecken in ihm aufhalten. Und weil spätestens seit der zweiten Octavia-Generation viele Erstbesitzer auch nicht mit Sonderausstattungen geizten, finden sich fast immer auch hochwertige Audioanlagen, Klimaautomatik, Sitz- und Lenkradheizung oder gar Ledersitze im Interieur. Braucht man wirklich mehr?
Ja, zugegebenermaßen schon. Wer nicht ständig mit eher schwergewichtigerer Ladung fährt, ist mit einem Faceliftmodell gut bedient. Hier wurde die Fahrwerksabstimmung eine ganze Ecke sanfter. Zuvor federte der Škoda mitunter etwas herb.
8. Die Wartungsfreundlichkeit
Egal, ob es nun um Golf, Leon, A3 oder eben Octavia geht: Ersatzteile für Antrieb, Fahrwerk und Bremsanlage sind überall in Europa mühelos und zu günstigen Preisen zu bekommen. Auch Zulieferer bieten mittlerweile kostengünstige Ersatzteile in guter Qualität und zu fairen Preisen an. Und: Jede Werkstatt zwischen Polarkreis und Portugal ist mit dem Technikbaukasten bestens vertraut. Rätselraten oder tagelange Wartezeiten sind Octavia-Besitzern meist fremd. Mehr noch: Die weite Verbreitung sorgt dafür, dass viele Standardarbeiten mittlerweile narrensicher im Internet erklärt sind, sodass auch Selbermacher bestens zurechtkommen.
9. Die Vielseitigkeit
Dass so ein Octavia, speziell als günstiger Gebrauchter ein absolutes Allzweck-Werkzeug ist, dürfte wohl unstrittig sein. Mit Vielseitigkeit meinen wir nicht den Fakt, dass es neben dem omnipräsenten Combi auch noch die geräumige Limo gibt, sondern vielmehr, dass im Prinzip jeder Autofahrer mit dem Octavia zurechtkommen kann. Cabriofreunde und Offroad-Fahrer müssen sich anderswo umsehen, alle anderen kommen irgendwie auf ihre Kosten: Pendler auf der Suche nach dem sparsamen Kilometerfresser, Kurzstreckenfahrer, die nur einmal im Jahr auf große Fahrt gehen, Familien mit großem Platzbedarf, sportliche Fahrer mit "RS" im Schriftzug, ja sogar SUV-Nutzer, die auf etwas Bodenfreiheit, Allrad und eine halbwegs ordentliche Anhängelast angewiesen sind. Nicht mal Premium-Fans, die Lust auf feine Materialien und saubere Verarbeitung haben, werden enttäuscht.
Möglich macht's eine Menge an verschiedenen Ausstattungen und Motorisierungen. Selbst wenn sich der allergrößte Teil des Octavia-Angebots um typische Dienstwagen-Specs dreht, gibt es doch für jeden Zweck die richtige Version. Die Spezialisten nennt Skoda Scout, RS, und Laurin & Klement. So kommt der Octavia dann wahlweise mit Crossover-Anstrich und Allrad, im Trainingsanzug mit potentem GTI-Motor, sowie im feinen Lederzwirn mit Luxusausstattung daher. Und wenn das noch nicht reicht, gibt es mit 1.4 und 1.5 TSI G-Tec sogar seltene Erdgasversionen, die kaum zu schlagende Spritkosten ermöglichen, sofern Sie eine entsprechende Tankstelle in der Nähe haben.
10. Probleme – ist doch nicht alles gut?
Uns ist nicht bekannt, dass in Mlada Boleslav, zu deutsch Jungbunzlau, eine statistisch relevante Menge an Octavia 3 auf die Räder gestellt wurden, die tatsächlich chronische Schwachstellen haben. Fehlerfrei ist er natürlich trotzdem nicht. Neben den kleinen bis mittelgroßen Problemchen, die mit dem Technikbaukasten einhergehen (defekte Sensoren, undichte Ladeluftkühler, zischelnde Panoramadächer, ruckiges DSG) finden sich jedoch in erster Linie nur kleine Probleme, wie etwa vorzeitiger Fahrwerksverschleiß, teils mit gebrochenen Federn, wenn die Zuladung oftmals großzügig ausgenutzt wurde, sowie einzelne Verarbeitungsprobleme. Dazu gehört hier und da eine schlecht sitzende Geräuschdämmmatte, oder Undichtigkeiten in der Spritzwasserzufuhr für die Heckscheibe.