Wenn in den USA eine große Holzkiste mit einem Motor darin vor der Tür steht, dann hat ein Autohersteller eine sogenannte Crate Engine geliefert. Übersetzt heißt das nämlich nichts anderes als Kistenmotor. Bis in die frühen 1990er-Jahre waren Austauschmotoren in den USA sehr beliebt, dann ebbte die Begeisterung langsam ab – die Aggregate hatten an Komplexität gewonnen und waren stark auf das jeweilige Modell angepasst, für das sie gedacht waren. Aber in den vergangenen Jahren erlebt die Crate Engine eine Wiederauferstehung – wiederum sind es die amerikanischen Autohersteller, die insbesondere ihre hubraumstarken Verbrenner auch als einzelnen Motor liefern. Eher ungewöhnlich ist, dass ein japanischer Hersteller diesen Trend jetzt mitgeht: Honda bietet den vergleichsweise kleinen aber enorm potenten Motor aus dem Civic Type R ebenfalls zum Kauf an. Vorher hat Honda das Aggregat ausschließlich an Rennteams verkauft.
Quirliges 320-PS-Aggregat
Der im Civic Type R vorn quer eingebaute Turbomotor trägt die Typenbezeichnung K20C1. Er hat zwei Liter Hubraum, leistet 320 PS und generiert ein maximales Drehmoment in Höhe von 400 Newtonmetern – der Nockenwellen-Antrieb erfolgt über eine Steuerkette. Ein zusätzlich angebotenes Paket nennt Honda "Controls Package", weil auch die ECU (electronic control unit – elektronisches Steuergerät) und alle notwendigen Kabel zum Lieferumfang gehören. Die ECU ist von Hondas Motorsportabteilung HPD (Honda Performance Development) vorkonfiguriert. Außerdem stecken die Lichtmaschine, der Anlasser und ein neues Gaspedal mit in der Kiste.
Viel vorbereitet – und trotzdem viel Arbeit
Für den Motor mit Turbolader, Lichtmaschine und Anlasser verlangt Honda in den USA 6.790 Dollar (aktuell umgerechnet zirka 5.600 Euro). Für das Motorsteuergerät und die Kabel möchten die Japaner weitere 2.210 Dollar (1.823 Euro) haben. Für eine komplette Funktionstüchtigkeit des Motors wären dann noch ein Luftsammler, der Luftfilter, ein Ladeluftkühler, Kraftstoff-, Öl- und Kühlwasserleitungen inklusive Kühlsystem, eine passende Abgasanlage und natürlich ein auf den Motor abgestimmtes Getriebe nötig. Und wer seinem Auto einen kräftigen Leistungsschub verpasst, darf natürlich auch die überlebenswichtigen kräftigeren Bremsen nicht vergessen. Dem Paket liegt ein Handbuch bei, in dem Honda Hinweise zu den bestmöglichen Spezifikationen dieser Bauteile gibt.
Motor für die Rennstrecke
Allerdings sollen die Motoren zwar zum einfachen Tausch geeignet sein, sie sind aber nicht für den Straßenverkehr zugelassen. Wer also seinen älteren Civic mit diesem Motor kräftigen möchte, darf ihn nur noch außerhalb des öffentlichen Straßenverkehrs, also beispielsweise auf einer Rennstrecke bewegen.
Kunden können den K20C1-Motor aus dem Civic Type R ab dem 1. Mai 2021 kaufen – vom "Controls Package" bietet Honda zunächst nur 93 Exemplare über die Zubehörhändler United Speed Racing, Science of Speed, Mountune USA und 4Piston Racing an.
Fans melden Bedarf an
In US-Foren freuen sich die Fans über das Angebot. Einige wünschen sich viel mehr kleine und zudem straßenzugelassene Crate Engines, um ältere kleine Fahrzeuge leistungsmäßig auf den neuesten Stand bringen zu können. Andere machen Witze darüber, dass Fahrer von US-Muscle-Cars jetzt ihre Hubraummonster gegen den Civic-Type-R-Motor tauschen können.
Fazit
Honda macht mit seinem Angebot, den Motor des Civic Type R in geringer Stückzahl und als nicht straßenzugelassene Variante einzeln zu verkaufen, einen vorsichtigen Schritt in Richtung Crate-Engine-Handel. Der Handel mit Austauschmotoren, um ältere Autos mit deutlich mehr Leistung zu versorgen, hat in den USA eine lange Tradition, ist bis heute beliebt und erlebt aktuell eine Renaissance.
Sollte sich das Angebot als Erfolg erweisen, könnte Honda weitere kleine Motoren einzeln anbieten – Fans in amerikanischen Foren hoffen auf straßenzugelassene Varianten für ihre älteren japanischen Modelle.
In Europa dürfte der Aufwand für die Zulassung eines Autos mit einem neuen Motor aus einer anderen Modellreihe ungleich höher und somit teurer sein.