Gebrauchtwagen-Tour Mittelklasse: Drei Normalo-Auto-Tipps

Gebraucht-Tour Mittelklasse
Auf der Suche nach dem Normalo-Gebrauchtwagen

Kommen Sie mit uns auf Gebrauchtwagen-Tour. Wir teilen unsere Erlebnisse vom Kiesplatz bis zum Showroom. Heute geht es um eine Gebrauchtwagenberatung, die auf den ersten Blick so gewöhnlich scheint wie nur möglich – und doch findet sich gar nicht so leicht das richtige Auto.

Auf der Suche nach dem Normalo-Gebrauchtwagen
Foto: Hans-Dieter Seufert

Was ist schon normal? Neulich hörte ich von einer Bekannten, die ein neues Auto für sich und ihre Familie sucht. Der gut zehn Jahre alte Astra-Kombi wurde an einem Stauende von einem unaufmerksamen Fahrer als Bremshilfe missbraucht. Zum Glück wurde niemand verletzt, doch der Astra ist nicht mehr wirtschaftlich zu reparieren. Das Budget: maximal 16.000 bis 18.000 Euro, jährliche Fahrleistung knapp 15.000 Kilometer, einzige Anforderung: Platz für zwei Erwachsene und zwei Kinder, sowie problemlose Technik. Ansonsten gilt die mit dem Credo "Wir machen uns nix aus Autos" verbundene Narrenfreiheit.

Das große Gebrauchtwagen-Spezial

Was klingt wie die maximal mögliche Durchschnittlichkeit bei der Gebrauchtwagensuche, entpuppte sich in der Theorie als überraschend komplex. Als pflichtbewusster Gebrauchtwagentester klärte ich meine Bekannte nämlich zuerst darüber auf, dass viele Leute in Ihrer Situation nun schon seit Langem zu kompakten SUV greifen – Platzangebot, Übersichtlichkeit. .. Sie wissen schon.

Sie weiß, was sie nicht will

Zu meiner Überraschung konterte Frau "Macht-Sich-Nix-Aus-Autos" damit, dass sie den SUV-Trend für modischen Überfluss hält und somit grundsätzlich ablehnt. Nur etwas mehr Platz als im Astra sollte es geben. Ich staunte nicht schlecht, beglückwünschte sie zu ihrer stringenten Einstellung und blätterte im gedanklichen Katalog ins Mittelklasse-Kapitel. Jahrelang parkten hier Modelle, die genau auf die Ansprüche der Anspruchslosen zugeschnitten waren: Toyota Avensis, Renault Laguna, Peugeot 508, Opel Vectra, Honda Accord, selbst der Nissan Primera springt ins Gedächtnis. Zugegeben: Einige Beispiele sind qualitativ mit Vorsicht zu genießen, andere lassen sich nicht von einer gewissen Langeweile freisprechen. Dennoch gab es einst eine große Auswahl an Mittelklassemodellen, die viel Platz und entspannte Mobilität zu unschlagbar fairen Preisen boten. Einige sind ausgestorben, andere haben sich zu nicht bedingungslos praktischen Designerstücken gemausert. Platzhirsche wie den VW Passat oder seinen Technikbruder Škoda Superb gibt es noch, doch sind die als Gebrauchte nicht unbedingt günstig zu haben.

SUV Pkw Vergleich Aufmacher Passat Tiguan Collage
Hersteller / ams
Keine Bange, wir stellen hier nicht den Sinn eines SUV infrage. Wer jedoch auf die typischen Eigenarten wie den hohen Bauraum und die gehobene Sitzposition verzichten möchte, hat im günstigen und mittelpreisigen Gebrauchtwagensektor eine immer kleinere Auswahl.

Alternativen? Fehlanzeige

In den USA – dem Land, in dem der SUV-Boom bereits zu Beginn der 90er mit dem Ford Explorer begann, hält sich nach wie vor eine gewisse Grundmenge an bürgerlichen Mittelklassemodellen. Hyundai bietet Elantra und Sonata, Toyota Camry und Avalon, Kia den K5, Nissan den Altima, Honda hält am Accord fest und selbst VW bietet mit dem US-Passat eine kostengünstigere Alternative zur aufwendigeren Europa-Version. Fast alle fahren mit simplen Vierzylinder-Saugrohreinspritzern ohne Turbo. Das ist günstig, hält ewig und produziert nur wenig giftige Emissionen. Leider grassiert auch hier das Fallbeil der SUV-Mode. Mindestens vier der genannten Modelle sollen keinen Nachfolger bekommen. Ersetzt werden sie durch beplankte Crossover-Versionen mit höherem Reifenquerschnitt und neuem Namen. SUV-Look ohne SUV-Vorteile: das wäre (zu Recht) nichts für meine Bekannte.

Toyota Avensis 2.0D-4D
Toyota
Typisch altmodische Mittelklässler zum bürgerlichen Preis sterben langsam aus. Eine Toyota-Avensis-Limousine, wie hier im Bild, gibt es schon seit 2017 nicht mehr zu kaufen. Langweilig? Vielleicht. Gut und günstig? Definitv!

Genug des Ausschweifens, die Familie muss auf die Straße und das bekommen wir auch ohne Hochbau-SUV und Crossover-Kokolores hin. Die Tatsache, dass Prestige in dieser Suche nach einem Allerweltsauto keine Rolle spielt, rückt das Preis-Leistungs-Verhältnis als Kriterium klar in den Vordergrund. Derartig motiviert liefere ich drei Vorschläge.

1. Opel Insignia B

Klar, der Insignia ist kein Geheimtipp. Im Gegenteil: Er wurde zigtausendfach verkauft, ist problemlos zu bekommen und ist dementsprechend auch als Gebrauchtwagen recht verträglich bepreist. Vom Astra kommend müsste sich die Bekannte in Sachen Bedienung kaum umstellen, kommt aber dennoch in den Genuss eines vernünftig gemachten Autos mit durchaus wertvollem Charakter. Technisch kann sie hier nicht viel falsch machen, erst recht wenn der laufruhige und sparsame 1.5-Liter-Turbobenziner unter der Haube steckt. Er ist angesichts der geringen jährlichen Laufleistung die günstigste Wahl in Steuer und Unterhalt, bietet aber dennoch genügend Elastizität für die alljährliche Urlaubsreise in die Toskana. Zu guter Letzt bietet er gut gemachte moderne Features in Infotainment und Fahrassistenz, sowie eine durchweg gelungene Fahrabstimmung. Gut gemachte Autos versüßen den Alltag – selbst wenn man sich nicht bewusst etwas aus ihnen macht.

Unterm Strich dürfte der Opel in diesem Fall die naheliegendste Option sein, die schlicht den größten Wert fürs Geld bietet.

2. Škoda Octavia III

Das automobile Klassendenken sortiert den Octavia bekanntermaßen zu den Kompaktwagen und nicht in die Mittelklasse. Škoda besitzt jedoch das Talent, auf äußerst gelungene Weise größere Karosserieformate auf prinzipiell kleinere Plattformen des VW-Mutterkonzerns zu setzen. Betrachten Sie den Rapid im Vergleich zum Polo, den Octavia im Vergleich zum Golf oder auch den Kodiaq im Vergleich zum Tiguan (okay, dann zog VW mit dem Allspace nach ...). Alle bieten die Platzverhältnisse der nächstgrößeren Wagenklasse, begnügen sich jedoch mit der günstigeren Technik ihrer Plattformspender.

So besitzt ein Octavia mindestens 30 Liter mehr Kofferraumvolumen als der deutlich größere Insignia. Für Pragmatiker wie meine Bekannte also ein echtes Argument. Das Auto fährt gut, ist ungeheuer praktisch und nutzt zudem die zuverlässige Technik des Golf 7, den wir nicht ohne Grund als beste Golf-Generation unter den Gebrauchten verbuchen. Wer hier zugreift, sollte sich überlegen, ob die Automatikversion mit Doppelkupplungsgetriebe wirklich die beste Wahl ist, kann aber ansonsten ebenfalls mit sorgloser Mobilität rechnen.

Einen tieferen technischen Einblick zum Octavia III finden Sie im Gebrauchtwagencheck zum Golf 7, der in vielen Punkten dem Škoda gleicht.

3. Peugeot 508 I

Dieser letzte Tipp hat's in sich. Manch erfahrener Kollege dürfte hier berechtigterweise hinterfragen, weshalb der erste 508 empfehlenswert sein soll, wo er doch in jungen Jahren mit ständigen Qualitätsmängeln zu Kämpfen hatte. Stimmt: Doch worum handelte es sich? Die Prüforganisationen monierten in erster Linie ausgefallene Leuchtmittel (kein teures Problem), sowie Ölverlust. Kunden klagten über Klappergeräusche oder unsaubere Verarbeitung von Verkleidungsteilen oder Gummidichtungen. Da jedoch fast alles noch während der ersten Jahre im Autoleben des Mittelklasse-Peugeots stattfand, wurden diese Einzelheiten in der Regel bereits behoben – nicht selten auf Garantie oder Kulanz. So bleibt an störendem Kleinkram nichts mehr übrig. Allein der frühe 1.6-Liter-THP-Benziner bis 2017 ist bisweilen aufgrund einer sich längenden Steuerkette problematisch. Dieses Aggregat lässt sich umgehen, während der große Rest des Motorenportfolios problemlos bleibt. Auch gibt es eine Reihe von Euro-6-Dieseln, die als langlebiger Stellantis-Einheitsdiesel bekannt ist. Dank sehr günstiger Preise kann sich der Selbstzünder also sogar mit geringer Jahresfahrleistung lohnen.

Was bleibt ist ein zuverlässiger Mittelklassewagen mit viel Platz und vor allem einem sehr hohen Fahrkomfort und eine tolle Ausstattung. Ja, die Bedienung ist nicht jedermanns Sache, doch wer sich partout weigert, der Bedienung von Technik eine gewisse Ästhetik zuzurechnen, kommt auch damit zurecht. Und warum sollte man ihn kaufen? Nun, er gehört zu den immer seltener werdenden Autos, die einfach keine große Fangemeinde besitzen. Der Nachfolger des 508 sticht ihn mit seinem hinreißend eleganten Design aus, während nüchterne Naturen lieber zu den technisch bewährten Konkurrenten greifen. In Form des 508 RXH gibt es übrigens auch einen crossoverig beplankten Kombi – aber sagen Sie's nicht meiner Bekannten.

Und sonst?

Manch einer mag nun lautstark einwenden, dass es ja schließlich auch noch den Mazda 6 oder den Kia Optima als empfehlenswerte Gebrauchtwagen gibt. Von etwas älteren Exemplaren der Premiumhersteller mal ganz abgesehen. Wer will, findet sogar einen Jaguar XE für deutlich unter 20.000 Euro. Die Sache ist nur: Wer sich selbst als anspruchslosen Autofahrer bezeichnet, steht oft mit Vorbehalten oder gar einer gewissen Scheu gegenüber manch exklusiverem Modell. Meine Bekannte würde sich schon beim Mitfahren im Jaguar unwohl fühlen. Auch über Audi, BMW oder Mercedes herrschen hier nicht selten Vorurteile, die zum großen Teil auf einem deutlich überschätzten Preisniveau beruhen oder auch auf einer gewissen Technikangst. Auf diese Weise spielt das Image eines Fahrzeugs also doch eine große Rolle, selbst wenn der Käufer bewusst keinen Wert auf ein solches legt.

Fazit

Es gibt sie also noch, die Allerweltsautos mit viel Platz für wenig Geld. Doch sie werden immer seltener und verlieren auch auf dem Weltmarkt immer mehr an Stellenwert. Wer nicht auf Höhe oder Platzangebot eines SUV angewiesen ist, kann hier (noch) zugreifen und somit eine Menge Geld sparen. Übrigens: Ist Ihnen aufgefallen, dass ich bei den hier empfohlenen Allerweltsautos nicht mal zwingend eine Kombiversion empfehle? Die selteneren, dabei oft günstigeren Schräghecklimousinen bieten mehr als genug Platz für größere Einkäufe und Familienausflüge.

Das Schrägheck... Noch so ein einst alltäglicher Anachronismus.