Modellwechsel bei Mercedes waren früher Ereignisse, welche die Autowelt den Atem anhalten und die Lieferzeiten ansteigen ließen. Nicht jedoch die Einführung der Baureihe 205, der C-Klasse ab 2014. Deren Debüt ging nahezu lautlos vonstatten, zu irritiert war die Kundschaft ob ihres an ein angelutschtes Bonbon erinnernden Designs. Zudem war die Botschaft überdeutlich: Das Ding muss in China einschlagen, der europäische Markt ist eher ein Nebenschauplatz.
Karosserie: Piekfein aber nicht tadellos
Der W 205 war neben dem klassischen Limousinenformat auch als beliebtes T-Modell (S 205), sowie als Coupé und Cabrio (C 205 und A 205) lieferbar. Alle vier Varianten sind ab Werk augenscheinlich bestens verarbeitet, tragen saubere Lackierungen und bestehen die Mercedes-Paradedisziplin, das Türzuschlagen, mit Bravour. Mit 480 Liter Laderaumvolumen in der Limousine und 490 bis 1.510 Liter im T-Modell fällt die Größe der Kofferräume klassentypisch aus. So weit, so gut.
Deutlich weniger nobel wirkt die C-Klasse auf der Hebebühne. Hier ist der Rost ein richtig übles Problem. Das betrifft vor allem die Längsträger und die Befestigungslöcher der Wagenheberaufnahmen sowie leider immer noch den Hilfsrahmen der Hinterachse. Wie schon bei den älteren W-204- und W-212-Baureihen können hier Durchrostungen auftreten, Prüforganisationen kennen diese Fälle. Besitzer von 205er-C-Klassen, die ihren Wagen länger fahren wollen, sollten hier also in eine Konservierung investieren. Kleiner Trost: Wo es bereits zu spät ist, ersetzt Mercedes den Achsträger auf Kulanz.
Eher als Lachnummer wurde die Nachricht betrachtet, wonach diese C-Klasse bis zu 100 Kilogramm leichter sei als der Vorgänger. Schließlich war die Hälfte der Gewichtsersparnis allein auf das reduzierte Tankvolumen zurückzuführen. Die Stuttgarter trauten sich tatsächlich, diese ausgewachsene Limousine mit nur 41 Litern Kraftstoff auf die Reise zu schicken. Damit nicht genug: Bei den Dieseln war auch der AdBlue-Vorrat lächerlich klein – serienmäßig acht Liter. Gebrauchtkäufer sollten also darauf achten, ob die Neu-Besteller einst noch zwei Kreuzchen an den richtigen Stellen gemacht haben. Gegen Zuzahlung von je 59,50 Euro (Preisliste 2016, Seite 70) ließen sich die entsprechenden Volumina nämlich auf langstreckentaugliche 66 und 20 Liter anheben.
Innenraum: So gut wie er aussieht?
Die C-Klasse muss in diesem Gebrauchtcheck einige Kritik über sich ergehen lassen. Auch der Innenraum ist ein zweischneidiges Schwert. Schon ein sparsam ausgestatteter W 205 vermag das von Mercedesfahrern so geliebte "Willkommen-zu-Hause"-Gefühl zu vermitteln. Die Materialgüte liegt auf höchstem Niveau und fast alles schmeichelt Auge und Hand. Übersicht und Bedienfreundlichkeit sind ebenso top. Erreichte der Neupreis einst schwindelerregende Höhen, schwelgt es sich noch fürstlicher in Leder, Holz, Metall, Carbon und sonstigem teuren Ornat. Leider ist jedoch nicht alles davon perfekt verarbeitet. Der Testwagen macht einen soliden Eindruck. Doch nicht alle Kunden sind zufrieden, viele klagen über Knister- und Schwirrgeräusche im Interieur. Auch das hervorragend musizierende Burmester-Surroundsystem kann mit scheppernden Tieftönern nerven; bei manchen Fahrzeugen werden zudem Schwingungen des Frischluft-Gebläses bis ins Lenkrad spürbar.
Motoren: Gute Benziner, junge Diesel mit Problemen
Größter Beliebtheit erfreuen sich die schadstoffarmen Diesel, sie machen ziemlich exakt die Hälfte des Angebots aus. Den wuchtbrummigen V6 mit 620 Newtonmetern Drehmoment gibt es im 205er nicht mehr. Aus den Vierzylindern wringen die Stuttgarter maximal 500 Newtonmeter, was für sich betrachtet ja auch nicht so wenig ist. Davon gibt es drei verschiedene Baureihen: so den Oelmotor (OM) 651, der 2009 in der E-Klasse (W 212) debütierte und gerade bei radikalem Fahrstil und/oder schlechter Pflege bereits erste Probleme mit der Steuerkette aufweist. Gut behandelte Exemplare sind aber zuverlässig. Oder den OM 654, der Mitte 2018 alle anderen Selbstzünder ersetzte. Er brilliert mit extremer Schadstoffarmut, machte aber hauptsächlich wegen des Rückrufs aufgrund vieler reißender Steuerketten von sich reden. Diese Schäden häufen sich mehr und mehr, und das unabhängig von der Vorgeschichte des Autos. Er ruinierte die jahrzehntealte Tradition der blind kaufbaren Vierzylinder-Diesel bei Mercedes. Immerhin: Alle Selbstzünder erreichen die Euro-6-Abgasnorm.
Dann wäre da noch der bei Renault zugekaufte 1,6-Liter, der bis 2018 den Leistungsbereich unterhalb von 136 PS abdeckte (Automatikautos nutzen stets den Mercedes OM 651). Auch für diesen eher selten georderten Einstiegsdiesel in der C-Klasse sind auf dem freien Teilemarkt Steuerketten-Sätze erhältlich – was für eine gewisse Nachfrage spricht. Doch lässt sich dessen an der Stirnseite des Motors laufende Kette relativ einfach in drei, vier Stunden erneuern, wogegen die getriebeseitig angeordnete Kette von OM 651 und 654 beim Wechsel erheblich mehr Arbeitsaufwand verlangt. Immerhin ist der Tausch durch eine Service-Öffnung an der Rückseite des Motors möglich – im Gegensatz zu BMW, wo der Motor rausmuss.
Ist also ein Benziner möglicherweise die bessere Alternative? In den meisten Fällen ist das der M 274, ein Vierzylinder mit 1,6 oder 2,0 Litern Hubraum, Direkteinspritzung und Turbo-Aufladung. Ein anspruchs-, aber auch ziemlich reizarmes Aggregat. Immerhin, größere Probleme sind nicht zu vermelden. Mehr motorische Faszination verspricht der M 276, ein aufgeladener Dreiliter-V6. Er befeuert C 400, 450 sowie C 43 AMG mit 333 bis 390 PS. Darüber rangieren die beiden Achtzylinder, die es ausschließlich im AMG-Trimm gibt: C 63 und C 63 S. Auch hier täuscht die Modellbezeichnung, denn die Zylinderinhalte des V8 addieren sich lediglich zu vier Litern Hubraum.
Getriebe: Durchweg sehr gut
Antriebsseitig sei erwähnt, dass es durchaus Schaltgetriebe gab. Der Anteil der Sieben- oder Neungang-Automaten liegt allerdings bei 92 Prozent. Probleme? Keine nennenswerten. Im Gegenteil: Alle Automaten lassen sich handlich an der Lenksäule in die richtige Fahrtrichtung dirigieren und erledigen Ihre Arbeit mit höchster Sanftheit. Wer seinen Wagen fordert, wird aber dennoch mit hoher Präzision und äußerst zackigen Gangwechseln belohnt. Kombiniert mit der langen Haltbarkeit, entsteht so endlich ein gänzlich problemloses Kapitel in dieser Kaufberatung.
Fahrwerk: Nobel und empfindlich
Der 205er ließ aus technischer Warte nichts anbrennen: Als Alleinstellungsmerkmal in der Mittelklasse steckt in ihm eine optionale Luftfederung. Die wählten jedoch nur sechs Prozent aller Neuwagenkunden, obwohl mit 1416 Euro (Stand 2016) durchaus wohlfeil angeboten. Aber eben weit hinten auf Seite 42 in der ausufernden Preisliste versteckt, wo selbst bei den größten Enthusiasten offenbar die Konzentration allmählich schwindet.
Dass die Luftfederung so günstig daherkam, lag auch daran, dass die C-Klasse als erste Modellreihe die neue MRA-Plattform (Modular Rear Architecture) nutzte, auf der alle folgenden Modellreihen mit Hinterradantrieb basierten. So auch die ab 2016 gebaute E-Klasse, bei der die Luftfederung längst etabliert war.
Auch ist noch erwähnenswert, dass Mercedes die billige MacPherson-Vorderachse der Vorgänger rauswarf und beim W 205 in eine Konstruktion mit oberem Dreieckslenker und unterem Querlenker nebst Zugstrebe investierte. Vorteile: geringeres Losbrechmoment der Federung, weil der Stoßdämpfer keine Seitenkräfte aufnehmen muss, deshalb sanfteres Ansprechen der Federung. Schade nur, dass diese Radaufhängung gleichzeitig einen der wesentlichsten Schwachpunkte darstellt.
In der Mängelstatistik der GTÜ nimmt die Vorderachse ebenfalls breiten Raum ein, der sich in zwei Bereiche teilt: Der Quer- oder auch Federlenker, auf dem sich die Radlast abstützt, schlägt radseitig am Traggelenk aus, weshalb dieses Bauteil im Rahmen interner Serviceaktionen bei frühen Baujahren reihenweise getauscht werden musste. Und an der Zugstrebe verschleißt karosserieseitig das Gummimetalllager, was sich im fortgeschrittenen Stadium in zunehmend schwammigerem Lenkverhalten widerspiegelt.
Mängel: Stimmt das Angebot?
Auch bei der C-Klasse in diesem Artikel sind dort bereits erste kleine Risse sichtbar, die jedoch noch keine Auswirkungen auf das Fahrverhalten haben. Der 220 BlueTec stammt von der Autowelt Michael in Beckdorf und hat im August 2016 zum ersten Mal die Straße gesehen, seitdem knapp 100.000 Kilometer abgespult und sollte knapp 23.000 Euro kosten. Offenbar ein faires Angebot, denn kurz nach der Fotoproduktion war der Benz schon verkauft.
Vermutlich wegen der zugkräftigen Ausstattung, womit nicht nur die elektrisch ausfahrende Anhängerkupplung gemeint ist, sondern auch Delikatessen wie das Burmester-Surroundsystem oder die Intelligent-Light-Scheinwerfer, deren LED verschiedene Beleuchtungsmodi wie aktives Kurvenlicht oder Autobahnlicht darstellen können. In der Grundausstattung spendierte Mercedes dem 205er bis zuletzt jedoch lediglich Halogenscheinwerfer.
Warum wir das bei den Mängeln erwähnen? Weil ansonsten (und bis auf die potenziellen Katastrophen, die wir bereits erklärten) glücklicherweise keine weiteren Baustellen mehr zu beachten sind. Der im Karosseriekapitel erwähnte Rost kommt zwar immer häufiger vor, doch wer ein problemloses Exemplar ergattert und etwas nachträglich konserviert, ist guten Gewissens unterwegs. Auf diese Weise lässt sich also sehr wohl noch eine empfehlenswerte C-Klasse finden.
Preise: Viel Geld für viele Probleme
Käufer haben bei der Baureihe 205 die freie Auswahl, ab 10.000 Euro geht’s los. Dann stehen allerdings über 200.000 Kilometer auf dem Zähler. Wer Wert auf fünfstellige Laufleistung legt, ist ab 16.000 Euro dabei. Kombi oder Limousine unterscheiden sich preislich nicht nennenswert, Diesel sind bei ähnlicher Motorleistung aber stets etwas teurer.
Bleibt unterm Strich die Frage, ob diese C-Klasse ihre nach wie vor gesalzenen Gebrauchtpreise wert ist. Komfort und Straßenlage sprechen zwar für die Baureihe 205, überdurchschnittliche Problemlosigkeit gehört aber nicht zu ihren Stärken. In diesem Punkt war der letzte Modellwechsel also eher ein Rückschritt.
Fazit
Mit dem Modellwechsel auf den W 205 hat die C-Klasse einen großen Sprung beim Fahrkomfort gemacht, jedoch an Zuverlässigkeit eingebüßt. Insbesondere die Dieselmotoren sind anfällig. Sie führen ein Steuerkettendebakel fort, wie es bereits 2006 bei VW den Anfang nahm. Die Vierzylinder-Benziner sind problemloser, wenn auch wenig temperamentvoll, sparsame Alltagsmotoren eben. Echte Premium-Emotionen gibt es jedoch erst mit den sehr teuren V6 und V8.
Mercedes C 200 Exclusive | Mercedes C 220 d Avantgarde | |
Grundpreis | 41.412 € | 43.976 € |
Außenmaße | 4686 x 1810 x 1442 mm | 4686 x 1810 x 1442 mm |
Kofferraumvolumen | 480 l | 455 l |
Hubraum / Motor | 1991 cm³ / 4-Zylinder | 1950 cm³ / 4-Zylinder |
Leistung | 135 kW / 184 PS bei 5500 U/min | 143 kW / 194 PS bei 3000 U/min |
Höchstgeschwindigkeit | 235 km/h | 240 km/h |
0-100 km/h | 7,2 s | |
Verbrauch | 5,3 l/100 km | 4,6 l/100 km |
Testverbrauch | 6,7 l/100 km |