Schon vor seiner ersten Ausfahrt war der Chaparral Mk1 ein Dinosaurier. Während überall auf dem Planeten Mittelmotor-Renner die Vorherrschaft übernahmen, statteten ihn seine Schöpfer Dick Troutman und Tom Barnes mit einem Chevrolet-V8 in der Front aus. Ihr Kalkül war simpel: Die anderen hatten vielleicht den Fortschritt auf ihrer Seite, sie aber dafür etliche Jahre an Erfahrung.
Kurz zuvor war das kalifornische Konstrukteursduo noch für das erste Formel-1-Projekt aus den USA tätig gewesen. Milliardärssohn, Klatschpressen-Star und Gentleman-Pilot Lance Reventlow wollte mit seinen Eigenbauten die europäische Konkurrenz schocken und gab den beiden für die Umsetzung des Traums die nötigen Ressourcen.
Seine "Scarab" genannten Renner sollten in der Realität gegen die Mittelmotor-Rivalen aber wenig ausrichten. Nachdem Reventlows Mutter, die Woolworth-Erbin Barbara Hutton, den Geldhahn für die Folgesaison 1961 zugedreht hatte, standen Troutman und Barnes wieder am Anfang.
Die beiden entschieden sich folgerichtig, zu ihren Wurzeln zurückzukehren, und erdachten wie bereits in den Fünfzigern einen eigenen Sportwagen. All die bitteren Lektionen flossen in einen stromlinienförmigen Racer samt muskulöser Sidepipes.
Das Geld für den Bau stammte von Jim Hall – dem Gründer von Chaparral. Der texanische Pilot mit guten Verbindungen in die heimische Öl-Industrie war nicht nur ein ambitionierter Pilot, sondern auch Ingenieur. Nach einem Studium am California Institute of Technology verdiente er sich erste Sporen bei keinem Geringeren als Carroll Shelby. Anschließend sollte sich der noch junge Mann selbst zur Ikone entwickeln.
Aus Skarabäen werden Kuckucke
Der 1935 geborene Hall, der selbst einige F1-Rennen absolvierte, blickt im Fachbuch "Chaparral" zurück: "Das Projekt begann im Frühjahr 1961. Sowohl das Design als auch die Umsetzung gingen auf die beiden zurück, ich habe nicht wirklich dazu beigetragen."
Um die Nachteile des Frontmotors auszubalancieren, suchten sie nach einem leichten Aggregat und verschoben dieses so weit wie möglich in die Fahrzeugmitte. "Die Gewichtsverteilung fiel tatsächlich recht vernünftig aus, da rund 55 Prozent am Heck anlagen. Das im Juni 1961 ausgelieferte, erste Chassis war trotzdem ein komplettes Durcheinander samt reichlich Schwächen."
Bei seinem eingekauften Chaparral Mk1, dessen Name auf die nordamerikanischen Rennkuckucke (engl. "roadrunners" bzw. "chaparral birds") zurückgeht, musste Hall fleißig nachbessern. Unterstützung erhielt er dabei von James "Hap" Sharp, dem zweiten Kopf des Rennstalls. Neben dem Prototyp-Chassis #001 setzten sie auch die nun zur Auktion angebotene #003 ein. Parallel tüftelten auch Kunden an ihren Mk1. Wie eigenwillig die als "Werks"renner weiß lackierten Sportwagen waren, zeigen Anekdoten von Piloten und Mechanikern.
Frank Lance, der ebenfalls bei Shelby das Arbeiten an Autos gelernt hatte, berichtet: "Während der 12 Stunden von Sebring 1962 kam Pilot Ronnie Hissom an die Box und erzählte völlig fertig: 'Mein Gott, auf der Gegengerade springt die Front bis zu einen Meter hoch in die Luft.' Wir dachten natürlich, er übertreibt etwas – doch dann kam ein Fan zu uns, der dringend etwas erzählen musste. Unser Auto würde vorne springen, ungefähr ein Meter sei es gewesen." Wegen der massiven Power waren die bis heute legendären Bodenwellen des Flugplatzkurses zu kleinen Schanzen geworden.
Siege wecken Hunger auf mehr
Über die Zeit entwickelte sich der Mk1 zu einem ernstzunehmenden Rennauto. Sowohl beim Fahrwerk als auch bei der Aero probierten Hall, Sharp und Co. fleißig herum. Die Belohnung war der Triumph beim Road America 500 im September 1962. "Wir haben nur zwei große Rennen mit dem Frontmotor-Auto gewonnen. Beide fanden auf der extrem anspruchsvollen Strecke Road America statt. Als wir die Kiste auf Vordermann gebracht hatten, war sie echt gut", blickt der heute 89-jährige Jim Hall zurück.
Zwei Herausforderungen sollten nie vergehen: die hoppelnde Front und die extrem gut besetzten Starterfelder dank des damaligen Szene-Booms. Im Jahr 1962 entstanden dementsprechend erste Pläne für einen selbst konstruierten Nachfolger mit Motor hinter den Piloten. 1963 wurde der Mk1 dann zum Träger eines Versuchsbodyworks umfunktioniert. Fahrer Ronnie Hissom erzählt: "Wir hatten so viel Spaß in dieser Zeit. Wenn man ehrlich ist, war es allerdings manchmal wild. Solche Bastler wie wir früher würde heute keiner mehr auf das Grid lassen."
Die lebende Legende Hall schaut ebenfalls sentimental zurück, ergänzt jedoch eine Einschränkung, die das Auktionshaus Gooding & Company charmant zur Seite schiebt: "Ja, es sind die ersten Chassis gewesen, auf denen Chaparral stand. Aber in meinen Augen war der Mk1 nie ein echter."
Trotzdem legte er als Testrenner die Basis für seine 1962 formalisierte Manufaktur in Texas, die in den Sechzigern den Motorsport revolutionieren sollte. "Unser Wunsch nach einem bestmöglichen Auto brachte uns dazu, mehrere Luftfahrtunternehmen zu besuchen und viel über ihre Methoden zu lernen. Die Übernahme von Glasfaserkunststoff war eine direkte Folge daraus."
Sammlerstück mit FIA-Pass
Während Chaparral zum Mythos aufstieg, wurde Chassis #003 zu einem beliebten Sammlerstück. Bis Mitte der 1960er-Jahre setzten es Gentlemen erfolgreich in regionalen Sportwagenläufen ein. Danach konzentrierte sich sein neuer Eigentümer auf historischen Motorsport.
Ende der Achtziger startete eine umfangreiche Restauration, die erst ein Jahrzehnt später abgeschlossen werden sollte. Im Mittelpunkt stand hierbei der Rückbau auf das originale Bodywork. Anfang der 2000er-Jahre gehörte der Mk1 dann kurz Skip Barber, der die berühmteste Rennfahrerschule der Welt begründet hat.
In den letzten 20 Jahren reiste Nummer drei regelmäßig zu bekannten Histo-Events wie den Monterey Historics und dem Goodwood Revival. Dem jetzigen Verkäufer war es ein Anliegen, dass der Ur-Chaparral weiter auf Rennstrecken zu sehen ist. Ein FIA-Pass belegt, wie der V8-Racer mit T10-Vierganggetriebe und Girling-Hydraulikbremsen einsatzfähig blieb.
Die Pebble Beach Auctions finden am 16. und 17. August statt. Der wilde Rennkuckuck soll dort zwischen 1.000.000 und 1.500.000 US-Dollar einbringen. Weitere Highlights sind der erste Porsche 935, ein Ferrari 333 SP und ein Maserati Tipo 61 Birdcage.