Selbst Ferrari wollte nichts mehr von seinem Renner wissen. Bei der Vorstellung des aktuellen Prototyps 499P erklärten die Italiener: "50 Jahre Wartezeit auf einen Ferrari in der Topkategorie sind endlich vorbei!" Jedoch muss man der Traummarke aus Maranello zugutehalten, dass sie ein wichtiges Detail dabei nicht vergaß. Beim Ferrari 312 PB aus den Siebzigern handelte es sich um einen reinrassigen Werkswagen.
Der 333 SP war hingegen immer mit reichlich privatem Engagement verbunden. Schon die Idee kam von außerhalb. Autozubehör-Fabrikant Gianpiero Moretti fragte mehrmals bei seinen Landsmännern an, ob es nicht an der Zeit für ein Comeback wäre. Dabei trieben den Gründer der Marke Momo (Moretti-Monza) ganz egoistische Gründe an. Der begeisterte Sportwagen-Rennfahrer träumte davon, mit einem Ferrari um Gesamtsiege zu kämpfen.
Technik-Zäsur erleichtert Einstieg
Auf seiner Mission fand Moretti mächtige Verbündete in den USA. Der wichtigste Exportmarkt des "Cavallino rampante" war durch die heimische IMSA-Meisterschaft und die Klassiker in Daytona und Sebring perfekt für ein solches Marketing-Werkzeug geeignet. Gianluigi Longinotti-Buitoni, Präsident von Ferrari North America, erkämpfte schlussendlich zusammen mit Moretti die Freigabe von Piero Ferrari.
Für die Sportwagen-Szene war der Beginn der 1990er-Jahre eine turbulente, krisenhafte Zeit. Sowohl bei den Reglements als auch wirtschaftlich fehlte es an Stabilität. Ferrari sollte davon allerdings profitieren: Nachdem die letzten Ausläufer der Gruppe C zu teuer geworden waren, lag der Fokus auf Einfachheit – egal ob bei Technik, Regeln oder Formaten. Damit hatte auch keiner der Rivalen einen nennenswerten Erfahrungsvorsprung.
Das Lastenheft der Formel-1-gewöhnten Ingenieure fiel simpel aus. Die Aerodynamik wurde rundum stark beschnitten. Der einheitliche Unterboden durfte keine ausgeklügelten Kanäle mehr besitzen. Zudem sah das neue WSC-Reglement ein offenes Cockpit vor, welches den Fans in bester Formel-Manier die Action am Lenkrad näherbringen sollte. Giampaolo Dallara, Gründer der mittlerweile weltbekannten Renn-Manufaktur, unterstützte bei der Umsetzung.
Formel-1-Motor sorgt für Kontroverse
Beim Antrieb fand das Team von Chefdesigner Mauro Rioli und Technik-Berater Tony Southgate mehr oder weniger eine Lücke im Regelwerk. Dieses schrieb grundsätzlich einen Motor auf Serienbasis vor, was Ferrari auch so umsetzen sollte. Der 4-Liter-V12 mit 65° Zylinderbankwinkel basierte allerdings direkt auf dem F1-Aggregat und war für den noch in der Entwicklung befindlichen Straßenhelden F50 bestimmt.
Das über 600 PS starke Herz des Carbon-Alu-Renners sollte den Offiziellen der US-Serie wenig überraschend nicht gefallen. Technik-Spielereien wie fünf Ventile pro Brennraum ärgerten sie hierbei fast mehr als der nachgelagerte Launch des F50. Die Schmach des ad absurdum geführten Reglements schluckten sie dennoch herunter. Schließlich hatten es allein die Gerüchte zur roten Rückkehr schon geschafft, die herumdümpelnde US-Serie zu elektrisieren.
Der Hype um Ferrari trieb weiter wilde Blüten. Als der 333 SP im Rahmen der 24 Stunden von Daytona 1994 präsentiert werden sollte, intervenierten die Streckenbetreiber aus Sorge davor, im Schatten der Vorstellung zu stehen. Vom International Speedway bekam der noch in der Erprobung befindliche Renner quasi einen Platzverweis erteilt und musste ins Hilton Hotel umziehen. Nur auf Einladung konnte er dort gesehen werden. Glücklicherweise waren die Egos in Sebring deutlich kleiner, wodurch er im März erstmals der Öffentlichkeit 'Buongiorno' sagen durfte.
Rote Armada überrollt Konkurrenz
Sein Debüt gab der vom Werk gebaute, aber nur für Kundenhände bestimmte Prototyp beim dritten Rennen auf der Berg-und-Tal-Bahn Road Atlanta. Trotz einer schwierigen Testphase mit anfänglichen Bremsproblemen und einem schweren Unfall war der 333 SP gut aufgestellt. Vier Renner von drei Kundenteams zeigten von Beginn an, dass Formel-1-Know-how zurecht einen fantastischen Ruf besitzt. Neben dem Motor hoben auch die Pushrod-Aufhängungen und ein sequentielles Fünfganggetriebe das Level massiv an.
Testfahrer Mauro Baldi holte die Pole-Position, der Sieg ging allerdings an das Euromotorsport-Schwesterauto von Jay Cochran. Moretti wurde Zweiter in Diensten seiner eigenen Mannschaft. Da es sich allerdings nur um einen Zwei-Stunden-Lauf gehandelt hatte, blieb die Frage vorerst offen, ob er 333 SP nicht nur Sprinter, sondern auch Marathonläufer sein kann. Die Konkurrenz reagierte so oder so erbost: Nicht nur die Technik-Offensive, sondern auch Gerüchte um einen Kaufpreis um die 1.000.000 Dollar konterkarierten den erhofften Szene-Neustart.
Wegen des späten Einstiegs hatten die Ferrari-Kunden zwar keine Chancen mehr auf Titel. Sie durften aber etliche Siege feiern. Gianpiero Moretti gewann dank der namhaften Unterstützung durch Eliseo Salazar drei Rennen am Stück – erfüllte also mehrmals seinen Traum. Doch diesen hob er schnell auf die nächste Stufe. Moretti wollte bei den US-Klassikern und in Le Mans ebenfalls ganz oben stehen. Bei einem Ziel erlebte er allerdings unerwartete Gegenwehr.
333 SP gewinnt auf Anhieb Sebring
Nachdem das Debüt des 333 SP in Daytona trotz weiterer Modifikationen noch in die Hose gegangen war, gelang bei der 1995er-Ausgabe von Sebring der erste große Triumph. Das Scandia-Team siegte mit dem Trio Vélez/Evans/van de Poele. Die amerikanische Mannschaft war auch die anfängliche Heimat des jetzt zur Auktion stehenden Chassis #010. Es gehörte zur zweiten Fuhre an Kundenautos. Ferrari fertige in Eigenregie die ersten Renner, danach übernahm Dallara. Später sollte Michelotto – eine weitere auf Motorsport spezialisierte Manufaktur – zusätzliche Chassis bauen.
Nummer 10, die de facto als Leihgabe eines vermögenden Sammlers von Scandia eingesetzt wurde, spulte im Januar 1995 einen Großteil der Testarbeit des Evo-Pakets ab. Michele Alboreto saß dabei lange im Cockpit. Bei den 24 Stunden von Daytona fiel #010 aus, in Sebring wurde sie Vierter. Auch wenn es für das Podium auf dem Flugplatzkurs nicht reichen sollte, war der Platz in den Geschichtsbüchern schon vor dem Start reserviert. Der Auktionsheld hatte die Pole-Position geholt.
Im Anschluss an den ersten Ferrari-Sieg in Sebring seit 23 Jahren marschierten die Kundenteams zu IMSA-Titeln. Ein Rennen vor Saisonende durfte in Maranello der Herstellertitel gefeiert werden, Fermín Vélez holte sich beim Abschluss obendrauf die Fahrerehren. Dank eines Erfolgs bei einem Stadtrennen im kanadischen Halifax konnte sich auch #010 in die Siegerliste eintragen. Dazu kamen vier zweite Plätze.
Ferrari widerspricht Le-Mans-Einsatz
1995 sah zudem den ersten Auftritt des 333 SP in Le Mans. Die rote Rückkehr sollte jedoch zur Pleite werden. Entgegen einem, laut der Fachliteratur, ausdrücklichen Wunsch von Ferrari war Euromotorsport an die Sarthe gereist und musste nach nur sieben Runden aufgeben. Auch die Folgejahre meinten es nicht gut mit dem Comeback-Racer im Endurance-Epizentrum. Der größte Erfolg kam 1997, als das Team von Moretti den sechsten Rang in Le Mans einfuhr.
40 Runden Rückstand auf den siegreichen Joest-Porsche zeigten allerdings deutlich, dass die europäische Szene mit ihren LMP- und GT1-Projekten große technische Sprünge gemacht hat. Bei dem parallel auf Klassenplatz zwei eingelaufenen Ferrari-Chassis handelte es sich um die #010, welche für die Saison 1997 von Gianpiero Moretti übernommen wurde. Im Gegensatz zu den Bildern des Auktionshauses Gooding & Company trug es damals ein anderes Aero-Paket, das sich allen voran durch einen simpleren Heckflügel unterschied.
Auch in den USA mussten die Ferrari-Kunden verfolgen, wie die Rivalen sich nicht vom Mythos einschüchtern ließen. 1996 gewannen Vertreter von Riley & Scott – quasi das US-Gegenstück zu Dallara – knapp die Klassiker in Daytona und Sebring. Mit diesem Rückenwind marschierten die von Oldsmobile bzw. Ford angetriebenen Ferrari-Gegner weiter durch die Saison und holten punktgleich, aber mit einem Sieg mehr den Markentitel.
Auf größten Sieg folgt in den USA Chaos
1997 sollte sich für den Prototypen-Rennsport, aber auch für Ferrari einiges ändern. Auf beiden Seiten des Atlantiks entstanden neue Rennserien. Während die IMSA verkauft und umgebaut wurde, erhielt Europa mit der International Sports Racing Series wieder eine nennenswerte Meisterschaft. Letztere sollte aber erst 1998 so richtig durchstarten. Das schicksalhafte Jahr sah zu Beginn erneut eine bittere Ferrari-Niederlage in Daytona. Wieder hatte Riley & Scott nach 24 Stunden einen knappen Vorsprung. In Sebring konnte dann zum Trost ein rotes Auto den Triumph einfahren.
Obwohl trotz einiger Siege über die restliche Saison hinweg Titel verpasst wurden, war die Nachfrage der Kunden ungebrochen. Daraus resultierende neue Chassis legten die Basis für eine goldene Jahrtausendwende. Den Anfang machte die Krönung von Moretti: 1998 konnte der Momo-Gründer endlich das Monster Daytona bezwingen. Arie Luyendyk, Mauro Baldi und Didier Theys fuhren an seiner Seite den größten Einzelerfolg des 333 SP ein. Wenige Wochen später ging die Party in Sebring weiter.
Der da schon vorbereitete Herstellertitel sollte der letzte in den USA sein. Die Szene kollabierte im Anschluss und wurde in zwei Nachfolge-Meisterschaften aufgeteilt: die American Le Mans Series (ALMS) als Verbündete des Le-Mans-Ausrichters ACO und die Grand-Am Series als Partner der NASCAR. Die 333 SP bestritten einzelne Rennen, hatten aber ihr neues Jagdrevier in Europa bezogen. Kurios: Ein US-Tuner versuchte 2000, den Italo-Racer mit einem Judd-V10 in Nordamerika wettbewerbsfähig zu halten – angesichts von Konkurrenten wie dem Audi R8 aber vergeblich.
Chassis #010 soll F1-Ferrari schlagen
In der final FIA Sportscar Championship genannten eurozentrischen Serie lief es dafür rund. Ferraris Kunden waren zwischen 1998 und 2001 Dauer-Sieger und -Meister. Zur Wahrheit gehört jedoch auch, dass der Neugründung viel an historischem Charme fehlte. Sie beschwor immerhin Legenden wie die 1.000 Kilometer von Monza und auf dem Nürburgring, doch das Level der früheren WM-Formate blieb unerreichbar. Erst 2012 debütierte die jetzige FIA World Endurance Championship.
Die sportliche Geschichte des Ferrari 333 SP endete im Jahr 2003. Chassis #010 war da schon lange in der Rente. Es absolvierte 1998 nur einen Lauf in den USA und wurde anschließend an einen venezolanischen Sammler verkauft. Kurz darauf übernahm bereits ein US-Amerikaner das Auto und trat damit bei historischen Veranstaltungen an. 2013 holte es der bekannte Sportwagen-Rennfahrer François Perrodo in seine Garage, doch auch er hielt nicht lange durch. Ähnliches gilt angesichts der Versteigerung für den jetzigen Sammler.
Letzterer ließ das Getriebe vom Spezialisten Michelotto erneuern. Auch sonst blieb #010 durch regelmäßige Kilometer im Rahmen von Events und Track Days in Form. Bei den Pebble Beach Auctions am 16. und 17. August gehört sie zu den absoluten Highlights – und den teuersten Angeboten. Mit einem Schätzpreis zwischen sechs und acht Millionen Dollar liegt der 333 SP auf Augenhöhe mit dem 1955er Ferrari 857 Sport Spider. Sollte er wirklich am oberen Ende der Skala liegen, würde die zuletzt vergessene Ferrari-Ikone sogar diverse ihrer Formel-1-Schwestern übertreffen.