Brachiale Technik, Hollywood-reife Protagonisten und Risiko in jeder Kurve – den Rennsport der Siebziger umgeben bis heute zahlreiche Mythen. Einer der bekanntesten Vertreter dieser Ära ist der Porsche 935. Der Weg zum Ikonen-Status mit Le-Mans-Sieg war jedoch nicht so klar vorgezeichnet, wie es im Nachhinein scheinen könnte.
Mitte der 1970er-Jahre steckte der Langstreckensport in einer Krise. Zum einen trafen ihn die teuren Folgen der Ölpreiskrise hart, zum anderen verlor Le Mans durch den Siegeszug der Formel 1 stetig an Bedeutung. Schon 1972 fragte unter anderem der Motorsport-Korrespondent von auto motor und sport, ob es den 24-Stunden-Marathon überhaupt noch bräuchte. Glücklicherweise fiel die Antwort in der Realität positiv aus.
Neue Serien, neue Technik-Regeln
Nachdem Porsche 1970 und 1971 den Klassiker mit dem 917 und seiner Update-Stufe dominiert hatte, mussten die Zuffenhausener das Quasi-Verbot ihres ersten Gesamtsiegers verkraften. Im Anschluss an ein Alternativ-Programm in der Can-Am-Serie – das ironischerweise ebenfalls abrupt durch eine Regeländerung endete – kehrte Porsche mit voller Kraft an die Sarthe zurück und setzte dabei die Turbo-Erkenntnisse aus Amerika um.
Der Porsche 911 Carrera RSR der Ausgabe 1973 erhielt im Folgejahr eine Abgasaufladung – und mit ihr über 150 Zusatz-PS. Entgegen einer vermutbaren Anfälligkeit schaffte Porsche auf Anhieb den zweiten Platz hinter Matra. Angesichts der Nachwehen der ersten Ölpreiskrise taten sich der Le-Mans-Ausrichter Automobile Club de l'Ouest (ACO) und die heutige FIA zu dieser Zeit schwer, eine zukunftsfähige Agenda zu finden. Was sogar zum Bruch zwischen den Organisationen führte.
Mitte der Siebziger entschied sich die FIA dazu, die Weltmeisterschaft in zwei Serien samt einzelner Kalender aufzuteilen. Außerdem setzte man die Technik-Reglements neu auf. In der Sportwagen-WM sollten Prototypen-Formate aus der Gruppe 6 starten, in der Marken-WM seriennahe GT-Autos der Gruppe 5. Porsche wollte beide Titel und schuf zwei Renner.
Testträger in Rettungsmission
Für das neu formulierte Gruppe-5-Reglement entwickelten die Schwaben den Porsche 935. Für die Gruppe 6 entstand der offene Prototyp 936. Das erste Chassis des 935 wurde Ende 1975 gefertigt und leistete einen Großteil der Testarbeit. Obwohl dieses neben der Rohkarosserie des 911 Turbo anfangs auch serienmäßige Scheinwerfer trug, waren diverse seiner Komponenten schon Motorsport-Futurismus.
Die vorderen Kotflügel bestanden aus leichtem Kunststoff und sollten bei Langstreckenrennen ohne großen Zeitverlust getauscht werden können. Das gewichtsparende Material kam obendrein bei der Fronthaube, den Türen und dem Heckflügel zum Einsatz. Auf sein Renndebüt musste der jetzige Auktionsgegenstand (Chassis 935-001) aber noch länger warten. Chassis 935-002 bestritt den Auftakt der Marken-Division und holte mit dem Duo Mass/Ickx in Mugello den Sieg.
In Vallelunga legten sie nach, bei den anschließenden Läufen schlugen allerdings die BMW 3.5 CSL zurück. Zum sechsten Rennen in Watkins Glen reiste deswegen auch der Pionier-935 mit an, um die Chancen im engen WM-Kampf zu verbessern. Am Steuer saßen Rolf Stommelen und Manfred Schurti. Nach dem zweiten Platz in der Qualifikation dominierten sie das Rennen in Upstate New York.
Doppel-Weltmeisterschaft für Porsche
Beim Saisonfinale in Dijon gewannen Jochen Mass und Jacky Ickx. Chassis 001, das auch als R15 bekannt ist, schloss seine Werks-Karriere auf einem dritten Rang ab. Danach holte der tschechisch-amerikanische Motorsport-Enthusiast Vasek Polak das Auto ins sonnige Kalifornien, wo es fast 20 Jahre in seinem Eigentum bleiben sollte.
Da der Porsche 936 ebenfalls eine Fabelsaison in seiner WM-Wertung hinlegte und sechs von sieben Rennen gewann, war es schließlich ein perfektes Doppel-Debüt für die Sportwagenschmiede. Vergoldet wurde das Jahr 1976 mit dem Triumph bei den 24 Stunden von Le Mans, die im Zuge des Streits kein WM-Prädikat mehr besaßen. Jacky Ickx und Gijs van Lennep machten den 936 zum ersten Turbo-Sieger in der Historie des Klassikers. Der beste 935 schloss auf dem vierten Rang ab.
1977 sollte ein Update des Spyder-Renners Porsche 936 an der Sarthe nachlegen, in der Sportwagen-WM ließ man hingegen Alfa Romeo konkurrenzlos gewähren. Stattdessen verschob sich der Fokus auf die Marken-WM – und damit auf den sich immer weiter radikalisierenden 935. Hauptrivale BMW hatte nicht den Hauch einer Chance.
Kunden, Drogen und Hollywood
Über die nächsten Jahre hinweg war der 935 unangefochtener Szene-Held. Egal ob in der WM, der US-amerikanischen IMSA oder der Deutschen Rennsport-Meisterschaft: Die Siegerlisten waren voll von ihm. Der Höhepunkt kam 1979, als das gesamte Le-Mans-Podium an 935-Teams ging. Die oberste Stufe belegte das für sein Tuning dieses Modells bekannte deutsche Kremer Racing. Das Gewinner-Trio ist im Nachhinein kurios. Neben Klaus Ludwig fuhren die US-Brüder Don und Bill Whittington den K3.
Die beiden schlugen Ende der Siebziger wie aus dem Nichts in der amerikanischen Szene auf und steckten Millionen in ihr Team. Ein fast grenzenloses Budget führte sie dementsprechend auch nach Le Mans. Damals war es ein offenes Geheimnis, dass sie Marihuana aus Mittel- und Südamerika schmuggelten. Die "International Motor Sports Association" (IMSA) erhielt unter anderem ihretwegen den Spitznamen "International Marijuana Smuggler Association". Erst in den Achtzigern konnten die Behörden das Treiben stoppen.
Platz zwei in Le Mans ging im Übrigen an den Hollywood-Superstar Paul Newman. Der spätere IndyCar-Teameigentümer und bis ins hohe Alter noch selbst aktive Rennfahrer teilte sich den Porsche 935/77A mit Dick Barbour und Rolf Stommelen. Insgesamt bestand die Top 10 aus sechs 935. Möglich wurde dies durch den Fokus auf umfangreichen Kundensport.
Millionen-Preis für Martini-Meister
Im Anschluss an seine Zeit beim 1997 verstorbenen Polak wechselte Chassis 935-001 mehrmals den Eigentümer. Der aktuelle Sammler erwarb das Auto vor rund zwölf Jahren und investierte stark in dessen Restauration. Zudem ließ er den Motor bei Spezialisten runderneuern. 2018 erhielt der auf das Sieger-Design von Watkins Glen zurückgesetzte Porsche für die Arbeiten eine Auszeichnung des Klassiker-Events Amelia Island.
Bei den Pebble Beach Auctions (16. und 17. August) sucht Gooding & Company ein neues Zuhause für den Urvater der 935. Wenig überraschend brauchen Interessenten ein ordentlich gefülltes Konto. Der Schätzpreis liegt bei 4,5 bis 5,5 Millionen Dollar.