Stolz haben die Fans jahrelang die Käppis mit dem Aufdruck "Dacia vs. Goliath" getragen. Bis es beim 24h-Rennen 2023 wortwörtlich zu dieser Situation kam. Mit dem bitteren Ende für den Dacia, der im direkten Kontakt mit einem Porsche 911 GT3 R das Nachsehen hatte. Die Kult-Kiste fehlte dem Nordschleifen-Volk so sehr, dass sich das Team "Olli‘s Garage" eine Zwischenlösung einfallen ließ: Teamchef Oliver Kriese zauberte einen Renault Mégane aus dem Hut, der mit dem Spitznamen "Reha-Vertretung" auf der hinteren Stoßstange für einige Rennen einsprang.
280 PS Turbomotor aus dem Mégane
In der Saison 2024 hat das Ersatzauto ausgedient. Man könnte auch sagen: Das Beste aus zwei Welten ist verschmolzen. Denn der Dacia Logan ist in altem Gewand, aber mit neuem Cup-Chassis wieder am Start. Auch unter der Haube hat sich etwas getan: Hier schlägt nun das 280 PS starke Turbo-Herz des Renault Mégane RS.
Oliver Kriese ist natürlich kein Wissenschaftler, aber so ein bisschen erinnert uns die Transformation an ein Labor-Experiment, bei der eine neue Kreatur erschaffen wurde: Der "Dacia-Turbo". Darin steckt zwar keine Raketentechnik, aber ziemlich viel Herzblut und Schweiß. "Wir wurden einen Tag vor NLS 1 fertig mit dem Auto", sagt Kriese. "Es gab am ersten Rennwochenende auch noch viele Kinderkrankheiten."
Viele Spezial-Lösungen gefragt
Die Herausforderungen waren zahlreich. Kriese musste die Mégane-Technik irgendwie in den Dacia verpflanzen. Dazu gehörten der Motor, das Getriebe, der Kabelbaum und das Steuergerät. "Wir haben drei Wochen lang bis halb vier Uhr morgens geschuftet", sagt Kriese. Die Helfer reisten eigens mit dem Wohnwagen an, um flexibler zu sein. Flexibilität war auch bei den technischen Spezial-Anpassungen gefragt. "Ich habe noch nie in meinem Leben so oft einen Baumarkt gesehen", sagt Ollis Frau Sabine Kriese, die sich im Team eigentlich um das Marketing kümmert.
Die Bremsanlage stammte ursprünglich vom Peugeot 406. Die hatte aber von Beginn an einen Defekt. Deshalb musste man NLS 2 absagen. Zudem verschleißen die Beläge schneller. Nun will man bis zum 24h-Rennen die Mégane-Bremse einbauen, die aber eigentlich baulich nicht passt. Mit Partner H&R, der eigens ein Fahrwerk für den Dacia gebaut hat, ist man hingegen bestens sortiert. Und das ist entscheidend.
Vorgabe: Unter 11 Minuten
Denn die Vorgabe für die Zulassung des neuen Renners war: Der Dacia muss Rundenzeiten unter 11 Minuten fahren können. Zur Erinnerung: Der Vorgänger pendelte sich bei 11.41 Minuten ein. Das Kunststück hat man geschafft. Und man ist nicht mehr das langsamste Auto im Feld.
Das bleibt bei der Konkurrenz nicht unbemerkt. "Ein anderer Fahrer meinte: ‚Willst du mich veräppeln? Du hast mich auf der Geraden mit dem Dacia abgezogen?‘", sagt Oliver Kriese und kann sich ein breites Grinsen nicht verkneifen. "Wir schwimmen jetzt mit. Aber uns fehlt noch Traktion."
Dafür hat der Dacia nun sogar einen Pit-Limiter-Knopf auf dem Lenkrad. Langsam robbt man sich an die Großen heran. Sozusagen ein Wolf im Schafspelz. Einen neuen Spitznamen gibt es auch schon. Car Chief Mike Bolchina hat einen Aufkleber für die Heckpartie entwickelt, der auch ein bisschen auf die GT3-Begegnung anspielt. Dort prangt nun: GT 0.3.