Anlässlich einer umfangreichen Pressekonferenz am Freitag vor dem DTM-Saisonfinale in Hockenheim gaben Serienboss Gerhard Berger und weitere Interview-Gäste einen Ausblick in die nahe und mittelfristige Zukunft der Serie. Weil Säulen ein schönes Bild darstellen, hat man gleich derer fünf als Eckpunkte für die Eventplattform vorgestellt.
Die neueste heißt "DTM Electric" und soll als Ergänzung zur Hauptserie vielleicht schon 2023 durchstarten. Die Antriebstechnik kommt von Schaeffler, 1.200 PS und Allradantrieb sorgen für einen Vortrieb, der sogar dem zweifachen DTM-Champion Timo Scheider nach einer Probefahrt das Fazit entlockte: "Das ist wie Achterbahn!"
Sollte das Konzept in die Realität umgesetzt werden, könnten die Rennen über 35 bis 45 Minuten gehen. Beim Boxenstopp soll das Batteriepaket innerhalb 15 bis 20 Sekunden gewechselt werden. Auch der Einsatz einer Brennstoffzelle sei möglich, beim Konzept aber sind besagte Batterien verbaut. Die Simulation sagt voraus, dass am Ende der langen Parabolika von Hockenheim Topspeeds von rund 340 km/h zu erwarten sind.
GT4-Autos als Unterbau
Apropos Simulation: Die "DTM eSports" ist neben der Hauptserie und DTM Electric eine weitere Säule der Zukunft. Nach der Premierenserien des offiziellen Simracing-Ablegers soll es 2021 weitergehen. Neben dem sportlichen Wettbewerb soll es auch echte Auf- bzw. Einstiegschancen für die erfolgreichen virtuellen Racer geben. Als Vorbild könnte hier Tim Heinemann dienen, der es als Simracer in den Motorsport schaffte und in diesem Jahr dominant die "DTM Trophy" gewann.
Die Serie, die als DTM-Unterbau mit GT4-Fahrzeugen ausgetragen wird, ist Säule Nummer vier im Gesamtkonstrukt, und auch sie soll weiterhin fester Bestandteil sein. Auch hier sollen die erfolgreichen Piloten sich für höhere Aufgaben, also die DTM, empfehlen. Der Titel bekommt umso mehr Relevanz, weil ja auch die DTM auf GT-Fahrzeuge (GT3) wechselt. Dazu später mehr.
Last but not least werden auch die Anhänger der goldenen DTM-Zeiten abgeholt. Die "DTM Classic" soll mit ehemaligen DTM-, DRM- oder Gruppe-C-Fahrzeugen an deutlich analogere und puristischere Zeiten im Motorsport erinnern. Dazu hat man sich die Serie der "Tourenwagen Legenden" ins Programm geholt, wo neben den legendären Fahrzeugen auch die entsprechenden Fahrer ins Lenkrad greifen sollen. In diesem Jahr fuhren dort unter anderem die früheren DTM-Champions Klaus Ludwig und Kurt Thiim.
Mit dem ADAC über Kreuz
Kernstück der Plattform bleibt natürlich die DTM als Hauptserie. Der Wechsel vom Class-1- zum GT3-Reglement stößt noch immer einigen auf. Im Vergleich zum ADAC GT Masters, das im kommenden Jahr als Internationale Deutsche GT-Meisterschaft ein offizielles Prädikat erhält, wird es im Prinzip nur zwei große Unterschiede geben: In der DTM gibt es keinen Fahrerwechsel, im GT Masters schon. In der DTM werden die Räder beim Pflichtstopp gewechselt, im GT Masters nicht.
Stehende Starts und Autos ohne ABS oder Traktionskontrolle, womit man sich abgehoben hätte, sind dagegen längst vom Tisch. Diesen Entwicklungsaufwand möchte keiner der in der GT3 engagierten Hersteller betreiben. Jetzt ist nur noch die Frage, ob und wie viel mehr Motorleistung die DTM-Autos gegenüber denen in den SRO-Serien bekommen könnten.
Dass man mit dem GT Masters in Konkurrenz tritt, sieht Berger noch immer nicht ein. "Das GT Masters ist eine Breitensport-Langstreckenserie", sagt der Tiroler – ein erneuter Seitenhieb. Es bleibt abzuwarten, wie seine Meinung ist, wenn die jetzigen GT-Masters-Top-Piloten – zu denen auch die Ex-DTM-Fahrer Maximilian Götz oder Maro Engel zählen – im kommenden Jahr der DTM-Elite einheizen.
Weil man sich mit dem ADAC ohnehin seit einigen Jahren nicht mehr grün ist, hat man sich seitens der DTM mit dem Automobilclub von Deutschland (AvD) übrigens gleich noch einen neuen sportlichen Ausrichter gesucht. Der richtete bis zuletzt den deutschen Formel-1-Grand-Prix aus und hat mit dem Oldtimer Grand Prix am Nürburgring noch eine weitere Großveranstaltung im Portfolio.
Berger wünscht sich Nordschleife
Die Balance of Performance, um die verschiedenen Fahrzeuge auf ein Niveau zu bringen, möchte die DTM, wie schon in der Trophy, selbst machen. Wo im Jahr 2021 gefahren werden soll, ist auch schon weitgehend geklärt, denn den Rennkalender lieferte die DTM gleich mit. Saisonauftakt soll demnach am letzten Mai-Wochenende in Sankt Petersburg (Russland) sein, doch weil man die Pandemie-Situation nicht vollends abschätzen kann, ist hinter diesem Event ein Fragezeichen.
Danach stehen Monza, Norisring, Lausitzring, Zolder, Nürburgring, Spielberg, Assen und das traditionelle Finale in Hockenheim auf dem Plan. Der Nürburgring-Termin (21./22. August) ist insofern besonders interessant, weil die DTM erstmals seit 1993 wieder auf der legendären Nordschleife fahren könnte – das zumindest ist Bergers Traum. Ob dieser auch wahr wird, klärt sich in den kommenden Wochen.
Das Interesse an der neuen "GT3-DTM" sei übrigens hoch. Zahlen möchte man erst zum Nennungsschluss im Februar nennen, doch neben ausgestellten Fahrzeugen von Audi, Lamborghini und Ferrari war mit Thomas Jäger auch der Koordinator des Mercedes-AMG-Kundensportprogramms in der Presserunde. "Wir wollen Kundenteams unterstützen", sagte der ehemalige DTM-Pilot. Das klingt ganz so, als hätte die DTM als Plattform eine gute Zukunft vor sich. Noch vor drei Monaten hatten die DTM viele schon abgeschrieben. Aber nicht zum ersten Mal in der Serienhistorie heißt es wohl: Totgesagte leben länger.