Absurde, krawallige Vans haben bei Ford eine lange, illustre Historie. Im Jahr 1971 verband das blaue Oval einen Transit mit Ford-GT40-Technik – und schuf somit den ersten Supervan. Der Kastenwagen behielt zwar seine wenig schnittige Optik, aber bekam einen mächtigen 5-Liter-Smallblock-V8 mit circa 425 PS eingepflanzt. Der in Großbritannien gefertigte Mutant soll auf dem Ford-Testgelände in Boreham im dritten Gang 216 km/h erreicht haben.
1984 folgte eine Extrem-Version der zweiten Transit-Generation mit deutlich mehr Freiheiten. Die kantige Außenhaut bestand diesmal aus Glasfaser. Bei der Power setzten die britischen Ingenieure in US-Diensten erneut auf Le-Mans-Gene. Der Supervan 2 wurde vom 590 PS starken Cosworth-V8 des Gruppe-C-Rennwagens Ford C100 nach vorne katapultiert.
Den letzten Verbrenner-Supervan gab es in gleich zwei Motor-Varianten. Zunächst trug der 1994 gebaute, dritte Über-Transit einen Cosworth-HB-Motor aus der Formel 1 mit über 650 PS in sich. Später entschied man sich, den brachialen Antrieb aus dem Schnelltransporter mit Gruppe-C-Chassis zu schmeißen. Stattdessen arbeitet nun ein haltbarerer und leichter zu kontrollierender Cosworth-V6 im Highspeed-Klotz.
Comeback mit 2.000 PS
Für die Wiedergeburt der ikonischen Reihe im Jahr 2022 wechselte Ford die Power-Quelle: Der Sportableger des Ovals, der österreichische Renn-Spezialist STARD und die Ford-Designer in Köln setzten zusammen einen 2.000 PS starken Elektro-Nachfolger auf. Die Motorsport-Variante des E-Transit Custom verfügt über vier Motoren und beschleunigt von null auf 100 km/h in unter zwei Sekunden.
Um sich der Marketing-Gag-Kritik zu entledigen, nannte Ford den Supervan 4 letztes Jahr beim Goodwood Festival of Speed. Am Steuer saß mit Romain Dumas ein absoluter Bergrenn-Spezialist. Im spektakulären Shootout belegte der Le-Mans-Sieger mit einer Zeit von 46,58 Sekunden final den sechsten Platz. Dumas schlug so unter anderem diverse Rennautos und Supersportwagen.
Nächste Herausforderung: Pikes Peak
In diesem Jahr – genauer gesagt in dieser Woche (19. bis 25. Juni) – stellen sich Dumas und Ford dem größten Bergrennen der Welt. Für die 101. Ausgabe des Pikes Peak International Hill Climb (PPIHC) haben Ford Performance und STARD den Supervan 4 massiv überarbeitet. Der "4.2" hat für die neue Herausforderung bei der Aerodynamik ordentlich zugelegt und wird nun von einem mehrteiligen Carbon-Heckflügel und einem größeren Splitter auf das 19,99 Kilometer lange Asphaltband gedrückt. Außerdem wurde der Heckdiffusor weiter nach außen gezogen.
Gleich geblieben ist hingegen die kanzelartige Form des Cockpits, die sich nach hinten heraus verengt. Und auch die für die Kühlung nötige große Frontöffnung bleibt im Einsatz. Für die neuen Herausforderungen der insgesamt 156 Kurven wurde sie um zwei große Luftauslässe auf der Fronthaube erweitert. Trotz der dünnen Höhenluft soll die überarbeitete Karosserie bei Tempo 240 km/h fast zwei Tonnen Abtrieb erzeugen. Auch beim Gewicht feilten die Ingenieure, um die Balance und die Agilität zu verbessern.
Weniger Power als Vorteil
Beim Antrieb hat man hingegen abgerüstet. Statt vier treiben nun drei 6-Phasen-Elektromotoren von STARD den Bergrenner an. Ihre Energie beziehen sie aus ebenfalls von STARD entwickelten Batterien aus Lithium-Polymer in NMC-Technik mit Pouch-Zellen. Das dadurch angepasste Leistungsgewicht soll zum Trumpf auf dem Pikes Peak werden. Den traktionsstarken Allradantrieb behielten die Entwickler bei – ein Motor treibt die Vorderachse, zwei die Hinterachse an. Die Systemleistung von mehr als 1.050 Kilowatt (circa 1.400 PS) wird um eine auf 600 kW ausgelegte Energie-Rückgewinnung ergänzt.
Für das legendäre Bergrennen war außerdem eine neue Bremsanlage mit Carbon-Keramik-Bremsscheiben nötig, die ihre Arbeit zwischen Magnesium-Felgen mit Pirelli-Reifen verrichten. Dumas musste sich ebenfalls an neue Antriebswellen und eine andere Windschutzscheibe gewöhnen. Mike Norton, Motorsport-Manager bei Ford Performance, ist sich angesichts der vielen Anpassungen sicher: "Es lohnt sich, die Zeiten unseres Fahrzeugs am Berg sehr genau zu beobachten."
Dumas unterbietet Rekord
Schon das Qualifying sollte dem Ford-Mann recht geben. Die Motorsportabteilung Ford Performance, dessen Look der 4.2 trägt, vermeldete unter der Woche auf Twitter: "Romain Dumas hat im Supervan 4.2 den vorherigen Qualifying-Rekord der Open Class um neun Sekunden unterboten." Der Franzose benötigte für den verkürzten Trainings-Abschnitt 3.39,939 Minuten.
Das Rennen selbst steht am Sonntag an. Den absoluten Rekord hält weiterhin Romain Dumas, der 2018 mit dem Volkswagen I.D. R die "Fahrt zu den Wolken" in 7.57,148 Minuten absolvierte. Gleichzeitig ist es auch der Elektro- und der Allrad-Bestwert. Während diese Zeit schwer zu schlagen sein wird, dürfte eine andere leicht zu unterbieten sein: Beim allerersten Pikes-Peak-Bergrennen im Jahr 1916 brauchte ein Ford Model T 28 Minuten und drei Sekunden.