Unfälle & E-Fuels: Elektro-Rennsport in der Krise

Feuer, hohe Kosten und alternative Kraftstoffe
Schwarzes Jahr für den Elektro-Rennsport

Zwei schwere Brände, eine kollabierte Serie und viele enttäuschte Erwartungen: Die Saison 2023 war ein massiver Rückschlag für den elektrischen Rennsport. Parallel dazu erhöhen der Siegeszug von Hybriden und das stetige Wachsen von Sprit-Alternativen den Druck. Das wirft unangenehme Fragen auf.

Formel E 2023 - Rome - Maserati-Crash
Foto: Motorsport Images

Bedrohlich strömt düsterer Rauch aus der Boxengasse des Circuit Ricardo Tormo. Obwohl die undurchsichtigen Schwaden insgesamt nur ein kleiner Klecks auf dem ansonsten blauen Himmel im Westen Valencias sind, werfen sie in den folgenden Stunden einen riesigen Schatten auf das Fahrerlager der Formel E. Für einen kurzen Moment scheint die bis heute einzig relevante Elektro-Meisterschaft ihren Super-GAU erlebt zu haben. Doch mit jedem der spärlichen Updates wirkt die Lage weniger grimmig, wenngleich ein Fakt bestehen bleibt: Die Formel E erlitt beim Vortest für Saison 10 den ersten schweren Brand ihrer Geschichte.

Unsere Highlights

Auf den Zwischenfall am 24. Oktober folgte eine akribische Aufarbeitung. Der Auslöser war eine defekte Batterie des Einheitslieferanten WAE. Diese werkelte zwei Stunden zuvor noch im DS-Renner des Rookies Robert Shwartzman. Nachdem das goldene Auto unfreiwillig ausgerollt war, wurde der Stromspeicher in einer Quarantänezone entfernt. Dabei erkannten die Offiziellen der FIA und von WAE laut des Untersuchungsberichts, dass sich die Batterie nicht mehr über deren Management-System ansprechen ließ. In der Garage des Lieferanten entsprangen ihr daraufhin erst ein Lichtbogen und schließlich die Flammen.

Formel E - Valencia-Vortest 2023 - Batterienbrand
Motorsport Images

Ein schwerer Feuer-Zwischenfall unterbrach den Formel-E-Vortest für die zehnte Saison. Verletzungen blieben zwar aus, doch für die PR war es katastrophal.

Zweites Trauma nach WRX-Inferno

Als genauer Grund wurde mittlerweile ein kaputter Schütz (auf Englisch: "contactor") definiert. WAE erneuert die elektrischen Schalter nun bei allen Batterien. Zudem überwachen neue Protokolle unter anderem deren Temperatur. Auch das Batterie-Management-System bekommt eine Überarbeitung. Alle Anpassungen sollen beim Saisonstart in Mexiko (13. Januar) greifen.

Obwohl bei der Draufsicht die Verantwortlichen alle richtigen Schritte gehen und grundsätzlich ihr Sicherheitsprotokoll in Valencia ordentlich umgesetzt haben, hinterließ das Feuer Spuren. Verknüpft ist damit ein anderer, in der Gesamtheit weitaus katastrophalerer Brand bei der Schwester-Weltmeisterschaft WRX. Drei Monate zuvor fingen bei der Rückkehr ins traditionsreiche Lydden Hill die zwei Elektro-Lancia von Special One Racing Feuer.

Wie in Valencia blieben üble Verletzungen aus, doch das Team rund um Guerlain Chicherit und Sébastien Loeb verlor alles. Das Inferno begann beim Laden eines Autos und ließ sich nach dem Umsichgreifen genretypisch kaum eindämmen. Als Notlösung wurden die RX1e-Renner bei den restlichen WM-Läufen von den einfacheren RX2e-Autos vertreten. Bis zum Finale gab es keine finale Analyse des Lieferanten Kreisel.

WRX - Lydden Hill 2023 - Feuer bei Special One Racing
ams / Sven Kopf

Super-GAU beim Comeback: Die Rückkehr auf die Rallycross-Geburtsstrecke Lydden Hill musste nach einem dramatischen Feuer beim Team Special One Racing abgebrochen werden.

Tiefschlag für Vorzeigeserien

Für beide Serien sind die Brände pures PR-Gift: Die Formel E startete so denkbar miserabel in ihre Jubiläumssaison, die eh immer schon kritisch beäugte Elektrifizierung der WRX erlebte ihren Tiefpunkt. Sie haben dabei gleich doppeltes Pech. Durch den Status als Vorreiter einer neuen Technologie werden zum einen Fehlschläge deutlich mehr beachtet als jeglicher Erfolg. Dementsprechend fütterten sie nicht nur ihre Gegner, sondern ließen auch Zweifel an sich aufkommen.

Zum anderen ziehen solche Zwischenfälle einen bürokratischen und finanziellen Aufwand nach sich, der die eh schon an beiden Fronten am Limit agierenden Meisterschaften noch mehr unter Druck setzt. Bedeutet verkürzt: Jeder Brand kann potenziell den Fortbestand der gesamten Meisterschaft riskieren – während im "Verbrenner-Sport" nach einem Feuerlöscher-Inhalt die Nummer (nach außen) durch ist.

FIA ETCR 2022 - Sachsenring - Alfa Romeo vs. Hyundai
FIA ETCR

Die FIA ETCR galt als Vorreiterin im elektrischen Tourenwagensport. Nach Differenzen zwischen dem Promoter Discovery Sports Events und den Herstellern wurde (vorerst) der Stecker gezogen.

Undankbare Kosten-Nutzen-Rechnung

Ein Schlaglicht auf die durch die Pandemiefolgen und die kriegerischen Auseinandersetzungen wackelige Wirtschaftslage warf 2023 die ETCR. Genauer gesagt ihre Abwesenheit. Offiziell liegt der Elektro-Weltcup auf Eis, laut einem Insider ist er zumindest in seinem zuletzt bekannten Format gescheitert. Ausgangspunkt war der Ausstieg des Serienpromoters Discovery Sports Events im März 2023. Obwohl die Hersteller Cupra und Hyundai öffentlich ihr Bedauern ausdrückten, schien das Ende mangels Verhandlungserfolgen eine Erleichterung zu sein. Der Cupra-Sportchef Xavi Serra kritisierte zwischen den Zeilen, dass das Rennformat unter den Erwartungen geblieben war. Gleiches gilt für den medialen Stellenwert.

Eine ähnliche Differenz zwischen dem hohen Aufwand und den damit erreichten Fans bekam die Formel E auf ebenfalls brutale Weise vorgeführt. Innerhalb kürzester Zeit beendeten der britische Channel 4 und ProSiebenSat.1 Media ihre Zusammenarbeit mit der Serie. Beide TV-Riesen knüpften Hoffnungen an die Kooperation, welche die Quoten nicht erfüllten.

Formel E - Kapstadt 2023 - Prosieben-Interview
Motorsport Images

Aufgrund größerer Zuschauerrückränge kämpft sich ProSieben vorzeitig aus dem Vertrag raus. Der deutsche TV-Markt steht vor einem Scherbenhaufen.

Doppelte Misere für deutschen Markt

Im deutschen Kontext wiegt das vorzeitige Ende besonders schwer. Nachdem die Ausstiege von Audi, BMW und Mercedes generell dem Interesse schadeten, verschärft eine kleinere TV-Alternative die Krise. Nicht zu beneiden ist hierbei der neue Formel-E-CEO Jeff Dodds. Bei seinem Amtsantritt bekundete er noch, dass er der Serie die Aufmerksamkeit bringen wolle, die sie verdiene. Nun erreicht sie nicht mal mehr den Status quo.

Obendrauf kommt, dass im Kernprodukt ebenfalls Zäsuren stattfanden. Technisch sollte die Gen3 zwar die Unkenrufe widerlegen, ihr Sport wurde dafür aber kritisiert. Ein in der Entwicklung befindliches Evo-Paket könnte dank Leistung an der Front und neuer Reifen eine Reaktion darauf sein. Zudem weicht die Serie durch die stärkeren Autos immer mehr von ihrer Stadtkurs-DNA ab. 2024 sind vier klassische Rennstrecken im Kalender. Sie sparen Millionen ein und ersparen Zoff mit Behörden. Parallel steht Neuzugang Tokio für ein simpleres Messegelände-Konzept.

Formel E - Portland 2023 - Jean-Éric Vergne - DS Penske
Motorsport Images

Rennen auf klassischen Rundstrecken erlauben den Fahrern nicht nur mehr Fehler, sondern ersparen der Formel-E-Organisation und ihren Partnern Millionen-Kosten.

Zweischneidiges Hybrid-Schwert

Zwar ist es noch zu früh, sich um den Fortbestand der Vorreiterin zu sorgen. Aber der vor Kurzem noch leere Markt umweltfreundlicher Alternativen ist jüngst stark bevölkert worden – allerdings nicht durch Strom-Championate. Diverse große Serien nutzen mittlerweile zumindest anteilig nachhaltigen Sprit. Die mit mehr Ressourcen – z. B. die WEC und die WRC – verwenden zu 100 Prozent erneuerbare Quellen. Wichtig ist hierbei, dass ein gewisser Kohlenstoffdioxid-Anteil trotzdem ausgestoßen wird. Im Forschungsfokus stehen aktuell besonders eFuels. Unter anderem haben Porsche und Schaeffler Pilotprojekte. Nadelöhre sind die Kosten sowie die Menge.

Zusammen mit der häufigen Kopplung an einen Hybrid-Zusatz schaffen sich viele Meisterschaften so passende Argumente, um die drohenden Hürden der kompletten Elektrifizierung vorerst ohne Strafe unterlaufen zu dürfen. Dass auch Hybride in Sachen Kosten und Technik nicht einfach sind, zeigten die eher unrunden Umsetzungen bei der BTCC und der IndyCar. Allein die boomende Langstrecke bleibt aber das beste Pro-Argument.

Wasserstoff als bessere Alternative?

Diese ruht sich darauf jedoch nicht aus und arbeitet schon am nächsten Schritt. Der ACO erklärte kürzlich selbstbewusst: "Hypercars sind auf der Strecke die Gegenwart, in Zukunft wird es Wasserstoff sein." Der Formel-E-Gründer Alejandro Agag kam zu einem ähnlichen Schluss für seine Offroad-Serie Extreme E. Sie rüstet in der nahen Zukunft auf Brennstoffzellen um und soll so WM-Status bekommen. Also weitere schwarze Wolken am Elektro-Himmel? Nicht unbedingt!

Markenpokale wie der NXT Gen Cup mit seinen seriennnahen Minis haben 2023 gezeigt, dass auf kleiner Ebene Strom-Serien sinnig sind. Neben Herstellern wie Hyundai überlegen sich auch mehrere Tourenwagen-Offizielle, wie sie wieder den traditionellen Bogen zu den Straßenprodukten schlagen können.