Wenn am kommenden Samstag (2.3.) die Startampeln in Katar auf Grün umschalten, ist die WEC auf ihrem bisherigen Höhepunkt angelangt. Die 2012 wiederbelebte Sportwagen-WM, welche neben den Glanzjahren der LMP1 auch dürftige Durststrecken durchstehen musste, bietet in diesem Jahr eine nie dagewesene Markenvielfalt. In der Top-Klasse namens Hypercar sind acht Hersteller aktiv, in der neuen LMGT3-Division kommen neun Modelle zum Einsatz. Die Erwartungen könnten dementsprechend kaum höher sein.
Für das anhaltende Wachstum hat die gemeinschaftlich von der FIA und dem Le-Mans-Ausrichter ACO organisierte Meisterschaft in der Winterpause zahlreiche Weichen gestellt. Allen voran tauschte man die zuletzt stagnierende GTE-Klasse gegen die LMGT3 aus. Somit sind erstmals GT3-Autos in der WM aktiv. Der dafür nötige Platz wurde durch die Einstellung der LMP2 frei. Die kleine Prototypen-Kategorie tritt allerdings weiterhin in Le Mans an.
Obwohl zwischen der Hypercar und der LMGT3 eine klare Trennung in Werks- und Kundensport herrschen soll, gibt es einige Überschneidungen. Beispielsweise haben BMW, Ferrari und Lamborghini dieselben Einsatzteams in beiden Klassen. Vorgegebene Amateur-Fahrer in den GT-Trios – die bereits in der letzten GTE-Saison obligatorisch wurden – weisen eine zu starke Professionalisierung der GT-Division weitgehend in die Schranken. Trotzdem suchten die Teams bei der Zusammenstellung des Personals nach Regellücken.
Toyota als Hauptfavorit
Schauen wir uns zuerst die Hypercar-Division etwas näher an: Bereits im letzten Jahr sorgten die drei Marken aus der LMH-Fraktion (Toyota, Ferrari und Peugeot) für Aufwind, dazu kamen zwei Hersteller, die Fahrzeuge nach dem US-Konzept LMDh zum Einsatz brachten – Porsche und Cadillac. Die Verbindung der zwei Technik-Philosophien zu einer gemeinsamen Klassenbasis bleibt auch 2024 der große Szene-Katalysator.
Der amtierende Weltmeister Toyota setzt mit dem GR010 Hybrid das Vorjahresauto ohne technische Updates ein. Ausnahme: Kleinkram wie modifizierte Scheinwerfer. Die Fahrerpaarungen haben sich nur in einem Punkt geändert: Ex-F1-Pilot Nyck de Vries ersetzt den Argentinier José María López, der ins GT-Team von Toyota/Lexus wechselt. Das Werksteam aus Köln hat am meisten Erfahrung, weil man mit dem GR010 bereits in die vierte Saison geht. 2023 gewann Toyota sechs von sieben Rennen – nur beim wichtigsten Event in Le Mans verlor man wegen einer kurzfristigen BOP-Änderung gegen Ferrari.
Dritter Ferrari mit Promi
Die Roten aus Maranello treten ebenfalls mit einem weitgehend unveränderten Auto an, auch die Fahrerpaarungen der beiden 499P-Werkswagen blieben gleich. Neu ist, dass AF Corse ein drittes Kundenauto für Robert Shwartzman, Robert Kubica und Yifei Ye an den Start bringt. Zur besseren Unterscheidung ist der V6-Neuzugang in Gelb gehalten.
Die dritte Marke, die Autos nach dem technisch freizügigeren Reglement des LMH-Konzepts einsetzt, ist Peugeot. Außer einem dritten Platz in Monza 2023 haben die Franzosen mit dem kultigen 9X8, der ohne klassischen Heckflügel auskommt, keine großen Stricke zerrissen. Aber 2024 soll alles besser werden: Beim zweiten WM-Lauf in Imola kommt das große Technik-Update – diesmal mit Heckflügel. Bei den Fahrerpaarungen gibt es nur eine Änderung. Im Auto mit der #94 ersetzt Stoffel Vandoorne den US-Amerikaner Gustavo Menezes.
Veranstaltung | Datum |
Vortest in Katar | 26./27. Februar |
1.812-Kilometer-Rennen in Katar (maximal zehn Stunden) | 2. März |
6 Stunden von Imola | 21. April |
6 Stunden von Spa-Francorchamps | 11. Mai |
24 Stunden von Le Mans | 15. - 16. Juni |
6 Stunden von São Paulo | 14. Juli |
6 Stunden von Austin | 1. September |
6 Stunden von Fuji | 15. September |
8 Stunden von Bahrain | 2. November |
LMDh in der Überzahl
Das echte Größenwachstum in der Königsklasse der Sportwagen-WM entsteht an der LMDh-Front: Porsche und Cadillac werden um Renault/Alpine, BMW und Lamborghini ergänzt. Cadillac setzt 2024 weiterhin nur ein Auto für die Stammpiloten Earl Bamber und Alex Lynn in der WEC ein, in Le Mans bringt Chip Ganassi Racing ein zweites Auto an den Start. Auch das US-Team Action Express Racing bekam hier eine automatische Einladung für den Titelgewinn in der IMSA-Sportwagenserie.
Technisch blieb der Cadillac unverändert, beim Porsche 963 gab es zwar einige kleinere Modifikationen, die aber nicht Performance-relevant sind und somit keine sogenannten Joker nötig machten. Bei den Fahrerpaarungen wechselt Dane Cameron nach einer enttäuschenden Debütsaison zurück in die IMSA, dafür rückt Matt Campbell ins WM-Aufgebot. Erwähnenswert bei Porsche ist der Umstand, dass 2024 drei Kunden-Porsche 963 am Start stehen.
Das britische Jota-Team erhöht sein WM-Kontingent auf zwei Autos, Proton Competition setzt einen 963 ein – in Le Mans könnten es sogar deren zwei werden. Am meisten Aufmerksamkeit wird der goldene Jota-Renner mit der Nummer 38 genießen. Formel-1-Champion Jenson Button ist der Führungsfahrer in ihrem Trio.
Alpine, BMW und Lambo als Newcomer
Neu hinzu kommen die Einsteiger nach dem amerikanischen LMDh-Konzept: Die belgische WRT-Truppe fungiert als BMW-Werksteam und setzt zwei M Hybrid V8 ein. Die Fahrerpaarungen sind durchaus erlesen: Sheldon van der Linde, Robin Frijns und René Rast teilen sich den BMW mit der Nummer 20; Dries Vanthoor, Raffaele Marciello und Marco Wittmann pilotieren den #15-Schwesterwagen.
Neueinsteiger Nummer 2 ist Renault/Alpine, deren LMDh-Autos mit der Chiffre A424 vom französischen Signatech-Team eingesetzt werden. Im deutschsprachigen Raum sorgte vor allem die Fahrerbesetzung für Schlagzeilen: Ex-F1-Pilot Mick Schumacher teilt sich das #36-Cockpit mit Nicolas Lapierre und Matthieu Vaxivière; das #35-Schwesterfahrzeug wird von Ferdinand Habsburg, Paul-Loup Chatin und Charles Milesi gesteuert.
Last but not least steigt auch Lamborghini mit dem neuen SC63 in die Sportwagen-WM ein, allerdings setzt das Iron-Lynx-Team nur ein Auto für Mirko Bortolotti, Edoardo Mortara und Daniil Kvyat ein. Nur beim 24h-Rennen in Le Mans kommt ein zweiter Lambo in der Hypercar-Top-Klasse zum Einsatz – dort am Steuer: Romain Grosjean. Der Hersteller-Aufmarsch geht zulasten der Privatteams: Das Kolles-Team fehlt 2024 ebenso wie die Glickenhaus-Truppe, dafür kommt die italienische Revival-Marke Isotta Fraschini neu dazu.
Keine Ausreden bei der BOP
19 Hypercars von acht Herstellern – wie das auf der Strecke laufen wird? Das hängt am Ende leider auch am Nerv-Thema Balance of Performance. 2023 dominierten die LMH-Marken – Toyota und Ferrari gewannen kombiniert alle Rennen. Das BOP-System ändert sich für 2024 signifikant, dazu sind die LMDh-Autos mit fünf Marken nun sogar numerisch in der Überzahl, was den Druck auf die BOP erhöht.
Bis zur letzten Minute wird in Katar vor dem Saisonstart noch um BOP-Details gerungen. Ob das am Ende fruchtet, werden wir sehen. Ein Rennen wird sicher nicht reichen, um einen Trend zu etablieren, aber grundsätzlich sollten die LMDh-Marken den LMH-Herstellern Toyota, Ferrari und Peugeot deutlich näher auf den Pelz rücken können.
Neubeginn im GT-Sport
Das Thema BOP stammt ursprünglich aus dem GT-Sport, weil dort unterschiedliche Technikkonzepte und Motorisierungen gebalanced werden müssen. Folglich wird es auch in der neuen LMGT3-Klasse die üblichen BOP-Debatten geben. Doch der Druck wird dadurch gemildert, dass Pro-Am-Fahrerpaarungen vorgeschrieben sind. Wir reden also der Definition nach von Kundensport, auch wenn die WM-Einsätze 2024 von klassischen Profiteams vorgenommen werden.
Welche GT-Hersteller dürfen in der WM mit Zweiwagenteams antreten, und warum? Die erste Regel lautet: Alle Hypercar-Hersteller bekommen zwei GT3-Starterplätze, sofern sie ein GT3-Auto haben, womit sechs Marken gesetzt sind: BMW, Ferrari, GM/Corvette, Lamborghini, Porsche und Toyota/Lexus. Das gilt zweitens nicht für Aston Martin und Ford, die wurden aber trotzdem berücksichtigt, weil sie in der letzten Dekade eine wichtige Rolle in Le Mans gespielt haben.
Und drittens haben ACO und FIA auch McLaren zwei Plätze gewährt, weil McLaren vielleicht ein LMDh-Auto baut, außerdem wollte man das WM-Stammteam United Autosports nicht verlieren. Die britische Truppe gehörte zu den LMP2-Topteams, doch diese Kategorie fiel dem großen Hersteller-Zulauf zum Opfer und darf jetzt nur noch in Le Mans mitfahren.
Alle Autos, Teams und Fahrer sind in der Nennliste für das erste Saisonrennen zusammengefasst:
TV-Infos und Katar-Auftakt
Nachdem zu Beginn der Woche der Prolog genannte Vortest stattfand, wird es am Freitag erstmals ernst. Dann kämpfen die diversen Marken in der Qualifikation um die besten Startplätze von Katar. Das nach dem Nationalfeiertag benannte 1.812-Kilometer-Rennen startet am Samstag um 9:00 Uhr deutscher Zeit. Die Weltmeisterschaft setzt für die Saisoneröffnung zehn Rennstunden an.
Eurosport 2, Sport 1 und ORF Sport+ zeigen das Rennen in Ausschnitten. Alle drei übertragen die Schlussphase, die immerhin ohne Überschneidung mit der Formel 1 in Bahrain auskommt. Zudem hat die WEC ein eigenes Streamingportal samt Live-Timing freigeschaltet. Dessen Gesamt-Saisonpaket kostet 59,99 Euro.