Seit vor 40 Jahren der damalige Rekord-Meister Franz Wittmann die sportliche Premiere eines gewissen Audi Quattro einläutete, hat es in der Alpenrepublik nicht mehr so viel Aufsehen um ein Rallyeauto gegeben wie um den Skoda Fabia RE-X1. "Wenn du ein Video postest, hast du blitzschnell 500.000 Follower", staunt Ingenieur Walter Illmer.
Dabei war man nach dem Anruf der Kreisel-Brüder zunächst wenig überzeugt. Raimund Baumschlager klingelte aber nach dem Ortsbesuch im Mühlkreis geläutert bei Skoda durch. Dort hat Sportchef Michal Hrabánek ein brummendes Kundengeschäft, aber ansonsten kein Budget.
Flugs hopste die Sportabteilung mit dem Segen des Vorstands auf den schon anrollenden Elektrozug und passte das Chassis für die zwischen und hinter der Besatzung hockende Hochvolt-Batterie an. "Eine zusätzliche Strebe am Käfigkreuz stützt das Auto gegen Schläge von unten ab, und wir haben hintere Stabi verlegt" verrät Technikchef Ales Rada. Ansonsten ließ man die Österreicher weitgehend gewähren.
Zwei Elektro-Motoren mit 260 kw
Einen sportlichen E-Antrieb haben die Kreisels zur Elektrifizierung der Rallycross-WM eh in Arbeit. Statt mit knapp 700 PS in fünf Minuten im Pulk einen Rundkurs niederzubrennen, müsste doch in braverer Variante auch rallyetechnisch was gehen. 35 WP-Kilometer und 35 auf der Verbindungsetappe verspricht Projektleiter Daniel Foissner in Sachen Reichweite.
Rund 260 kW bzw. 354 PS leisten die beiden Elektro-Motoren, womit der RE-X1 um die 65 PS stärker ist als sein Bruder mit 1,6-Liter-Turbo. Mit seinen 600 Newtonmetern schiebt er aus dem Stand derart an, dass sich der Magen furchtsam ans Rückenmark schmiegt. "Es kommt einem vor, als würde der Elektro-Fabia besser beschleunigen, die Daten sagen aber was anderes", sagt Baumschlager. Der RE-X1 ist 100 Kilo schwerer als ein Fabia Evo.
Baumschlager verspricht sich von der E-Initiative neues Geschäft, hat aber kein Interesse, mit dem Stromer das konventionelle Feld in der österreichischen Rallye-Meisterschaft zu überrollen. "Ich habe selbst noch vier Verbrenner im Haus, die wollen wir ja noch vermieten", sagt er.
Rallye-Auto ohne Kardanwelle
Allrad haben sie beide, nur dass die Elektro-Variante keinen Kardan braucht. Die von je einem E-Motor angetriebene Vorder- und Hinterachse ist nur durch das Steuergerät mit einem "virtuellen Differenzial" verbunden. Im Prinzip ließe sich die Kraft beliebig verteilen, es ist aber auch so schon alles verwirrend genug. "Wenn du im Fünften bist, weißt du, das ist jetzt schnell, aber mit nur einem Gang ist das Tempo schwer zu schätzen", sagt Baumschlager.
Wählt er volle Rekuperation, entlastet es die Hinterachse beim Gaslupfen so sehr, "dass es sich anfühlt, als hättest du die Handbremse gezogen", entschuldigt er sich für einen etwas weiten Schlenker zwischen den Pylonen auf dem Skoda-Testgelände im Niemandsland bei Mladá Boleslav, an dessen Zufahrt ein Schild warnt: "Crashlabor".
Bei Skoda schaut man sich den Beginn gelassen aus der Ferne an. Es gibt keinen konkreten Plan, aber man hat das große Ganze im Blick. "Es wäre ein großer Fehler, gegen eine Elektrifizierung zu kämpfen, die ohnehin kommen wird", warnt Hrabánek. Anders als bei der Konzernmutter VW hat man in Tschechien nach 120 Jahren Motorsport-Historie nicht vor, den Stecker zu ziehen. "Wir wollen auch künftig Motorsport machen."
Klimaneutraler Solarstrom
Entwicklungsvorstand Johannes Neft war vor allem in Sachen Reichweite und Ladezeiten skeptisch. Genau dort sehen die Kreisels ihre Stärke. Mit 200 Kilowatt lassen sich die Akkus laden. Das heikle Temperatur-Management bei solch großen Strömen ist clever gelöst. Jede Zelle wird unabhängig von einer speziell von Shell entwickelten Flüssigkeit umspült, die über zwei Schläuche mit einer externen Klimaanlage verbunden ist. So lässt sich der Energiespeicher mit seinen 52,6 Kilowattstunden ohne jeden Hitzestau in 18 Minuten voll laden.
Den Strom holt sich der RE-X1 aus einem kühlschrankgroßen Batteriepack im Service-Truck. Bei Kreisel erledigen ausrangierte Auto-Akkus den Job, die hier ihr zweites Leben beginnen. Bei nur einem Einsatzauto ist es bisher auch nicht allzu schwierig, die Sache – abgesehen vom dieselnden Renntruck – klimaneutral zu organisieren: Der Strom kommt von der Photovoltaik-Anlage auf dem Dach der Kreisel-Fabrik.
Die Zulassung für die ÖRM ging sanft, harmonisch und erfreulich unösterreichisch von Statten. In einer Szene, in der traditionell keiner dem anderen den Schmalz auf der Stulle gönnt, setzte sich der Verband mit den Aktiven zusammen.
Absage der Hartbergland-Rallye
Der Baumschlager-kritische Andreas Aigner saß zum Austarieren des Kräfteverhältnisses als Referenz auf dem Beifahrersitz, und der Verband schuf ratzfatz ein Reglement, das Elektroautos in den gewöhnlichen Fahrbetrieb integriert. Drei Sensoren, ein versiegelter USB-Stick zur Verhinderung etwaiger Schummeleien, schon war die Sache besprochen.
Doch dann machte der Veranstalter der Rallye Hartbergerland einen Rückzieher und untersagte das Laden in rallyetypischen Pausen in Regroupings oder im Parc fermé. "Das hat in Weiz problemlos funktioniert, wundert sich Baumschlager. Leider ließ sich von Seiten des Teams die Logistik so schnell nicht ändern. Dazu mochte man auch nicht mit einem Protest die Stimmung vergiften.
"Um nicht gleich mit negativen Vorzeichen zur Rallye anreisen zu müssen, werden wir unsere Nennung in Hartberg zurückziehen. Wir möchten dieses Thema auf sachlicher Basis in ruhigem Umfeld mit allen Beteiligten der AMF und der Rallyekommission behandeln", lässt Kreisel-Geschäftsführer Philipp Kreisel verlauten.