Rallye Türkei 2018: Tänak nach Sieg voll im Titelkampf

Rallye Türkei 2018
Tänak nach Sieg voll im Titelkampf

Die beiden WM-Führenden Thierry Neuville und Sébastien Ogier spielten beim zehnten WM-Lauf unentschieden. Einen Triumph feierte ausgerechnet das langsamste Team des Wochenendes. Toyota-Fahrer Ott Tänak ist mittendrin im Titelrennen.

Ott Tänak - Toyota Yaris WRC - Rallye Türkei 2018
Foto: sutton-images.com

Die siebte Rallye Türkei wird Teams, Fahrern und Fans nicht wegen der malerischen Ägäisküste in Erinnerung bleiben. Auch nicht wegen des schwülwarmen Wetters im September und auch nicht wegen des in der WM-Geschichte einmalig kompakten Formats mit nur 896 Gesamtkilometern. Man wird sich erinnern an die Klopperpisten in den Wäldern jenseits der Strände, in denen sich an einem Wochenende Dramen abspielten, die für eine halbe Saison reichen.

Unsere Highlights
Craig Breen - Citroen C3 WRC - Rallye Türkei 2018
McKlein
Das Wrack von Craig Breens Citroën C3

Craig Breens Citroën C3 fackelte ab. Nachdem sich Fahrer und Beifahrer Scott Martin im rauchgeschwängerten Cockpit endlich aus der elften Prüfung gequält hatten und nach dem Hitzenest fahnden wollten, stand der Hintern des Citroën in Flammen. Auch der zum Löschen herangeeilte Kollege Ott Tänak konnte mit seinem Bordfeuerlöscherchen nicht verhindern, dass Breens Auto bis auf die Grundmauern abbrannte.

Neuville scheitert

Hyundai und M-Sport wurden schwer gerupft, dabei sahen sie zunächst fast unzerstörbar aus. Thierry Neuville hatte nur theoretisch einen Nachteil als Erster auf der Piste, angesichts der unzähligen kindskopfgroßen Steine auf den Freitagspisten war Traktion nur ein Thema unter vielen. Es ging vor allem um den Mut, über die groben Klamotten zu reiten, ohne sich Reifenflanken aufzuschlitzen oder Aufhängungen zu zertrümmern.

Titelverteidiger Sébastien Ogier ging größeres Risiko als WM-Rivale Neuville, schließlich musste er 23 Punkte Rückstand wegfräsen. Auf der mit 38 Kilometern längsten Prüfung in Cetibeli knallte er Neuville 18 Sekunden vor den Latz. Neuville konnte die Nacht noch genießen, weil er nicht nur den Tag bestens überstanden, sondern auch drei Zehntel Vorsprung ins erste Etappenziel gerettet hatte. Aber am Samstagmorgen überschlugen sich die Ereignisse. Aus dem Hyundai des Belgiers lugte schon auf der ersten Tagesprüfung der Stoßdämpfer aus der Motorhaube und bahnte sich mitsamt Feder sukzessive den Weg ins Freie. Teamchef Michel Nandan mochte nicht zu sehr ins Detail gehen, sprach aber seinen gerade für weitere drei Jahre verpflichteten Star von aller Schuld frei: „Etwas an der Dämpferbefestigung war falsch montiert, es war unser Fehler“, sagt der Franzose.

Seltener Fahrfehler von Ogier

Neuville hatte sich gerade aus eigener Kraft zum Service-Park gerettet, da konnte er staunend am Bildschirm sehen, wie das Drama bei Konkurrent Ogier seinen Lauf nahm. Eine halbe Stunde nach Neuvilles vorzeitigem Aus lag der Weltmeister in der provisorischen Tabelle erstmals seit der Argentinien-Rallye im Mai wieder an der Tabellenspitze, doch kurz darauf schlackerte am Ford Fiesta das rechte Vorderrad. Nach einer harten Landung war der Querlenker gebrochen. Das schlackernde Vorderrad zog auch noch die Antriebswelle aus dem Differenzial.

Thierry Neuville - Hyundai i20 WRC - Rallye Türkei 2018
sutton-images.com
Thierry Neuville holte in der Power Stage fünf Punkte.

Ogier hatte das Ersatzteil im Auto. Der Franzose ist ein versierter Mechaniker, seinen ersten WM-Lauf erlebte er als Schrauber für einen Freund auf Korsika, im Normalfall wäre der Wechsel in 20 Minuten erledigt gewesen. Aber der Querlenker wollte nicht in den verbogenen Hilfsrahmen, und eine Schraube ließ sich nicht mehr festziehen. Am Ende fummelte sie Ogier mit einen Kabelbinder zurecht. Um 11:25 Uhr setzt sich der Ford nach 40 Minuten Reparatur wieder in Bewegung, Ogier hatte noch elf Minuten, um pünktlich an der nächsten Zeitkontrolle der nächsten Prüfung zu erscheinen, doch bis dahin waren es 34 Kilometer. Mit einem Schnitt von 122 km/h flog Ogier über die Landstraße, wo kein Kläger, da kein Richter. Um 11:42 Uhr stempelte Beifahrer Julien Ingrassia ein, sechs Minuten Verspätung bedeuteten 60 Strafsekunden und immerhin noch Platz vier, überschaubare 46 Sekunden Rückstand und bisher zwölf Punkte auf Neuville.

Aber so schnell es raufging an diesem Tag, ging es auch wieder runter. Der völlig ausgepumpte und verdreckte Ogier ließ sich zur Mittagspause als Held feiern und Neuville wollte das Türkei-Wochenende als herben Rückschlag abhaken, aber eine weitere Stunde später hing Ogier breitseits an einem Baum. Die Beifahrertür ist nur leicht eingedellt, schwerer wiegt der Umstand, dass sich die Fuhre unwiederbringlich festgefahren hat. Ogier ist draußen. „Einer der dümmsten Fehler meiner Karriere“, sagt der Champion. Er hat für einen Moment die Konzentration verloren und nach einer Kehre die unmittelbar folgende nächste Kurve überhört und zu spät gebremst.

Tänak staubt ab

Die Patzer der anderen spülen Toyota an die Spitze, das vorher nichts zu melden hatte. Plötzlich führt am Samstagnachmittag Ott Tänak vor Jari-Matti Latvala. Tänak fährt erst regelmäßig Top-Drei-Zeiten, als die Straße ebener und die Konkurrenz dünner wird. Die einzige theoretische Gefahr geht von Latvala aus, der an diesem Wochenende eigentlich der schnellere Toyota-Mann ist, doch noch bevor Teamchef Tommi Mäkinen bei der abendlichen Abschlussbesprechung Stallorder verhängt, sagt Latvala: „Natürlich würde ich gern mal wieder gewinnen, aber es gibt Momente, da musst du ans Team denken, und Ott braucht die Punkte dringender.“

Einen klaren Rückpfiff gibt es dagegen bei M-Sport. Ogier stürmt als Zwölfter von hinten auf den Polen Kajetan Kajetanowicz zu, der in einem WRC2-Fiesta ein leichtes Opfer ist, Elfyn Evans kommt Ogier von oben entgegen. Er opfert seinen siebten Platz und lässt Co Daniel Barritt fünf Minuten zu früh stempeln, um dem Teamkollegen noch zu Rang zehn und einem Pünktchen zu verhelfen. Für die Markenwertung spielt der geopferte siebte Rang von Evans keine Rolle, da ab dem grandios mit einem privaten Skoda auf Rang sechs fahrenden Duo Henning Solberg und Ilka Minor keine eingeschriebenen Werks-Autos aufrücken.

Neuville gewinnt die Power-Stage

Bei Hyundai kommen derlei Spielchen nicht in Frage. Erstens hat sich Mikkelsen als zweitbester i20-Lenker an Platz fünf festgebissen, Hayden Paddon ist Dritter, zweitens liegt Neuville mit seinen 35 Minuten Strafminuten als 18. so weit zurück, dass ihn nur eine spontane Magen-Darmgrippe des restlichen Feldes zurück in die Punkte spülen könnte.

Aber da ist ja noch die Powerstage. Ogier macht wieder mal auf Leichtbau, er nimmt für die vier kurzen Prüfungen am Sonntag nur ein Ersatzrad mit und kann seine Gummis kaum schonen, da er ja noch Kajetanowicz überrennen muss. Neuville dagegen hat bis zum Finale nichts zu gewinnen. Eine Bestzeit am Morgen zeigt ihm, dass er immer noch das schnellste Auto hat, auf den nächsten zwei Prüfungen bummelt er so provokativ langsam über die Strecken, dass sich selbst die TV-Kommentatoren sicher sind, jene Zeiten unterbieten zu können. Neuville opfert bedeutungslose 100 zusätzliche Sekunden, geht aber mit nahezu unversehrten Reifen auf die letzten sieben Kilometer.

Neuville legt wie auch Ogier einen Atem stockenden Ritt hin, ist aber dank seiner Reifen-Taktik am Ende um 1,6 Sekunden schneller und streicht die fünf Extrapunkte ein. Bei Ogier sind es vier, plus der eine Zähler für Rang zehn. Mit diesem mageren Unentschieden ist er nicht mal mehr WM-Zweiter. Tänak holt 25 Zähler für den Sieg und Rang drei auf der Powerstage. Auf Spitzenreiter Neuville fehlen ihm nach dem dritten Sieg in Folge nur noch 13 Punkte.