Im elitären Segment der Kompaktsportler mit 400 + x PS werden die Karten neu gemischt. Das liegt einerseits an der Ankunft des aufgefrischten Audi RS 3. Doch auch der BMW M2 erhält, obwohl erst im Frühjahr 2023 in der Generation G87 neu eingeführt, ein Facelift, das ihm neben kleinen optischen relevante technische Verbesserungen beschert. Plötzlich wirkt der Mercedes-AMG CLA 45 S 4-Matic+ ein wenig ergraut, dabei gönnten die Affalterbacher ihm erst Anfang des vergangenen Jahres eine Modellpflege. Deren Umfang war jedoch überschaubar, weshalb sich unweigerlich die Frage stellt: Wird der Schwabe von den beiden Bayern nun endgültig abgehängt?
In der Realität können wir das erst in einigen Wochen überprüfen, wenn der neue RS3 und M2 für umfangreiche Test- und Messfahrten verfügbar sind. Bis es so weit ist, wühlen wir uns tief in die Daten und schauen uns an, ob sich einer der drei Rivalen auf dem Papier bereits in die Favoritenrolle manövrieren kann.
Antrieb
In einem sind sich Audi RS3, BMW M2 und Mercedes-AMG CLA 45 einig: Sie alle wollen mit Super-Plus-Kraftstoff verköstigt werden. In wie vielen Zylindern der 98-oktanige Sprit verbrannt wird, unterscheidet sich jedoch grundlegend und orientiert sich an der jeweiligen Markentradition. Folgerichtig tritt der Audi auch nach seinem Facelift mit fünf Brennräumen an, auf die sich ein Hubraum von 2.480 Kubikzentimetern verteilt. In jeder Hinsicht mehr bietet der BMW: Sein Triebwerk zeichnet sich durch sechs – natürlich in Reihe angeordnete – Zylinder aus und unterscheidet sich nur in Nuancen vom Pendant des größeren M3/M4. Das bedeutet obendrein, dass ihm zwei Turbolader bei der Kraftentwicklung helfen. Beim Audi und Mercedes ist es jeweils nur einer, wobei der CLA 45 S 4-Matic+ zusätzlich ein Zylinder- (vier) und Hubraummanko (nicht einmal zwei Liter) mit sich herumschleppt.
Das stört den Literleistungs-Champion aber keineswegs. Mit 421 PS setzt sich der kleine AMG in Sachen Leistung vor den RS3 (400 PS), beim maximalen Drehmoment herrscht Gleichstand (500 Newtonmeter), wenn auch jenes des Bayern viel früher anliegt. Gegen den BMW M2 sehen jedoch beide kein Land. Das wäre übrigens schon vor dessen Facelift der Fall gewesen, doch nun steht der Reihensechser noch besser im Futter: Die Leistung steigt von 460 auf 480 PS, das höchstmögliche Drehmoment von 550 auf 600 Newtonmeter – jedenfalls dann, wenn automatisch geschaltet wird.
Fahrleistungen und Fahrdynamik
Wer glaubt, dass ein derart großes Power-Plus automatisch zu den besten Fahrleistungen führt, sieht sich allerdings getäuscht: Während der M2 in 4,0 Sekunden von null auf Hundert beschleunigt, steht beim RS3 ein Wert von 3,8 Sekunden im Datenblatt. Dafür hat der BMW beim Topspeed seine Doppelniere prestigeträchtig vorn: Bei Buchung des optionalen "M Driver's Package" erreicht er maximal 285 km/h; gegen Aufpreis ist beim Audi "schon" bei 280 km/h Schluss. Ohne Extrakosten erreichen beide Kontrahenten höchstens 250 km/h. Dann zieht der CLA 45 S 4-Matic+ plötzlich vorbei, denn er darf 270 km/h rennen. Ein höheres Limit sieht die Aufpreisliste bei ihm nicht vor.
Bei der Ursachenforschung, warum die Power beim BMW M2 nicht wie erwartet auf dem Asphalt ankommt, stößt man auf zwei Eigenheiten. Eine davon ist der Hinterradantrieb. Der dürfte zwar viele Enthusiasten erfreuen; der im Vergleich fehlende mechanische Grip wirkt sich auf dem Papier jedoch etwas nachteilig aus. Die Konkurrenz vertraut im Gegensatz dazu auf äußerst variable und entsprechend traktionsstarke Allradantriebe, deren radselektive Kraftverteilung dem RS3 und CLA 45 weitere Vorteile verschafft.
Karosserie
Das größere Performance-Manko dürfte jedoch die massige Gestalt des nur als zweitüriges Stufenheck-Coupé erhältlichen BMW M2 darstellen. Er bringt satte 1,8 Tonnen auf die Waage, weswegen sich in dieser Hinsicht die enge technische Verwandtschaft zum inzwischen ebenfalls recht speckigen M3/M4 als hinderlich erweist. Okay, der CLA ist mit 1.720 Kilogramm ebenfalls kein Leichtgewicht, aber auch noch mal zwölf Zentimeter länger als der M2. Wobei sich schon die Frage stellt, ob 4,70 Meter beziehungsweise 4,58 Meter lange Autos per Definition noch der Kompaktklasse angehören. Das gilt schon eher bei der RS3 Limousine mit ihren 4,53 Meter Länge und 1.640 Kilogramm Leergewicht. Das – zumindest in diesem Konkurrenzumfeld – Schmalhans-Dasein wirkt sich allerdings negativ aufs Gepäckvolumen aus, das beim M2 und insbesondere beim CLA deutlich größer ist.
Wer eher aufs klassische Hot-Hatch-Format steht, kann um eine BMW-Niederlassung übrigens einen großen Bogen machen – es sei denn, die 300 PS eines M135 xDrive werden als sportlich genug erachtet. Den Audi RS3 gibt es dagegen ebenso im Steilheck-Outfit wie den Mercedes-AMG, in dessen Modellbezeichnung dann das "CLA" auf ein "A" gekürzt wird. Die A-Klasse Limousine existiert auch noch, allerdings nicht mit 45er-Power. Hier ist bei 306 PS im AMG 35 4-Matic Schluss.
Ausstattung, Assistenzsysteme, Konnektivität
Spielen die Kategorien wie die Anzahl der Fahrassistenten, die Einbindung von Smartphones oder das Angebot an passenden Smartphone-Apps bei der Entscheidung für oder gegen einen Kompaktsportler überhaupt eine Rolle? Für die einen sicher mehr, für die anderen eher weniger. Letztlich ergibt sich hier ein Nullsummenspiel, denn was der eine an Vernetzungsmöglichkeiten mehr bietet, kann der andere bei den Assistenzsystemen aufweisen – oder umgekehrt. Und vielleicht muss beim Kandidaten A ein Detail aus dem Sonderausstattungsangebot extra bezahlt werden, was beim Modell B oder C bereits serienmäßig an Bord ist. Das Bild ist hier derart indifferent, dass andere Wertungsbereiche den Ausschlag geben.
Nürburgring-Nordschleife
Zum Beispiel die prestigeträchtige Runde auf der Nordschleife des Nürburgrings. Hier fand in den letzten drei Jahren ein regelrechter Schlagabtausch innerhalb des Trios statt. Der RS3 legte im Juni 2021 vor: Als Vor-Facelift- und Limousinen-Modell umrundete er die 20,8 Kilometer lange Streckenvariante in 7.40,748 Minuten. Das war ein offizieller Rekord in der Kompaktklasse und hielt fast zwei Jahre, bis sich der M2 mit einer Zeit von 7.38,706 Minuten die Bestmarke schnappte – ebenfalls noch in seiner ursprünglichen, also 460 PS starken Modellvariante. Doch vor gar nicht langer Zeit, Anfang Juni 2024, schlug Audi zurück. Werksfahrer Frank Stippler brannte mit dem Hatchback-RS3 eine 7.33,123 Minuten in den kurvigen Eifel-Asphalt, weshalb das Bestzeit-Zertifikat aktuell wieder gerahmt in Ingolstadt hängt. Da fragt sich, ob es der Facelift-M2 mit stärkerem Motor zurückerobern kann. Oder will, denn über fünfeinhalb Sekunden Rückstand sind selbst in der Grünen Hölle schwer aufzuholen.
Und der Mercedes? AMG hat sich mit den aktuellen 45er-Varianten der A- und CLA-Klasse bisher nicht am Nordschleifen-Battle beteiligt. Also müssen die Nürburgring-Zeiten aus unserem sport auto Supertest als Referenz herhalten. In diesem Rahmen erreichte der CLA 45 S 4-Matic+ 2022 eine Zeit von 7.45,34 Minuten. Zwei Jahre zuvor musste sich das A-Klasse-Pendant mit einer 7.48,80-Minuten-Runde begnügen – in beiden Fällen über die 20,6 Kilometer lange Industrie-Pool-Runde. So oder so: Der Respektabstand zum BMW und speziell zum Audi ist groß, sodass die Schwaben in dieser Kategorie die rote Laterne halten.
Preis
Auch bei den Kosten setzt sich die Audi RS3 Limousine an die Spitze. Ihr Einstiegspreis beträgt 68.000 Euro (66.000 Euro mit Steilheck), was mehr als 12.000 Euro weniger ist als beim Mercedes-AMG CLA 45 S 4-Matic+ (80.426 Euro; 73.512 Euro für den A 45 AMG). Der BMW M2 liegt näher am AMG als am RS3 (76.700 Euro nach dem Facelift). Dafür findet sich in seiner Aufpreisliste ein paradoxes Gimmick: Für 500 Euro extra baut die BMW M GmbH ein manuelles Sechs- statt des automatisch schaltenden Achtgang-Getriebes ein. Dann schrumpft zwar das Drehmoment-Maximum auf 550 Newtonmeter und auch die Fahrleistungen leiden. Doch hier sichert sich der M2 ein echtes Alleinstellungsmerkmal, das bei so mancher Kundin und manchem Kunden den Ausschlag bei der Kaufentscheidung geben dürfte.