Rund zwei Jahre mussten sich AMG-Fans nach der Einstellung der SLS-Nachfolger-Baureihe 190 im Jahr 2021 gedulden. Doch jetzt kommt endlich der Nachfolger des Mercedes-AMG GT Coupé auf den Markt – ein Ableger des ebenfalls in Affalterbach entwickelten SL Roadster (Baureihe: R232). Als Topmotorisierung setzen die Schwaben weiterhin auf den aufgeladenen Vierliter-V8 mit 585 PS. Damit bollert der AMG auf Augenhöhe mit dem 580 PS starken Porsche 911 Turbo. Zeit für einen ersten Vergleich der grundverschiedenen Sportwagen.
Äußere Ähnlichkeiten sind rein zufällig
Mit seiner langen Motorhaube, der bulligen Front und der Sitzposition relativ weit hinten unterschied sich schon der Vorgänger des kommenden AMG GT deutlich von einem Porsche 911. Die Proportionen sind beim neuen durchaus geblieben, auch wenn der Affalterbacher nun spürbar gewachsen ist: in der Länge von 4,54 Meter auf 4,73 Meter, in der Breite von 1,94 Meter auf 1,98 Meter. Dafür gibt es nun wie beim Technik-Bruder SL zwei Notsitze hinter Fahrer und Beifahrer.
Das zumindest hat der neue GT jetzt mit dem 911 gemeinsam. Denn auch die aktuelle Baureihe 992 ist theoretisch für vier Insassen zugelassen. Das war es dann aber auch schon fast mit den konzeptionellen Ähnlichkeiten. Gut – vier eckige Endrohre am breiten Heck und das passende Luftleitwerk drumherum haben beide. Ansonsten setzt der 911 trotz seiner mittlerweile beachtlichen Größe – er ist 4,54 Meter lang und 1,90 Meter breit – auf eine vergleichsweise filigrane Front.
Innerlich gewachsen und gereift
Dem Trend zum Größenwachstum folgen beide Konzepte. Der 911 ist in mittlerweile 8. Generation ein stattliches Auto, dessen ursprünglich zierliche Einfachheit von manchen Fans bereits vermisst wird. Im Innenraum darf man sich dafür über viel Bewegungsfreiheit und echten Langstreckenkomfort freuen. Beste Materialien und Verarbeitungsqualität dürfen angesichts der hohen Anschaffungspreise vorausgesetzt werden. Auf Wunsch wandert die mittlerweile traditionelle Uhr mit dem Sport Chrono Paket auf den Armaturenträger. Im Vergleich zum AMG wirkt das Porsche-Cockpit traditionell und sachlich aufgeräumt.
Im Affalterbacher GT dominiert dagegen ein aufrechter Touchscreen, der mittig vor dem Armaturenträger thront. Hinzu kommen ein ebenso auffälliger Screen in der Tachoeinheit und jede Menge Schalter und Regler – selbst am Sportlenkrad. Multimedia-Liebhaber werden ihre wahre Freude mit dem MBUX-Infotainmentsystem haben. Puristen konzentrieren sich wahrscheinlich eher auf den Fahrspaß. Immerhin werden die ambitionierten Fahrer im Screen "Telemetrie" über 40 Live-Parametern informiert, davon bis zu vier gleichzeitig. Hinzu kommen die Anzeigen von Runden- und Sektorzeiten im Multimedia-Display, Head-up-Display und im Kombiinstrument sowie zusätzliche Trainings- und Analyse-Tools.
Zwei unterschiedliche Antriebskonzepte
Der wichtigste und deutlichste Unterschied zwischen AMG GT und Porsche 911 versteckt sich freilich unter dem Blechkleid. Der AMG trägt seinen Motor längs unter der langen Fronthaube. Das Getriebe sitzt mit der Neuauflage nun direkt dahinter und nicht wie im Vorgänger an der Hinterachse (Transaxle). Dagegen versteckt der Porsche seine ganze Kraft im Heck. Unter der vorderen Haube sitzt lediglich ein kleiner Kofferraum (128 Liter). Auch wenn uns für diesen Vergleich vor allem der 911 Turbo interessiert – die Zuffenhausener bieten den 911 mit einer breiten Leistungsspreizung mit Saug- und Turbomotoren, Allrad- und Heckantrieb sowie Schalt- und automatisierten Getrieben an. Dem Prinzip Sechszylinder-Boxer bleiben sie allerdings in allen 911er-Leistungsklassen treu.
Das später folgende Einstiegsmodell des Mercedes-AMG GT wird dagegen einen Vierzylinder-Motor bekommen. Wie im SL 43 arbeitet dann der M139, der mit zwei Litern Hubraum inklusive Riemen-getriebenem Startergenerator (RSG), 48-Volt-Bordnetz und neuem elektrischen AMG E-Turbo 381 PS zuzüglich 14 Booster-PS bereitstellt. Das maximale Drehmoment liegt bei 480 Nm. Die Schaltarbeit übernimmt jeweils das AMG-eigene Speedshift-Neunstufen-Automatikgetriebe. Das leitet auch in den V8-Topmodellen die Kraft variabel an alle vier Räder. Die Vierliter-Varianten leisten entweder 476 PS (55 4-Matic+) oder 585 PS (63 4-Matic+). Ein Handschaltgetriebe wird es im AMG GT also wieder nicht geben.
AMG GT 63 4MATIC+ | Porsche 911 Turbo | |
Zylinder | V8 | 6/Boxer |
Hubraum | 3.982 cm³ | 3.745 cm³ |
Nennleistung | 430 kW/585 PS | 427 kW/580 PS |
bei Drehzahl | 5.500-6.500 U/min | 6.500 U/min |
Drehmoment | 800 Nm | 750 Nm |
bei Drehzahl | 2.500-5.000 U/min | 2.250-4.500 U/min |
Beschleunigung 0-100 km/h | 3,2 s | 2,8 s |
Höchstgeschwindigkeit | 315 km/h | 320 km/h |
WLTP-Verbrauch | 14,1 l/100 km | 11,1 l/100 km |
Antrieb | vollvariabler Allradantrieb | vollvariabler Allradantrieb |
Getriebe | 9-Stufen-Automatik | 8-Gang-Doppelkupplung |
Länge/Höhe/Breite (mm) | 4.728/1.354/1.984 | 4.535/1.303/1.900 |
Kofferraumvolumen (l) | 321-675 | vorn: 128, umgeklappte Rücksitze: 264 |
Tankinhalt (l) | 70 | 67 |
Gewicht (kg) | 1970 | 1640 |
Betörende Fahrleistungen
Sowohl im Porsche 911 als auch im AMG GT sorgen knapp 600 PS für enorme Fahrleistungen. Das Traktionsniveau ist dank Allradantrieb und 315 Millimeter breiter Hinterräder (AMG: 305 mm) gigantisch. Aus dem Stand schafft es der Porsche in nur 2,8 Sekunden auf Tempo 100. Der 330 Kilogramm schwerere AMG braucht für die gleiche Übung 0,4 Sekunden länger, dürfte an den allermeisten Ampeln aber dennoch der schnellste sein. Mit Höchstgeschwindigkeiten jenseits von 300 km/h sind die beiden Stürmer auch auf der Autobahn Könige. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass der Porsche mit 320 km/h in der Theorie pro Stunde nochmal fünf Kilometer weiter kommt.
Die Sprit-Verbrauchswerte der Hersteller sind die üblichen Prüfstandsangaben und dürften in der Realität nur mit sensibelsten Gasfüßen erreicht werden. Mercedes-AMG gibt für den GT 14,1 Liter Super Plus je 100 Kilometer an – Porsche beim Turbo Coupé dagegen 11,1 Liter je 100 Kilometer. Der flachere Aufbau mit der niedrigen Front und das deutlich geringere Gewicht machen den Verbrauchsvorteil glaubwürdig.
Preise in Schwindelregionen
Während die allermeisten Alltagsautos in den vergangenen Jahren stets Stück für Stück teurer wurden, hat sich auch die Sportwagenfraktion dem Trend angepasst. Dabei gehören das Mercedes-AMG GT 63 4-Matic+ Coupé und der Porsche 911 Turbo fairerweise schon zu absoluten Oberliga der deutschen Highspeed-Zunft. Ob die anvisierten Preise um 200.000 Euro für das AMG-Topmodell gerechtfertigt sind, darf die solvente Klientel selbst entscheiden. Immerhin ist der Affalterbacher V8-Bolide damit noch einen Kleinstwagen günstiger als der mindestens 214.000 Euro teure Porsche 911 Turbo.
Fazit
Mercedes-AMG legt das GT Coupé neu auf und bietet damit eine spannende Antithese zum 911er-Konzept von Porsche. In der gleichen Leistungsklasse wie der 911 Turbo rangiert das 585 PS starke Topmodell GT 63 4-Matic+, besitzt durch den V8 unter der Fronthaube allerdings einen gänzlich anderen Charakter. Bei Preisen von mindestens 200.000 Euro bleibt diese Entscheidung der zahlungskräftigsten Kundschaft vorbehalten.