Mit dem Jesko will Koenigsegg Rekord brechen. Und zwar nicht nur, wie bisher, geradeaus, sondern auch auf Rennstrecken. Der Auftakt war vielversprechend: In seiner Attack-Version ist das schwedische Hypercar neuerdings das schnellste homologierte Serienauto in Laguna Seca. Koenigsegg-Entwicklungsfahrer Markus Lundh umrundete die legendäre 3,6 Kilometer lange kalifornische Piste in einer Zeit von 1:24,86 Minuten. Aufgezeichnet wurde die Rekordfahrt von den Zeitmessungs-Spezialisten der Firma Racelogic und auf Video; den wilden Ritt zeigen wir oberhalb des Artikels.
Um einzuordnen, wie schnell die skandinavische Kombination unterwegs war, hier ein Blick auf den bisherigen Rekord. Der wurde erst kürzlich aufgestellt: Der Lokalmatador Czinger 21C erreichte mit dem Fahrer Joel Miller eine GPS-verifizierte Zeit von 1:25:44 Minuten. Zuvor lag die Bestmarke bei 1:27,62 Minuten, gefahren von Randy Probst in einem McLaren Senna. Auch der Porsche Taycan taucht in der Bestenliste von Laguna Seca auf: Als Turbo GT mit Weissach-Paket ist er mit einer Zeit von 1:27,87 Minuten das schnellste elektrische Serienauto auf dem Traditionskurs.
Produktionsstart im Frühjahr 2022
Im Frühjahr 2022 kam das neue Koenigsegg-Modell auf den Markt. Mehrere Monate zuvor hatten die Schweden das erste Vorserien-Modell mit der Seriennummer 1/125 fertiggestellt (siehe Fotoshow oben). Dessen Lackierung – Orange-Perleffekt mit Akzenten in Silber und Kohlefaser – war kein Zufall: In diesem Outfit ist uns der Ex-Rekordhalter CCR in Erinnerung geblieben. Innen greift der Jesko Nr. 1, der zur auf maximalen Abtrieb optimierten Charge mit großem Heckflügel gehört, das Farbenspiel auf. Diese Version, die auch den Laguna-Seca-Rekord eroberte, trägt den Beinamen "Attack".
Der Koenigsegg Jesko debütierte bereits Anfang 2019 auf dem Genfer Autosalon. Etwa ein Jahr später stellten die Schweden mit dem weitgehend flügellosen Jesko Absolut die Highspeed-Version des Hypercars vor. Diese soll irgendwann die 300-mph-Schallmauer (482,8 km/h) hinter sich lassen. Und zwar so weit, dass der Jesko am Ende sogar die 500 km/h-Marke übertrifft. In Simulationen habe das schon geklappt, beteuert Koenigsegg.
1.622 PS im E85-Bioethanol-Modus
Für den Jesko hat Koenigsegg seinen Fünf-Liter-Twin-Turbo-V8 weiterentwickelt. Der Flatplane-Motor verfügt nun über eine um 180 Grad gekröpfte, nur 12,5 Kilogramm schwere Kurbelwelle, die den Motor vor allem drehfreudiger machen soll. Das Drehzahl-Limit soll nun oberhalb von 8.500 Touren liegen. Der Tendenz von Flatplane-Motoren zu stärkeren Vibrationen wirkt Koenigsegg mit aktiven Motorlagern entgegen. Neu konstruierte Pleuel und Kolben runden die innermotorischen Maßnahmen ab.
Außerdem saugt der Koenigsegg Jesko die Luft effizienter an, kontrolliert die Drücke präziser, indem jeder einzelne Zylinder von Sensoren überwacht wird, und erhält neue Turbolader. Die sind nicht nur größer, sondern arbeiten auch mit einem neuen, hauseigenen und patentierten Luft-Einspritz-System. Das besteht aus einem kleinen Kompressor samt Karbon-Lufttank, der innerhalb des Lader-Systems sitzt und 20 bar starke "Luftschüsse" verteilt, wenn die entsprechende Leistung abgefragt wird. Das spannt die Turbos vor und führt zu einem verzögerungslosen Ansprechen.
Und wofür das Ganze? Nun ja, die 1.298 PS im Betrieb mit normalem Benzin wäre schon ein stichhaltiges Argument für den großen Aufwand. Aber die 1.622 PS, die der Koenigsegg Jesko mit E85-Bioethanol liefert, dürften diesen endgültig rechtfertigen. Als maximales Drehmoment geben die Schweden 1.500 Newtonmeter bei 5.100 Umdrehungen an; mehr als 1.000 davon liegen im gesamten Bereich zwischen 2.700 und 6.170 Kurbelwellenrotationen an.
Getriebe-Hightech, vom Fahrrad inspiriert
Doch beim Motor endet das Hightech-Feuerwerk des Jesko noch lange nicht. Auch das Getriebe wartet mit einigen Besonderheiten auf. Nicht nur, dass es mit 90 Kilogramm Gewicht sehr leicht geraten ist. Es verzichtet auch auf klassische Synchronringe und hat nicht nur zwei, sondern sechs Kupplungen. Das soll den entscheidenden Vorteil bringen, bei hohem Tempo nicht erst durch alle Gänge schalten zu müssen, wenn zusätzliche Beschleunigung benötigt wird.
Während ein klassisches Doppelkupplungsgetriebe beim Zurückschalten vom – beispielsweise – siebten in den vierten Gang auch in die sechste und fünfte Fahrstufe wechseln muss, weil die Elektronik immer nur den nächsten Gang vorwählt, kann der Koenigsegg sie einfach überspringen. Das funktioniert ein bisschen wie die Ritzel beim Fahrrad: Der Jesko kombiniert quasi ein Zweier- mit einem Dreier-Ritzelpaket und kann daraus jederzeit jede Kombination wählen, ohne irgendeine Art von Synchronisierung berücksichtigen zu müssen. Macht mathematisch: 3² = 9 Gänge. Dafür muss der Fahrer lediglich eine Taste am Wählhebel verstellen und länger am Schaltpaddel ziehen; der Jesko wechselt dann automatisch in den Gang, der die beste Beschleunigung verspricht.
Fahrwerk nach Formel-1-Vorbild
Das Fahrwerk arbeitet mit verlängerten und verbesserten Doppel-Querlenkern nach Formel-1-Vorbild. Die komplett einstellbaren Stoßdämpfer liefert Öhlins. Und zwar drei pro Rad für sowohl die Vorder- als auch die Hinterachse, wobei zwei vertikal und einer horizontal angeordnet sind. Das soll sowohl den Abstand zum Asphalt als auch das Griplevel jederzeit auf perfektem Niveau halten. Neu ist, dass die Hinterräder mitlenken, und zwar in einem Winkel von bis zu drei Grad. Apropos Räder: Die wachsen im Vergleich zum Agera RS und haben nun die Dimensionen 9,5x20 (vorne) und 12x21 Zoll (hinten). Serienmäßig rollt der Jesko auf Michelin Pilot Sport Cup 2-Reifen. Deren noch extremere R-Variante ist optional erhältlich.
So rasant wie Daten und Fahrleistungen sollen künftig übrigens auch Updates aufgespielt werden. Dafür haben die Schweden eine neue Software-Lösung entwickelt, die Over-The-Air-Updates (OTA-Updates) laut eigener Aussage noch schneller und nahtloser als bisher ins Auto bringt.
OTA-Updates über neue Software
Das System IFOTA hält Autos bei Steuerelektronik und Infotainment auf dem aktuellen Stand, indem Updates zunächst auf einen virtuellen Zwischenspeicher gelegt werden. Sind alle Daten heruntergeladen, kann quasi in Echtzeit zwischen den Versionen hin- und hergesprungen werden. Den Start dieser Technologie kündigen die Schweden für Ende 2021 zwar zunächst im Regera-Programm an, doch auch der Jesko wird damit ausgestattet. Auch die Bestandsfahrzeuge sollen von der neuen Software profitieren.
Laut Hersteller erhält der 1.420 Kilogramm schwere Jesko das aggressivste Aerodynamik-Paket aller bisherigen Koenigsegg-Modelle; im Vergleich zum Agera RS soll der maximale Anpressdruck um 40 Prozent höher liegen. Zentraler Bestandteil des Luftleit-Konzepts ist bei der Attack-Variante der Heckflügel, dessen charakteristisches Design von den beiden aus der Karosserie wachsenden Haltestegen und dem doppelten Profil bestimmt wird. Der Frontsplitter arbeitet mit beweglichen Klappen, die Außenspiegel sind ebenfalls dazu da, die Luft an die richtigen Stellen zu leiten. Allein sie sollen bis zu 20 Kilogramm Anpressdruck produzieren – von insgesamt 1.000, die der Jesko bei 275 km/h produziert.
Innen mit verbessertem Komfort
Wie jeder Koenigsegg baut auch der Jesko auf einem Kohlefaser-Monocoque-Chassis auf, das im Vergleich zum Agera RS aber 40 Millimeter länger und 22 Millimeter breiter geworden ist. Das soll mehr Platz für die Insassen schaffen. Auch der Komfort soll sich verbessert haben. Zum Beispiel durch neu entwickelte Türen, die einen größeren Einstiegswinkel freigeben. Oder durch induktive Lademöglichkeiten fürs Handy. Oder durch die Einparkhilfe per "Bird’s Eye View"-Monitor. Und so weiter. Das Infotainment-System besteht aus einem zentralen Neun-Zoll-Touchscreen und einem fünf Zoll großen, digitalen Instrumenten-Monitor hinter dem Lenkrad. Das wiederum ist mit kleinen Touchscreens samt haptischem Feedback ausgerüstet, über das Telefon-, Audio- oder andere Funktionen gesteuert werden können.
Keine Frage: Der Vater von Christian von Koenigsegg, Gründer und Chef des Sportwagenherstellers, wäre stolz auf das, was sein Sohn samt Team da auf die Straße bringt. Zumal das Auto nach ihm benannt ist. Diese Geste war übrigens eine Überraschung, Jesko von Koenigsegg wusste bis zur Enthüllung in Genf nichts davon. Christian hat sogar falsche Pressemeldungen verschickt; bis zuletzt war noch der Name Ragnarok im Gespräch.
125 Exemplare für 2,5 bis 3 Millionen Euro netto
Die 125 Exemplare des in Deutschland fast 2,8 Millionen Euro teuren Sportwagens sind allesamt schon vergriffen. Bereits vor der Premiere auf dem Genfer Autosalon 2019 wurden 83 Modelle verkauft, der Rest innerhalb von fünf Tagen nach der Präsentation. Die Käuferinnen und Käufer müssen sich jedoch meist in Geduld üben, denn pro Woche entsteht nur ein Modell. Darunter auch die ziemlich rote Cherry Red Edition, die ein neu gegründetes Online-Portal, auf dem Luxusautos gehandelt werden, in Schweden bestellt hat.
Fazit
Mit Hightech zu Geschwindigkeits- und Runden-Bestmarken: Es ist schon enorm, welchen Aufwand Koenigsegg betreibt, um einen echten Rekordbrecher auf die Räder zu stellen. Aber nicht nur technisch, auch optisch und akustisch setzt der Jesko sowohl in der Attack- als auch in der Absolut-Variante neue Akzente und sticht aus der Hypercar-Masse heraus.