Lamborghini hat 2023 mit dem Revuelto begonnen, seine Modellpalette zu elektrifizieren. Der Urus SE kam im April 2024 dazu und der dritte Meilenstein der "Direzione Car Tauri" ist der Huracan-Nachfolger Temerario, der unter dem Werkscode 634 entwickelt wurde und im August 2024 in Pebble Beach Weltpremiere feiert.
Temerario ist kein Stier
Der Name des Huracán-Nachfolgers war bereits lange vor der Premiere durchgesickert. Eine vom italienischen Sportwagenbauer eingetragene Modellbezeichnung brachte hier vor einigen Monaten Licht ins Dunkel.
Lamborghini hat sich beim Europäischen Patentamt die Wortmarke "Temerario" schützen lassen. Zur Markenphilosophie passt auch die grafische Umsetzung mit den kleinen Hörnern auf dem T und dem O. Diese gab es auch schon am neuen Countach zu sehen. Ein Bezug zu einem legendären Stier besteht nicht; übersetzt aus dem Italienischen heißt "temerario" so viel wie "rücksichtslos".
Alu-Skelett mit mehr Platz
Das Rückgrat des Lamborghini Temerario bildet abermals ein Space-Frame aus Aluminium. Der wurde aber leichter und deutlich steifer als der Unterbau im Huracan. Zudem bietet er im Innenraum spürbar mehr Platz. Lamborghini sieht den Temerario entsprechend als Supersportwagen, der über ein enormes Potenzial für den Rundstreckeneinsatz verfügt, gleichzeitig aber mehr Platz für Passagiere und Gepäck bietet – zumindest gemessen an den direkten Wettbewerbern. Im 112 Liter großen Stauraum unter der vorderen Haube finden zwei klassische Trolleys Platz, neu ist die Möglichkeit auch hinter den zwei Sitzen Gepäck zu verstauen. Die Schalensitze sollen auch Zwei-Meter-Piloten (auch mit Helm) klaglos aufnehmen können.
Neues Hybrid-V8-Antriebskonzept
Kunden werden die Reisequalitäten des Temerario bestimmt schätzen, ihn aber nicht deswegen kaufen. Hier dürfte der komplett neue Antriebsstrang eine entscheidendere Rolle spielen – einem extrem hochdrehenden Biturbo-Verbrennungsmotorkonzept in Kombination mit drei Elektromotoren sowie einer Gesamtleistung von 920 PS. Der komplett neu bei Lamborghini entwickelte V8 mit vier Liter Hubraum, 90 Grad Bankwinkel, flacher Kurbelwelle und zwei großen Abgasturbinen mit bis zu 2,5 bar Ladedruck im heißen "V" darf bis zu 10.000 Touren drehen und stellt bereits allein 800 PS bereit. Das maximale Drehmoment des Verbrenners wird mit 730 Nm angegeben. Für das Gesamtsystem macht Lamborghini keine Angaben. Zusätzlichen Schub direkt auf die Kurbelwelle liefert ein Axialfluss-Elektromotor, der zwischen dem neuen Achtgang-Doppelkupplungsgetriebe und dem V8 sitzt, das Turboloch zuschaufeln soll und zusätzlich als Anlasser und Generator dient. Die neue Schaltbox wird per Paddels am Lenkrad gesteuert, ein langer achter Gang senkt die Drehzahl und damit den Verbrauch bei Reisegeschwindigkeit.
Zum Allradler machen den Temerario zwei zusätzliche Axialfluss-E-Maschinen an den Vorderrädern, die sich allerdings nur bei Bedarf zuschalten. Jede der drei E-Maschinen leistet 110 kW und 300 Nm. Da das Getriebe hinten an den V8 angeflanscht wird, nimmt den frei gewordenen Raum im Mitteltunnel die 3,8 kWh große, in das 400-Volt-System eigebettete Lithium-Ionen-Batterie ein. Geladen wird der Energiespeicher regenerativ beim Bremsen, direkt durch den V8 in sechs Minuten oder extern mit einer Ladeleistung von bis zu 7 kW in 30 Minuten. Wer ausreichend Zeit hat, kann seinen Lambo auch an die Haushaltssteckdose anstöpseln. Mit der elektrischen Vorderachse kann der Temerario sogar rein elektrisch fahren. Wie weit, verrät Lamborghini allerdings nicht.
Umgesetzt in fahrdynamische Werte bedeutet diese Motorleistung für den trocken 1.690 Kilogramm schweren Lambo 343 km/h Top-Speed, eine Spurtzeit von null auf 100 km/h in 2,7 Sekunden und 200 km/h werden in 7,3 Sekunden erreicht. Den passenden Sound liefert für die Umwelt eine maßgeschneiderte Abgasanlage mit Klappensteuerung und ein kombinierter Soundcomposer für den Innenraum. Für die unterschiedlichen Fahrdynamikmodi Città, Strada, Sport, Corsa und Corsa Plus hat Lamborghini zudem eine völlig unterschiedliche Klangwelt entworfen. Das Fahrdynamiksystem setzt auf Torque Vectoring und erhöht die Agilität des Fahrzeugs in engen Kurven sowie seine Stabilität bei schnellen Kurvenfahrten. Zusätzlich lässt sich der Hybridantrieb in drei Modi voreinstellen: Recharge, Hybrid und Performance, wobei Hybrid auch den rein elektrischen Betrieb zulässt und Recharge die Verbrennerpower auf 725 PS limitiert. Neu ist auch der Driftmodus, der sich in drei Stufen vom Lenkrad aus einstellen lässt.
Bremspower liefert eine serienmäßige Carbon-Keramikbremsanlage mit Zehnkolbenzangen und 410er-Scheiben vorn und Vierkolbenzangen und 390er-Discs an der Hinterachse.
Den unverkennbaren Klang hatte Lamborghini bereits vorab in einem Teaservideo, in dem erst die Motoren des Gallardo und Huracan und am Ende kurz der neue Temerario-Antrieb zu hören sind, angedeutet. Im Vergleich zu den alten V10-Saugern verzichtet der neue V8-Biturbo-Hybrid unverkennbar auf heiseres Geschrei und erreicht eine deutlich dezentere Lautstärke. Stattdessen klingt er bei hoher Drehzahl fast schon futuristisch, feuert beim Zurückschalten im Halbgas, beim Abtouren und im Leerlauf aber dennoch ein beherztes Kampfstier-Schnauben aus den Auspuffrohren. Im Video dreht der Motor übrigens über die 10.000/min-Marke hinaus.
Temerario zeigt weiter klare Kante
Anders als beim Antrieb, der sich radikal vom Huracan unterscheidet, darf sich das von Mitja Bokert stammende Design des Temerario durchaus als Weiterentwicklung gelten. Es bleibt bei klaren und puristischen Linien, kurzen, knackigen Überhängen an beiden Karosserieenden sowie dem immer wiederkehrenden Hexagon-Konzept. Das startet mit den sechseckigen LED-Tagfahrleuchten an der Front und endet im sechseckigen, hochgelegten, zentralen Auspuffendrohr. In die Tagfahrleuchten integriert wurden Radarsensoren sowie Belüftungskanäle für die E-Motoren und Bremsen an der Vorderachse. In die spitze Haifischnase integriert werden die nun extrem flachen LED-Scheinwerfer von der Fronthaube leicht überdeckt. Den unteren Abschluss markiert eine Spoilerlippe.
Große Lufteinlässe vor den Hinterrädern und oberhalb der Gürtellinie prägen die Flanken des Temerario. Vorn drehen sich 20 Zoll große Räder, hinten setzt der Temerario auf 21 Zöller. Drei Felgendesigns – eines davon aus Carbon – stehen zur Wahl. Am Heck nehmen die LED-Rückleuchten die sechseckige Form des hoch platzierten Auspuffschlunds flankierend auf. Darüber begrenzt ein feststehender Bürzelspoiler die Karosserielinie. Das Untergeschoss beherrscht ein mächtiger Diffusor mit großen Finnen. An den Flanken zeigt sich die Schürze aber großzügig ausgeschnitten, so dass Temerario-Verfolger sich ein Bild des Reifenprofils am Supersportler machen können. Die Motorabdeckung zeigt sich üppig perforiert, um dem V8 ausreichend Kühlluft zuzuführen. Der abgesenkte Mittelteil beschert der Kabine eine kleine, senkrecht stehende Heckscheibe. Insgesamt soll die Formgebung den Gesamtabtrieb um 103 Prozent gegenüber dem Huracan Evo erhöhen.
Innenraumkonzept wie im Revuelto
Die Cockpitgestaltung des Temerario lehnt sich ganz eng an der des Revuelto an. Das unten abgeflachte Sportlenkrad zeigt sich üppig mit Bedienelementen bestückt. Unter anderem sitzen hier die Drehknöpfe für die diversen Fahrmodi, die Blinkertaster, die Rennstarttaste und die Taste für die Liftfunktion an der Vorderachse. Vor dem Lenkrad bündelt ein 12,3 Zoll großes Display alle relevanten Fahrdaten, die auf einem 9,1 Zoll großen Display vor dem Beifahrer gespiegelt werden. Infotainment und Navigation werden über den 8,4 Zoll großen Touchscreen oben in der Armaturentafel bedient – oder per Sprachsteuerung. Navigiert wird in Echtzeit, Smartphones werden drahtlos per Android Auto und Apple CarPlay eingebunden. Darüber hinaus erhebt die Bordelektronik Telemetriedaten und zeichnet mit drei Dashcams Fahrerlebnisse auf. Zur Steuerung zahlreicher Funktionen und Auswertung verschiedener Daten steht zudem eine App bereit. Ansonsten wird der Innenraum wie im Revuelto von Elementen im Hexagonal-Zuschnitt sowie edelsten Oberflächenmaterialien gekennzeichnet.
Gleich ab Marktstart wird für den Temerario auch ein Alleggerita getauftes Leichtbaupaket verfügbar sein, das mit zahlreichen Carbonbauteilen, Titanschalldämpfer, Leichtbauscheiben und Carbon-Felgen das Gewicht um rund 25 Kilogramm senken sowie den Abtrieb nochmals deutlich erhöhen soll. Neu mit dem Temerario kommen auch die Sonderfarben Blu Marinus (Blau) und Verde Mercurius (Grün).
Marktstart und Preise
Wann der neue Temerario zu den ersten Kunden rollt, lässt Lamborghini bei der Premiere noch offen. Auch das Thema Preise wird noch nicht kommuniziert.