Zwei Hybrid-Konzepte hat AMG bereits seit einiger Zeit im Portfolio, jetzt kommt ein drittes hinzu, das gleichzeitig aber das erste ist, das sich explizit auch so verkauft. In anderen Worten: Es schreit nach einer einleitenden Abgrenzung.
An der Spitze der Nahrungskette stehen die E-Performance-Modelle der 63er-Reihe. Sie docken aufgeladene Verbrenner mit vier oder acht Zylindern an ein kompaktes E-Modul, das reinelektrischen Betrieb zwar ermöglicht, aber primär die Power anfetten soll. Ihnen gegenüber: Modellkennziffer 53 – die milden Vertreter ihrer Zunft, sowohl was die Ausprägung der AMG-Komponente angeht als auch den Elektro-Proporz. 17 kW und 205 Nm werden per integriertem Startergenerator eingespeist, die aber lediglich als Unterstützung eines Reihensechszylinders fungieren.
100 km E-Reichweite
Der neue, versalgedruckte HYBRID koppelt eben jenes Dreiliter-Turboaggregat nun an ein großes E-Paket, um – ebenfalls unter der Bezeichnung 53 – zunächst in GLE und E-Klasse einzuziehen. Eckdaten: 28,6 kWh fasst die Hybrid-Batterie im Falle des E 53 – viereinhalbmal so viel wie jene der E-Performer. Gut ein Viertel der Bruttokapazität wird für Boost-Aufgaben zurückgehalten, 21,2 kWh stehen netto, also für vollelektrisches Fahren zur Verfügung. Das System ist in der Lage mit bis zu 120 kW zu rekuperieren; die optionale DC-Schnellladefunktion boostet den Speicherstand im Optimalfall binnen 20 Minuten von 10 auf 80 Prozent; die E-Reichweite liegt bei roundabout 100 Kilometern, was für die meisten Pendler-Szenarien genügen dürfte. Kurzum: HYBRID darf mit Fug und Recht großgeschrieben sein, allerdings sind die Buchstaben A,M und G eben auch mit von der Partie – und keineswegs als Fußnote.
Das Problem in dieser Beziehung ist ein grundsätzliches: Elektrischer Aktionsradius und Gewicht wachsen parallel und gehen damit auf Konfrontationskurs mit der Sportlichkeit. In den E-Perfomance-Modellen entfallen knapp 200 Kilo auf E-Maschine, Batterie und Peripherie, der E 53 Hybr…, Pardon, HYBRID bekommt grob das Doppelte zugeladen! Zwar beinhalten diese 400 Kilo auch erweiterte Serienausstattungsumfänge, doch wie sagt man so schön: Die machen den Kohl nicht fett.
Als Gegenmittel dient das Altbewährte: Leistung. Den Großteil, nämlich 449 PS, haut der Benziner in die Waagschale, dessen Lader gegenüber der Vorgängergeneration des E 53 nun mit 1,5 statt mit 1,1 bar anbläst, damit maximal 560 Nm in ein Neunstufenautomatikgetriebe pumpt. Ebenda sitzt die E-Maschine, die ihrerseits bis zu 120 kW sowie 480 Nm nachschießen kann. Mit Systemwerten von 585 PS und 750 Nm erreicht das Duett (bis auf 50 Nm) das Niveau des V8-befeuerten GT 63 S Coupé, also durchaus AMG-Format, dessen Wahrnehmung aber wiederum stark vom Format des Modells abhängt.
Über die Fahrfertigkeiten des GLE dürfen wir aktuell noch nicht en detail berichten, sonst gibt’s Stress mit der Pressestelle. Es ist aber bestimmt nicht zu viel verraten, dass die E-Klasse im direkten Vergleich eine schmissigere, leichtfüßigere Figur abgibt – trotz knapp 2,4 Tonnen Leergewicht.
Samtig-satter Fahrbahnkontakt
Der dynamische Soforteindruck kommt nicht von ungefähr: Die Domstrebe, ein Schubfeld unterhalb des Verbrennungsmotors, der versteifte Hinterwagen sowie ein schärferes Setup des Stahlfederfahrwerks mit breiterer Vorderachsspur und rundum verfestigter Elastokinematik erhöhen die Spannkraft in den Bewegungsabläufen, ohne damit den Komfort zu killen; die adaptive Dämpfung verbreitet diesen samtig-satten Fahrbahnkontakt, wie er für die 53er typisch ist; die serienmäßige Hinterachslenkung scheint in winkligen Passagen den an sich so stattlichen Radstand zu halbieren, während der ebenso obligatorische Allradantrieb den Input der zwei Herzen stets so verdrahtet, dass man eher ein Drücken im Hintern registriert als ein Gefühl von Behäbigkeit.
Als Star erweist sich aber das Hybrid-System an sich. Die amtlichen Fahrleistungen, für die der E-Motor im Launch-Modus nochmal 20 Extra-kW freisetzt, sind dabei nur das eine, das andere – das Famose – ist das piekfeine Zusammenspiel aller Beteiligten. Ganz gleich, ob es um Details wie das automatische Anpassen des Rekuperationsmoments an Tempolimits und Vorausfahrende geht oder um rabiates Lastgewechsel auf der Landstraße – Aktion, Reaktion UND Antizipation passen auf Punkt, die Antriebchoreografie geht butterweich, falten- und vor allem völlig verzögerungsfrei vonstatten.
Im Gegensatz zum milden 53er, der die Trägheit des üppig dimensionierten Turboladers mit dem Elektro-Stupser aus dem Generator nie gänzlich überbrückt bekommt, wird der fulminant elektromotorisierte 53 HYBRID praktisch im Moment der Fußbewegung von einem superhomogenen Drehmomentfluss erfasst. Je nach Modus und Gaseinsatz strömt man dann entweder mühelos dahin, sturmflutet mit vereinten Kräften von Dannen oder gleitet emissionsfrei bis auf 140 km/h. Applaus!
Exterieur und Design
Abseits der bereits genannten Punkte unterscheidet sich die AMG-Version auch standardmäßig an einigen Stellen vom zivilen Business-Bruder. Obligatorisch ist der Kühlergrill mit seinen vertikalen Streben, hier allerdings zusätzlich beleuchtet. Pro Seite geraten die vorderen Kotflügel zudem 11 Millimeter breiter, um Platz für größere Räder zu bieten. Überhaupt erhält die gesamte Frontschürze einen eigenen Design-Schliff mit ausladenden Lufteinlässen. Das seitliche Profil charakterisieren AMG-Schwellerverkleidungen.
Am Heck identifizieren die beiden Doppelrohr-Blenden und der AMG-Diffusor den E 53 unmissverständlich als Performance-Vehikel. Die Spoilerlippe (optional in Carbon) und der rot unterlegte Modell-Schriftzug tun ihr Übriges. Letzterer ist zusammen mit dem Stern-Logo und weiteren Exterieur-Akzenten auch in "Dark Chrome" erhältlich. Selbst die Zierelemente der Türgriffe gibt es nun in jenem dunklen Ton. Das war bisher nicht der Fall.
Interieur
Im Cockpit erwartet die neuste MBUX-Generation ihre Befehle von Fahrer oder Beifahrer. Das Infotainmentsystem streckt sich optional als "Superscreen" über den gesamten Armaturenträger und beinhaltet in diesem Fall zusätzlich ein eigenes Beifahrer-Display. AMG-spezifische Anzeigen und Menüs verstehen sich von selbst. Wer das AMG Dynamic-Plus-Paket bucht, erhält etwa eine Race-Start-Funktion für die optimale Beschleunigung aus dem Stand. Weiterhin gibt es optional die Anwendung AMG Track Pace zur Analyse Rennstrecken-relevanter Telemetrie-Daten.
Serienmäßig verbaut AMG als Dekor ein offenporiges Holzfurnier in Esche grau, wahlweise gibt es selbstredend auch Carbon für den Innenraum. Elektrisch einstellbare Sportsitze, bezogen mit Kunstleder, Mikrofaser und roten Ziernähten gehören ebenfalls zum Serienumfang. Wer es verbindlicher mag, greift zum Performance-Gestühl für noch mehr Seitenhalt. Das eigene Lenkrad mit den AMG-Lenkradtasten zur Einstellung verschiedener Fahrdynamik-Parameter gibt es ab Werk.
Antrieb und Fahrleistungen
Den sportlichen Hybridantrieb kennen wir grundsätzlich schon aus dem GLE 53 Hybrid. In der E-Klasse darf die Kombination aus Dreiliter-Sechszylinder-Benziner und elektrischem Asynchronmotor etwas mehr leisten. AMG vermählt 449-Verbrenner-PS und 120 kW E-Power zu einer Systemleistung von 585 PS (430 kW) und einem Gesamt-Drehmoment von 750 Newtonmeter. Im GLE darf die E-Maschine nur 100 kW leisten. Wer das bereits genannte Dynamic Plus Paket an Bord hat, kann über die Launch-Control kurzzeitig sogar 612 PS abrufen. Damit schnellt die Limousine dann in 3,8 Sekunden auf 100 km/h (T-Modell: 3,9 Sekunden). Ohne diesen Zusatz bleibt es bei 4,0 Sekunden, beziehungsweise 4,1 Sekunden für den Kombi. Maximal sind mit der Vmax-Aufhebung via AMG Driver's Package 280 km/h drin (T-Modell: 275 km/h). Serie sind 250 km/h Höchstgeschwindigkeit.
Für das grüne Gewissen hält der Hybridantrieb auch ein ökologisches Feigenblatt bereit. Vielleicht sogar etwas mehr als das. Bis zu 100 Kilometer schafft die Sport-E-Klasse nach WLTP rein elektrisch. Die Energie dafür kommt aus einem 21,22-kWh-Akku (netto), der optional mit maximal 60 kW am DC-Schnelllader Energie fasst (Serie: 11 kW AC-Onboard-Charger). Bis zu 140 km/h fährt der Hybrid elektrisch. Die Rekuperationsleistung lässt sich in drei Stufen bis hin zum One-Pedal-Driving regulieren.
Fahrwerk und Fahrdynamik
Wer ins Steuer eines so potenten Autos greift, sollte wissen, was er tut. Mercedes-AMG überlässt daher lieber nichts dem Zufall und packt jede Menge System-Unterstützung unter die muskulöse Karosse. Automatisch an Bord ist die aktive Hinterachslenkung mit einer Spurwinkeländerung von bis zu 2,5 Grad. Je nach Tempo gegen oder mit Einschlagrichtung der Vorderräder für wahlweise mehr Agilität (unter 100 km/h) oder mehr Stabilität (über 100 km/h). Unterdessen verteilt der 4Matic-Allradantrieb die Kräfte variabel zwischen Vorder- und Hinterachse.
Im Vergleich zur Mercedes E-Klasse erhält das AMG-Modell einen verstärkten Rohbau mit zusätzlichen Versteifungen; etwa einer Domstrebe zwischen den Federbeinen und weiteren Streben an der Hinterachse. Der Hinterachsträger erhält ebenfalls eine gesonderte AMG-Behandlung für eine direktere Anbindung der Fahrwerkselemente. Die adaptive Verstelldämpfung kombinieren die Affalterbacher mit einem nachgeschärften Feder-Dämpfer-Setup. Einhalt gebietet Hochleistungs-Bremsanlage mit elektromechanischem Bremskraftverstärker.
Eine Hochleistungs-Bremse mit größeren Scheiben und roten Sätteln ist Bestandteil des Dynamic-Plus-Pakets. Gleiches gilt für das elektronisch gesteuerte Hinterachs-Sperrdifferenzial und die dynamischen Motorlager für eine sportlichere Anbindung des Triebwerks an die Karosserie.
Sondermodell "Edition 1"
Nur im ersten Baujahr bietet Mercedes-AMG den neuen E 53 als "Edition 1" an. Die Sondermodelle tragen eine der beiden Manufaktur-Farben "Alpingrau Uni" oder "Opalithweiß Magno" und erhalten folierte schwarze Zierstreifen. Sie rollen auf matt lackierten 21-Zoll-AMG-Schmiederädern im Kreuzspeichen-Design mit glanzgedrehten Felgenhörnern und Edition-Plaketten als Radnabenkappen. Hinzu kommen schwarze Bremssättel, die zu den zahlreichen dunklen Akzenten der beiden Night-Pakete passen, die stets aufpreisfrei an Bord sind.
Innen kontrastieren die Farben Schwarz und Gelb um die Wette. Die AMG-Performance-Sitze tragen schwarzes Nappaleder mit gelben Ziernähten und "Edition 1"-Schriftzug in den vorderen Kopfstützen. Hinzu kommen gelbe Sicherheitsgurte und ein gelber Faden in den Carbon-Zierelementen. Das AMG-Performance-Lenkrad mit Nappaleder/Mikrofaser-Überzug greift das Farbschema ebenso auf wie die Fußmatten und die Einstiegsleisten mit gelb beleuchtetem "AMG"-Schriftzug. Eine Edition-1-Gravur in der Mittelkonsole und der MBUX-Superscreen mit Beifahrerbildschirm sind ebenfalls an Bord. Eine eigens designte, atmungsaktive und reißfeste Abdeckplane gehört ebenfalls zur Serienausstattung.
Marktstart und Preise
Inzwischen ist der Mercedes-AMG E 53 Hybrid 4Matic+ als Limousine und T-Modell bestellbar. Die Preise für die Limousine beginnen bei 109.242 Euro, für das T-Modell werden mindestens 111.741 Euro fällig. Als "Edition 1" kosten beide Modellversionen jeweils 27.370 Euro mehr. Das Dynamic-Plus-Paket, das im Einführungs-Sondermodell ebenfalls serienmäßig an Bord ist, kostet sonst 3.748,50 Euro extra. Die ersten Auslieferungen sind für den Spätsommer geplant.