Mehr als sieben Jahre lang lief der AMG GT als Nachfolger des legendären SLS in Sindelfingen vom Band. Ende 2021 war Schluss mit der Produktion. Erst jetzt präsentieren die Affalterbacher den Nachfolger. Der steht auf Basis des SL, darf den aufgeladenen Vierliter-V8 behalten und ist jetzt sogar als 2x2-Sitzer ausgelegt. Doch das sind längst nicht alle Neuheiten des bis zu 585 PS starken Boliden.
Sitzprobe im AMG GT
Edle Autos, edle Location: Die Weltpremiere des Mercedes-AMG GT fand am Rande des berühmten Concours d‘ Elegance im kalifornischen Pebble Beach statt – dort, wo besonders reiche Menschen auf besonders teure Autos treffen. Die perfekte Wahl, um das Nachfolgemodell des von 2014 bis 2021 gebauten GT ins öffentliche Rampenlicht zu rücken – jetzt auf der gleichen Plattform wie der SL Roadster. Obwohl die Designer dem Vorgänger so nah wie möglich bleiben wollten, haben sich durch die neue Basis doch die Proportionen verschoben: Die Kabine ist nun deutlich größer und macht aus dem einstigen Zweisitzer nun einen 2+2-Sitzer. Wer in Reihe zwei Platz nehmen möchte, sollte aber nicht größer als 1,50 Meter sein, sonst bleibt man schon beim Entern des Fonds quasi im Türrahmen stecken. Doch für ein Kind, einen Hund und eine Einkaufstüte ist durchaus Platz und die Rücklehne zum Fond ist umklappbar – dann entsteht auch Platz für ein Golfbag.

Chefredakteurin Birgit Priemer durfte vorab im AMG GT Platz nehmen.
Ansonsten herrscht im Innenraum die aus dem SL bekannte Atmosphäre: edle Verarbeitung, aufwendig gesteppte Nähte, Sitze, die einen sportwagentypisch angenehm umschließen und Lüftungsdüsen im Look der Marke Mercedes. Der in Pebble Beach vorgestellte GT ist übrigens der erste Vertreter einer ganzen Reihe von Varianten, die auf dieser Plattform folgen sollen.
Abmessungen und Karosserie
Auf den ersten Blick ist der Unterschied von der zweiten Generation zum Vorgänger nicht gewaltig. Doch der neue AMG GT trägt einen längeren Radstand (2,70 Meter), kürzere Überhänge und eine stärker geneigte Windschutzscheibe. Dazu ist der GT um einiges gewachsen: in der Länge von 4,54 Meter auf 4,73 Meter, in der Breite von 1,94 Meter auf 1,98 Meter. Der Wendekreis beträgt nun allerdings 12,5 Meter.

Bei umgeklappten Rücksitzlehnen wächst das Kofferraumvolumen von 321 Liter auf für einen Sportwagen beachtliche 675 Liter.
Dafür soll es nun im Innenraum mehr Platz und zwei zusätzliche Notsitze wie im SL geben. Auf den hinteren Plätzen finden laut Mercedes-AMG Mitfahrer bis zu einer Körpergröße von etwa 1,50 Metern Platz. Dazu lassen sich die Rücksitzlehnen zu einer Ladefläche unter der großen Heckklappe umklappen. Kofferraumvolumen und Nutzwert wachsen dadurch deutlich.
Neue Antriebsauslegung ohne Transaxle
Nachdem der neue SL bereits seit 2021 auf den Straßen rollt, zeigt sich der AMG GT, der das Typkürzel C 192 tragen wird, erst jetzt. Wie auch der SL wurde das Coupé komplett bei AMG entwickelt und baut ebenfalls auf dem Aluminium-Spaceframe-Chassis auf, das mit einem Materialmix aus Stahl, Magnesium und Faserverbundwerkstoffen verfeinert wird. Die Transaxle-Bauweise des Vorgängers ist passé. Stattdessen trägt der AMG GT Motor und Getriebe vorn. Das schafft Raum für serienmäßigen Allradantrieb, eine Fünflenker-Achse und eine aktive Hinterradlenkung. Das Fahrwerk setzt auf eine konventionelle Stahlfederung in Kombination mit Aktiv-Dämpfern.
Serienmäßig verfügt der neue AMG GT über ein elektronisch gesteuertes Hinterachs-Sperrdifferenzial. Das soll vor allem für bessere Traktion und höhere Fahrsicherheit sorgen. Auch die Kurvengeschwindigkeiten im Grenzbereich können dadurch steigen. Durch die elektronische Auslegung wurde die Fahrstabilität beim Spurwechsel mit hoher Geschwindigkeit optimiert. Das System arbeitet mit einer variablen Sperrwirkung im Zug- und Schubbetrieb und passt sich unterschiedlichen Fahrzuständen und Fahrbahnreibwerten an.
Fahrwerk und Aerodynamik aktiv
Serienmäßig wird im AMG GT Coupé auch die Wankstabilisierung, bei der aktive Hydraulikelemente die herkömmlichen mechanischen Drehstab-Querstabilisatoren ersetzen und Wankbewegungen in Sekundenbruchteilen ausgleichen. Dazu erhalten die adaptiven Stoßdämpfer zusätzlich zwei hydraulische Anschlüsse. Einer davon befindet sich an der Druckseite des Dämpfers, der andere an der Zugseite. Die Verbindung der Dämpferkammern an allen vier Rädern und der Leitungen erfolgt dabei direkt über die Stellventile der adaptiven Dämpfer.
Neu am AMG GT Jahrgang 2023 sind die aktiven Aerodynamik-Elemente, die ebenfalls serienmäßig verbaut werden. Dazu zählt beispielsweise das zweiteilige, aktive Luftregelsystem "Airpanel". Der erste Teil operiert mit senkrechten Lamellen, die sich hinter dem unteren Lufteinlass in der Frontschürze verbergen. Der zweite Teil befindet sich hinter dem oberen Lufteinlass und hat horizontale Lamellen. Normalerweise sind alle Lamellen geschlossen. Diese Stellung reduziert den Luftwiderstand und ermöglicht es, die Luft gezielt in Richtung Unterboden zu lenken. Somit wird der vordere Auftrieb weiter reduziert. Erst wenn bestimmte Temperaturen an vordefinierten Komponenten erreicht sind und der Kühlluftbedarf besonders hoch ist, öffnen die Lamellen (das zweite System erst ab 180 km/h) und lassen maximale Kühlluft zu den Wärmetauschern strömen.

Der Spoiler auf der großen Heckklappe nimmt ab 80 km/h fünf unterschiedliche Winkelstellungen für bessere Aerodynamik ein.
Eine weitere aktive Komponente ist der in den Heckdeckel integrierte, ausfahrbare Heckspoiler. Er verändert seine Stellung je nach Fahrzustand. Der Spoiler nimmt ab 80 km/h fünf unterschiedliche Winkelstellungen ein, um entweder die Fahrstabilität zu optimieren oder den Luftwiderstand zu verringern. Auch das aktive Aerodynamik-Element am Unterboden vor dem Motor ist variabel. Dieses rund zwei Kilogramm schwere Carbon-Profil fährt bei einer Geschwindigkeit von 80 km/h automatisch circa 40 Millimeter nach unten aus. Dadurch wird der sogenannte Venturi-Effekt erzeugt, der den Wagen zusätzlich an die Fahrbahn "saugt" und den Auftrieb an der Vorderachse reduziert.
55 4MATIC+ | 63 4MATIC+ | |
Zylinder | V8 | V8 |
Hubraum | 3.982 cm³ | 3.982 cm³ |
Nennleistung | 350kW/476 PS | 430 kW/585 PS |
bei Drehzahl | 5.500-6.500 U/min | 5.500-6.500 U/min |
Drehmoment | 700 Nm | 800 Nm |
bei Drehzahl | 2.250-4.500 U/min | 2.500-5.000 U/min |
Beschleunigung 0-100 km/h | 3,9 s | 3,2 s |
Höchstgeschwindigkeit | 295 km/h | 315 km/h |
WLTP-Verbrauch | 14,1 l/100 km | |
Antrieb | vollvariabler Allradantrieb | |
Länge/Höhe/Breite (mm) | 4.728/1.354/1.984 | |
Kofferraumvolumen (l) | 321-675 | |
Gewicht (kg) | 1970 | |
Tankinhalt (l) | 70 |
V8 ist gesetzt, Vierzylinder kommt auch
Zur Markteinführung startet der neue AMG GT mit zwei Leistungsstufen des Vierliter-V8-Biturbomotors. Die Triebwerke werden in Handarbeit in Affalterbach montiert. Im Topmodell GT 63 4-Matic+ leistet das Triebwerk 585 PS und stellt ein maximales Drehmoment von 800 Nm (von 2.500 bis 4.500/min.) zur Verfügung. Beim Beschleunigen von 0 auf 100 km/h vergehen 3,2 Sekunden, die Höchstgeschwindigkeit beträgt 315 km/h. Im GT 55 4-Matic+ bringt es der V8 auf 476 PS Leistung und 700 Nm maximales Drehmoment. Der Spurt aus dem Stand auf Tempo 100 km/h dauert 3,9 Sekunden, die Höchstgeschwindigkeit wird bei 295 km/h erreicht.

Der bollernde Vierliter-V8 darf im AMG GT weiterleben, bis zu 585 PS leisten und seine Power an alle vier Räder schicken.
Noch nicht zum Marktstart erhältlich ist ein Vierzylinder im AMG GT. Im SL dient der schon als Grundmotorisierung. Im SL 43 arbeitet der M139, der mit zwei Litern Hubraum inklusive Riemen-getriebenem Startergenerator (RSG), 48-Volt-Bordnetz und neuem elektrischen AMG E-Turbo 381 PS zuzüglich 14 Booster-PS bereitstellt. Das maximale Drehmoment liegt bei 480 Nm. Die Schaltarbeit übernimmt jeweils das AMG-eigene Speedshift-Neunstufen-Automatikgetriebe.
Sechs Fahrprogramme und Datenlogger
Serienmäßig stehen beim neuen AMG GT gleich sechs Fahrprogramme zur Verfügung. Das "AMG Dynamic Select umfasst die Einstellungen "Glätte", "Comfort", "Sport", "Sport +", "Individual" und "Race" und soll eine große Spreizung der Fahrzeugcharakteristik von komfortabel bis dynamisch ermöglichen. Extra-Feature: "AMG Dynamics". Diese integrierte Fahrdynamikregelung macht das ESP agiler. Bei dynamischer Kurvenfahrt bewirkt zum Beispiel ein kurzer Bremseneingriff am kurveninneren Hinterrad ein definiertes Giermoment um die Hochachse für spontanes und präzises Einlenken. Dabei reicht die Spanne von extrem stabil bis hin zu hochdynamisch.

Das Cockpit mit dem aufrechten Mittel-Bildschirm kennen wir bereits aus dem SL Roadster.
Auch das sogenannte "AMG Track Pace" ist bei jedem GT Coupé an Bord. Die Software ist Bestandteil des MBUX Infotainmentsystems und erfasst während der Fahrt über eine definierte Strecke mehr als 80 fahrzeugspezifische Daten (zum Beispiel Geschwindigkeit, Beschleunigung, Lenkwinkel, Bremspedalbetätigung). Im Screen "Telemetrie" können 40 Parameter live angezeigt werden, davon bis zu vier gleichzeitig. Hinzu kommen die Anzeige von Runden- und Sektorzeiten im Multimedia-Display, Head-up-Display und im Kombiinstrument sowie zusätzliche Trainings- und Analyse-Tools.
Fahrassistenz und Connectivity
Eine neu animierte Assistenzanzeige macht im AMG GT Coupé eine in Echtzeit erzeugte 3D-Szene samt Auto, Fahrspuren, Spurmarkierungen sowie anderen Verkehrsteilnehmern deutlich. So soll die Funktionsweise aller Fahrassistenzsysteme in einem Augmented-Reality-Fahrerlebnis transparent gemacht werden.
Das Infotainmentsystem MBUX (Mercedes-Benz User Experience) integriert die digitalen Dienste von Mercedes me connect sowie Smartphones via Apple CarPlay und Android Auto. Mit Mercedes me connect lassen sich vor und nach der Fahrt oder von unterwegs weitere Funktionen nutzen. Dank Car-to-X-Kommunikation können sich die AMG Coupés mit anderen Fahrzeugen vernetzen und Verkehrsereignisse voraussehen.
Für 450 Euro zur Sneak Preview
Mercedes konnte mit dem neuen AMG GT schon Geld verdienen, bevor das Auto offiziell auf den Markt kommt. AMG Private Lounge-Mitglieder konnten sich bereits vor der Premiere in Sneak Preview-Events am Standort Affalterbach einkaufen. Für die Tagestermine vom 10. bis zum 13. Juli 2023 wurden pro Kopf 450 Euro Eintritt verlangt. Offizielle Preise für den AMG GT gibt es erst demnächst. Die Preisliste für den Mercedes-AMG SL Roadster beginnt bei 127.000 Euro (SL 43). Das V8-Vergnügen startet erst bei rund 167.000 Euro (SL 55) beziehungsweise 195.000 Euro (SL 63). Das kommende Coupé dürfte kaum günstiger werden.
Fazit
Mercedes präsentiert mit dem neuen AMG GT Coupé den Plattformbruder des SL. Neben dem V8 als Top-Motor wird es an der Basis auch einen potenten Vierzylinder geben. Zum Marktstart tritt der Affalterbacher 2+2-Bolide allerdings nur als V8-Allradler an. Die Preise dürften sich am SL orientieren und bei etwa 170.000 Euro (V8-Modelle) beginnen.