Porsche 911 992.2 GTS: Elektrifizierter Performance-Hybrid im Test

Erster elektrifizierter Porsche 911 (992.2)
Fährt top und klingt klasse

Porsche präsentiert den neuen 911 992.2 GTS: Elektrifizierung trifft auf Performance. Mit 541 PS und 610 Nm Drehmoment überzeugt der Hybrid-Elfer auf der Straße und Rennstrecke.

Es fühlt sich an wie 2007. Steve Jobs steht über eine Stunde auf der Bühne und verkündet reichlich profane Updates aus dem Apple-Kosmos. Doch dann – das Publikum sitzt gedanklich längst in der U-Bahn auf dem Weg nach Hause, heißt es: We got one more thing. Und Boom – iPhone. Weltrevolution.

Während die Tech-Fans von einst längst ein Mobiltelefon von Apple herbeigesehnt hatten, tut sich Porsche deutlich schwerer mit der Erwartungshaltung der Fans. Ein kurzer Blick in einschlägige Foren macht klar, dass eine Elektrifizierung der Ikone 911 vom gesichtslosen Online-Publikum emotional abschlägig beschieden wird. Und so viel darf man an dieser Stelle bereits verraten: sie liegen alle komplett falsch.

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Erster Fahreindruck

Und dann trittst Du einmal aufs Gas und die ganzen Kläffer entschwinden im Rückspiegel. Schneller, als sie gekommen sind. Und sie kamen zahlreich, um zum x-ten Mal den Untergang des 911 zu beklagen. Zu groß, zu schwer, zu technisch. Und überhaupt. Die Antwort gibt der 992.2 GTS selbst. Nullhundert dreinull, Systemleistung 541 PS, Drehmoment 610 Newtonmeter. Plus ein Ansprechverhalten, als ob es der 3,6-Liter jedes Mal geahnt hätte. Nicht so krass wie beim Elektromotor, aber ganz nah dran. Nach 2,5 Sekunden hat er dem Vorgänger schon sieben Meter abgeknöpft. Wenn Sie fragen, wer sowas braucht, können wir an dieser Stelle aufhören. Argumentative Sackgasse. Niemand braucht einen 911. Niemand brauchte jemals einen. Aber schön, wenn man einen hat. Für viele ist er kein Auto, er ist ein Familienmitglied. Ganz gleich, ob H-Modell, 964, 996, 991 oder 992. Warum sollte das beim 992.2 anders sein? Baureihenleiter Frank Moser erläutert die Aufgabe an ihn und sein Team: "Baut einen neuen 911, ohne einen neuen zu bauen."

Klingt nach einem Plan, oder? Und fährt auch so, denn der 485 PS starke 3,6-Liter und die 40 kW-E-Maschine sind Kumpel wie Poldi und Schweini, kicken den 1.495 Kilogramm schweren GTS jederzeit direkt und feinsinnig. An- und Absprechen? Zack. Durchziehen im mittleren Bereich? Wow. Oben rausdrehen? Yeah. Um es mal platt auszudrücken. Natürlich war der bisherige GTS mit Dreiliter Biturbo der Elfer für Kenner, aber die Zeit läuft weiter, die Regularien auch. Deshalb dürfen jetzt die normalen Carrera von den bisherigen Biturbos profitieren, der GTS beschränkt sich auf nur noch einen, nunmehr jedoch elektrisch unterstützen.

Ebenfalls hochvoltig: die Wankstabilisierung PDCC. Sie arbeitet elektrohydraulisch, somit schneller. In Verbindung mit einer dezenten Tieferlegung und der serienmäßigen Hinterachslenkung zieht der GTS die Spanne zwischen Powercruisen und Angreifen damit noch weiter auseinander. Und wechselt so blitzartig zwischen den Genres, wie die E-Maschine im Turbolader ihre Bestimmung.

Der GTS fährt top

Was man sofort beim Fahren spürt. Größtes Faszinosum: wie die Ingenieure die Einzelkomponenten eins werden lassen. Etwas, was in Echtzeit in die Hände des Fahrers fließt, an seinem Fuß hängt, mit sämtlichen Sinnen zu spüren ist. Wie Verbrenner und E-Komponenten harmonieren, Fahrwerk und Co sich integrieren. Stark. Es genügt, nach zwei, drei Kurven die eigenen Mundwinkel anzuschauen. Sie sind oben, ob du willst oder nicht. Der GTS fährt top, klingt dank serienmäßiger Sportabgasanlage klasse, lenkt präzise und immer nach Wunsch. Winkel, Handkraft, Rückmeldung. Alles passt. Verständlich, wenn du überlegst, dass Porsche in etwa so viel Sorgfalt in seine Reifenapplikationen steckt wie andere in ganze Autos.

Auf der Straße unauffällig, spaßig und flink, mit Alltags und Reisekompetenz, auf der Strecke dynamisch, präzise, schnell. Egal, ob mit Hinterrad- oder Allradantrieb, wobei letztere einen Tick leichtfüßiger fährt, sich per Lastwechsel williger eindreht, um das gierig rauszupressen. Überragende Traktion und Präzision, abgerundet durch die optionale Keramikbremse mit Zehnkolbenzangen vorn und einer fast 50 Prozent größeren Belagflächen sowie intensivierter Kühlung. So knallt der GTS Runde um Runde auf den heißen Asphalt der Rennstrecke in Ascari. Schnell, fordernd, mit langen Kurven, topografischen Schikanen und harten Bremspunkten. Der GTS beherrscht die alle, ohne dass das Racetex-Lenkrad viel Handschweiß saugen muss. Zu organisch klar fährt der Elfer, dessen nachdrückliche Power an den "großen" Turbo gemahnt, während das Handling flüssig und leicht bleibt, traktionsstark überdies, auch dank der feinen elektronischen Regelung und der Quersperre PTV. Ergo: Mecker-Trolle, zurück in Eure Höhlen!

Exterieur und Interieur

Von vorn. Die erste Informationswelle zur 911-Modellpflege kam reichlich unspektakulär, weil erwartbar daher. Ein digitales Instrumentendisplay? Okay, war nach Taycan und Cayenne absehbar. Irgendwas mit Licht? Machen die Hersteller ja immer. Im vorliegenden Fall wandern alle Zusatz-Leuchten vom Bugteil in den Hauptscheinwerfer und sorgen so für einen cleaneren Look an der Front. Da wären wir dann auch gleich beim Thema Design. Hier ein wenig gestrafft, dort ein bisschen aufgeräumt. Für den breiteren und tieferen Look wandert das Kennzeichen am Heck etwas nach oben, Scheibe und Heckgitter gehen fortan ohne Querstrebe ineinander über.

SPERRFRIST 28.5.24 / 15.30 Uhr Porsche 911 992.2 t-hybrid GTS Neuvorstellung Studio
Porsche

Der GTS erhält eine spezifische Abgasanlage. Alle neuen Elfer tragen das Kennzeichen fortan etwas höher.

Neue Felgen und Farben sind obligatorisch. Bei der Elfer-Silhouette ist indes Fingerspitzengefühl gefragt. Mission geglückt. Weiterhin im Options-Programm: ein Aerokit mit feststehendem Heckflügel, passendem Frontspoiler und entsprechenden Seitenschwellerverkleidungen für die Carrera-Modelle. Die Coupés fahren künftig serienmäßig als Zweisitzer vor (die 2+2-Konfiguration gibt es ohne Aufpreis) und tragen erstmals einen Start-Stopp-Knopf links des Lenkrads.

Neue Motoren-Verteilung

Im Heck des Carrera 992.2 arbeitet weiterhin ein Dreiliter-Biturbo-Boxer, dem Porsche allerdings die größeren Lader des bisherigen GTS und den Ladeluftkühler des Turbo spendiert. Aus Effizienzgründen übernimmt der neue 911 jedoch nicht das GTS-Leistungsniveau, sondern begnügt sich mit 394 PS und 450 Newtonmeter Drehmoment. Mit Sport Chrono Paket geht es in 3,9 Sekunden auf Landstraßentempo, ohne dauert es 4,1 Sekunden. Erst bei 294 km/h ist Schluss.

Und plötzlich kommt der iPhone-Moment in Gestalt des 992.2 GTS, der so gar nichts mehr mit seinem Vorgänger gemeinsam hat. Stattdessen dient die Zusatzbezeichnung zur Einführung der – jetzt noch einmal durchatmen – Elektrifizierung im 911-Portfolio. Dafür wandert nicht nur eine Hochvoltbatterie unter das modifizierte Blechkleid, sondern gleich ein komplett neuer Motor. Bei gleichbleibendem Verhältnis von Hub und Bohrung (jetzt 81 und 97 mm) steigt das Volumen der Zylinder auf 3,6 Liter. Frischluft presst fortan nur noch ein einzelner Turbolader hinein, allerdings ohne Wastegate – dafür mit E-Motor. Der bringt das Turbinenrad mit seinen nun größeren Schaufeln schneller auf Zack und lässt sich elektronisch für einen stetig optimalen Luftstrom regeln. Sobald der Motor selbst im passenden Drehzahlbereich wirkt, rekuperiert der E-Lader bis zu 11 kW Leistung aus dem Abgasstrom zurück in besagte 27 Kilogramm schwere Hochvoltbatterie.

SPERRFRIST 28.5.24 / 15.30 Uhr Porsche 911 992.2 t-hybrid GTS Neuvorstellung Studio
Porsche

Die Hochvolt-Batterie sitzt vorne im Auto und wiegt rund 27 Kilo.

Die ist – und jetzt ganz entspannt ausatmen – indes nicht dafür da, eine wie auch immer geartete rein elektrische Reichweite zu gewährleisten, sondern schiebt all ihre 1,9 kWh Kapazität aus Boost-Gründen in die permanenterregte Synchronmaschine, die Porsche in das neue und verstärkte Achtgang-PDK packt. Übrigens, nicht durch eine Kupplungsscheibe abgetrennt, falls hier doch jemand einen schleichenden Übergang zum rein elektrischen Fahren im 911 befürchtet. Alle Power wandert kumuliert unmittelbar an die Räder. Im Falle des GTS Targa immer an alle vier, beim Coupé serienmäßig an die hinteren.

Aerodynamik und Effizienz

Die insgesamt 541 PS und 610 Newtonmeter haben leichtes Spiel mit der Masse. Besonders stolz ist man bei Porsche trotz aller Performance aber auch auf die Effizienz. "Der Motor hält über das gesamte Kennfeld hinweg das optimale Mischungsverhältnis von Kraftstoff und Luft – also Lambda 1", erklärt Baureihen-Leiter Frank Moser. Der Effizienz dient auch das GTS-spezifische Aerodynamik-Konstrukt mit überarbeiteter Strömungsverteilung und vertikalen, bei Bedarf schließenden, Lamellen am Bug. Dazu kommen erstmals im 911 verbaute adaptive Frontdiffusoren in der Unterbodenverkleidung. Bei geringer Leistungsanforderung favorisiert das System eine optimierte Aerodynamik, wenn der Fahrer voll auf dem Pinsel steht, lenken die Leitelemente das Gros der Luftmenge zu den Kühlern. Gönnen wir den Zuffenhausenern das grüne Effizienz-Feigenblatt auf dem vor Performance strotzenden Adamskostüm. Gegen weniger Emissionen und Verbrauch kann schließlich niemand etwas haben – zumal das Schöne an diesem Performance-Hybrid ja die Tatsache ist, dass er unter Volllast per Rekuperation im E-Lader Energie zurück in die Batterie leitet. So viel Freude macht das Laden eines Elektroautos bei Weitem nicht.

Porsche 911 992.2 GTS t-hybrid Targa
Patrick Lang

Den GTS t-hybrid wird es als Coupé, Cabrio und Targa geben. Letzterer fährt immer mit Allradantrieb vor.

Der neue Motor baut flacher auf als im Vorgänger. Vor allem, weil ihm obenauf die Leistungselektronik (Inverter und DC/DC-Wandler) für das Hybridsystem platziert ist und dieses zusätzlich den Klimakompressor mitbetreibt. Damit entfällt der Riementrieb. Je nach Fahrmodus orchestriert Porsche ein anderes Zusammenspiel der Technik. Im Sport Plus Modus wird die 400-Volt-Batterie etwa für "die eine schnelle Runde" komplett ausgequetscht. An dieser Stelle sei erwähnt, dass der 3,6-Liter alleine 485 PS in die Leistungs-Waagschale wirft. In anderen Modi halten die beiden E-Maschinen in Getriebe und Lader den SOC bei rund 70 Prozent, um allen spontanen Leistungsanforderungen gerecht zu werden.

Preis und Marktstart

Kommen wir zum Schluss nochmal auf den iPhone-Moment zurück. Apple CarPlay hat Porsche nämlich tiefer in die Informationsarchitektur des PCM integriert, sodass Inhalte auch über das Kombiinstrument ausgegeben können. Einige Fahrzeugfunktionen können gar direkt über die Apple-Oberfläche bedient werden. Steve Jobs hätte das sicher genau so gut gefallen wie die Preisgestaltung. Kostete der GTS bisher mindestens 155.000 Euro, sind für den neuen Hybrid-GTS mindestens 170.600 Euro fällig. Sprünge, die man in Relation so auch gerne bei iPhones findet.

Sollte Sie der Preis nicht abschrecken, können Sie ab sofort bei Porsche die entsprechende Bestellung aufgeben. Die ersten Auslieferungen sind für Oktober / November 2024 vorgesehen.

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Fazit

Der 992.2 GTS ist der Sportwagen, über den die ganze Welt sprechen wird. Porsche elektrifiziert den 911 und entgegen aller Fan-Befürchtungen ist das Resultat eine Wucht. Das Label "t-hybrid" hält Einzug in die Nomenklatur und schmückt zum Debüt den neuen GTS.