Mit großem Mediengetöse plant Lancia das Comeback. Parallel versuchen einige Kleinserien-Hersteller, etwas vom alten und nun allmählich wieder aufpolierten Glanz der legendären italienischen Automarke abzugreifen, indem sie Restomod-Versionen oder Neuauflagen planen. Besonders beliebt: Na klar, der ikonische Rallye-Held Delta , der von mehreren Firmen auf Zeitreise ins Hier und Jetzt geschickt wird. Zum Beispiel von Automobili Amos und von der niederländischen Firma Maturo. GCK Exclusive-e verwandelt den Delta sogar in ein Elektroauto, dessen Rennversion in kundiger Hand an offiziellen FIA-Meisterschaften teilnimmt.
Bisher diente jedoch stets die Integrale-Ausführung des alten Lancia Delta (siehe Video) oder dessen Gruppe-A-Rallye-Version aus den späten Achtziger- und frühen Neunzigerjahren als Basis oder Vorbild der Umbauten. An das Gruppe-B-Monster Delta S4 hat sich noch niemand herangetraut. Zumindest bisher, denn nun hat die Scuderia Milanese Grassi den 044S vorgestellt, der optisch ganz klar auf den Mittelmotor-Allrad-Renner aus den mittleren Achtzigerjahren referenziert. Seine Weltpremiere feierte der Grassi 044S kürzlich auf der MIMO, der Milano Monza Motorshow, die auf dem legendären Highspeed-GP-Kurs im königlichen Park von Monza stattfand.
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Eckig mit vielen Zitaten
Bei der Linienführung des Ex-Alfa-Romeo-Designers Giuseppe Armano greift der eckige Grassi 044S zahlreiche Charakteristika des noch etwas eckigeren Lancia Delta S4 auf. Vorn beginnt es mit den zwei runden Doppelscheinwerfern, die außen einen Doppelnierengrill begrenzen. An den Flanken geht es mit den breiten Kotflügeln weiter; sogar an die eigenwilligen Türöffner haben die Grassi-Designer gedacht. Die ausgestellten Lufteinlässe oben an der C-Säule und am hinteren Ende des Daches, das mächtige Flügelwerk und das generell zerklüftete Erscheinungsbild dürfen natürlich nicht fehlen. Am Heck geht der 044S optisch zwar etwas auf Distanz zum S4 und zeigt runde statt eckiger Leuchten. Das Gitter dazwischen kennen wir wiederum so ähnlich vom Original.
Beim Antrieb gibt es ebenfalls Gemeinsamkeiten und Unterschiede. In die erstgenannte Kategorie gehört, dass mittig im 044S-Chassis ein Reihenvierzylinder sitzt. Aus den 1,8 Litern Hubraum von damals werden bei der Neuauflage allerdings deren drei. Auch bei einer doppelten Aufladung bleibt es. Das alte Konzept der Twincharge-Technik per Turbo und Kompressor weicht allerdings einer Biturbo-Anordnung, die in einem Leistungswert von 650 PS gipfeln soll. Zum Vergleich: Dem damaligen Gruppe-B-Rallyeauto wurden nicht ganz 500 PS zugeschrieben. Die zivile Stradale-Version soll bei etwa 250 PS gelegen haben. Die Scuderia Grassi attestiert dem trockensumpfgeschmierten 044S die Abgasnorm Euro 5.
Drei Differenziale und Traktionskontrolle
Der 4,18 Meter lange, zwei Meter breite und 1,27 Meter hohe Grassi 044S (Radstand: 2,60 Meter) gibt seine Kraft an alle vier Räder weiter, wobei drei Differenziale im Antriebsstrang hängen. Zwei Getriebe-Optionen stehen zur Wahl: Ganz klassisch als manuelle H-Schaltung mit sechs Gängen oder als sequenzielles Getriebe mit ebenso vielen Fahrstufen. Mit diesem Antriebs-Layout soll für den Grassi 044S, der mit einer Traktionskontrolle ausgerüstet ist, eine Null-auf-Hundert-Beschleunigung in 2,9 Sekunden drin sein. Die Höchstgeschwindigkeit soll bei 300 km/h liegen. Leichtbau-Materialien wie Kohlefaser und Aluminium drücken das Trockengewicht auf 1,1 Tonnen; im fahrbereiten Zustand ist der Grassi 044S 100 Kilogramm schwerer.
Wie genau die Scuderia Grassi das Fahrwerk konstruiert hat, verrät sie bisher nicht. Klar ist, dass der 044S rundum auf 19-Zoll-Rädern rollt. Die vorn zehn Zoll breiten Rundlinge tragen Reifen der Dimension 285/35, während die hinteren Pendants mit elf Zoll Breite 305/35er-Pneus aufnehmen. Die Bremsanlage arbeitet mit innenbelüfteten Scheiben sowie Sechs- (Vorderachse) und Vierkolbensätteln. In Sachen Sicherheit müssen ABS und Airbag reichen.
Wann die Produktion des 044S startet, ist bisher ebenso unbekannt wie der Preis. Klar ist immerhin, dass die Kleinserie auf nur 44 Exemplare limitiert sein wird. Dabei soll jedes Exemplar des Grassi 044S dank umfassender Individualisierungs-Optionen zum Einzelstück mutieren.
Fazit
Die nächste Ikone der Achtzigerjahre, die neu interpretiert wird. Diesmal ist der Lancia Delta S4 dran, mit dem die Italiener damals spät in die Gruppe B mit Allradantrieben und aufgeladenen Motoren eingestiegen sind und der so etwas wie der Sargnagel dieser Hardcore-Rallye-Ära war: Nachdem 1986 Werksfahrer Henri Toivonen und Co-Pilot Sergio Cresto in einem Delta S4 bei einem Crash bei der Korsika-Rallye ums Leben kamen, waren die ebenso schnellen wie gefährlichen Gruppe-B-Autos plötzlich Geschichte. Umso sensibler muss man bei einer Neuauflage des Originals vorgehen, das Grassi übrigens nirgends auch nur mit einer Silbe erwähnt, die jeder Kenner aber sofort im Design wiedererkennt. Ob die Italiener eine gelungene Reinkarnation erschaffen haben, entscheiden Sie besser selbst.