In den vergangenen Monaten berichteten wir immer wieder über neue Geschwindigkeitsrekorde. So versuchen beispielsweise Sportwagenhersteller wie Hennessey und Koenigsegg die 500-km/h-Schwelle mit einem Straßenauto zu übertreffen. In der Welt des Motorsports fiel die deutsche 500-km/h-Marke bereits 2008 auf dem Hockenheimring im Rahmen des Drag Racing Events Nitrolympx. Damals erreichte der britische Top-Fuel-Pilot Andy Carter eine Endgeschwindigkeit von 506 km/h auf der Viertelmeile (402 Meter). Aktuelle Rekordhalterin ist die Finnin Anita Mäkelä mit 507 km/h.
Da kommt die Frage auf: Wie schaffen diese langen, zigarrenförmigen Rennwagen mit breiten Hinterreifen und sehr großem Heckflügel diese Geschwindigkeit? Wir haben bei einem der Top-Teams im Top Fuel Racing, dem Team Erbacher, nachgefragt.
Diese hohen Geschwindigkeiten erreicht ein Top Fueler durch die optimale Kraftübertragung auf den Boden. Und diese wiederum hängt mit dem gesamten Setup der Maschine zusammen. Alle Teile müssen bestmöglich zusammenarbeiten. Aber, um welche Teile geht es hier?
Eine alte Motorkonstruktion
Beginnen wir beim Herz eines jeden Rennwagens – dem Motor. Das Reglement der FIA European Drag Racing Championship gibt vor, dass es sich bei den Top Fuelern um einen Chrysler Hemi V8 mit zentraler Nockenwelle handeln muss. Diese Konstruktion stammt noch aus den 1940er bis 1960er-Jahren. Die 8,2 Liter Hubraum entsprechen vergleichsweise acht VW-Golf-Motoren mit jeweils 1.000 cm³ – das ergibt etwa 800 PS.
Der Kompressor erzeugt einen Ladedruck von vier bis fünf bar und steigert die Leistung um weitere 2.000 PS. Der spezielle Treibstoff – eine Mischung aus Alkohol und Nitromethan – vervierfacht oder verfünffacht diese 2.000 PS. Nitromethan ist eine Vorstufe von flüssigem Sprengstoff und damit unter hoher Kompression sehr explosiv. Auch hier hat die FIA einen Grenzwert festgelegt. Maximal 90 Prozent Nitromethan und etwa zehn Prozent Alkohol. "Wir mixen den Treibstoff Nitromethan-Anteil so zwischen 85 und 89 Prozent, je nach Wetter und Belag-Gegebenheiten", betont Jndia Erbacher, CEO der Jndia Erbacher Racing GmbH und Top Fuel Dragster Fahrerin.
Am Ende ergibt alles zusammen eine enorme Leistung von etwa 10.000 bis 11.000 PS. Die maximale Drehzahl liegt zwischen 8.000 und 9.000 Umdrehungen pro Minute. In einem Lauf macht der Motor vom Start bis ins Ziel etwa 540 Kurbelwellen-Umdrehungen. Um das Herumfliegen von Motorteilen bei einer Explosion zu verhindern, ist der Motor mit schwarzen Bändern umwickelt, die optisch einem Spanngurt ähneln. Nach jedem Lauf zerlegen Mechaniker den Motor, prüfen jedes Teil auf Schäden und ersetzen, was kaputt ist.
Mit dem könnte man an einer Tunneldecke fahren
Kommen wir zum anderen wichtigen Punkt, die Kraftübertragung auf die Straße. Ein normales Getriebe würde der extremen Kraft nicht standhalten, daher ist das im Top Fuel Drag Racing nicht erlaubt. Es gibt nur eine Sechsscheiben-Kupplung und einen Gang. Umso wichtiger sind die 45 Zentimeter breiten Hinterreifen. "Am Start legen sie sich zusammen und ermöglichen somit eine kurze Übersetzung. Anschließend drehen sie sich auf. Die Form wird höher und schmaler", erklärt Erbacher.
Eine sehr wichtige Komponente in Sachen Kraftübertragung ist der überdimensional wirkende Heckflügel. Er sorgt für den nötigen Anpressdruck, ohne den dieses hohe Tempo nicht zu fahren wäre. Volle sechs Tonnen Gewicht pressen den Rennwagen auf den Asphalt. Außerdem verhindert er das Durchdrehen der Räder während eines Laufs. Der Frontspoiler dagegen unterbindet ein Aufsteigen des Fahrzeugs und drückt gleichzeitig nach hinten. "Das Fahrgestell wird dann durchgebogen, drückt die Hinterachse noch mehr in den Boden und verhindert das Durchdrehen der Räder", betont Erbacher. Zusätzlich sorgen die acht nach hinten gebogenen Endrohre für einen zusätzlichen Anpressdruck von etwa 360 Kilo. "Man könnte mit dem Dragster also locker in einem Tunnel an der Decke fahren", ergänzt Erbacher.
Der spezielle Streckenbelag
Weiterhin ist der Belag der Rennstrecke äußerst entscheidend für derart hohe Geschwindigkeiten. Er muss sehr glatt und klebrig sein. Dafür wird ein spezieller Klebstoff verwendet, der erst unter Druck richtig anfängt zu arbeiten. In Hockenheim findet das Drag Racing nur einmal im Jahr statt. Daher wird die Strecke zwei Wochen vor dem Event extra präpariert. Auch während der Veranstaltung bessert das Strecken-Team immer wieder nach. Nach etwa vier Sekunden ist ein Top-Fuel-Lauf vorbei. Jetzt ist das Team wieder gefragt, denn nach jedem Rennen wird der Motor komplett auseinandergenommen und auf Schäden überprüft.
Fassen wir also zusammen: Die wichtigsten Elemente für einen Topspeed jenseits der 500 km/h sind der Motor, der Treibstoff, die Reifen, Heck und Frontflügel, die gebogenen Endrohre und der Belag der Rennstrecke. Wer das live erleben möchte, hat am kommenden Wochenende (23. bis 25. August) während der Nitrolympx die Gelegenheit. Vielleicht kann sogar der aktuelle Geschwindigkeitsrekord von 507 km/h gebrochen werden.
Fazit
Top Fuel Dragster erreichen Geschwindigkeiten über 500 km/h durch eine optimale Kraftübertragung. Jndia Erbacher, eine junge Top Fuel Dragster Fahrerin, erklärt die wichtigsten Komponenten der Boliden. Ein Hemi V8 Motor, spezieller Treibstoff, breite Hinterreifen und ein großer Heckflügel sind entscheidend. Der Streckenbelag spielt ebenfalls eine wichtige Rolle.