Welche war die goldene Ära des Rallyesports? Es gibt wohl nur wenige Fans, die nicht mit einem bestimmten: "Die Gruppe B, was denn sonst?!" antworten würden. Kein Wunder: Die krisseligen Bilder wild beflügelter und heftig motorisierter Autos, die meterweit über Kuppen springen und die erst im letzten Moment zurückspringende Zuschauermenge teilen, haben sich tief ins Gedächtnis eingebrannt. Dass dem Gruppe B-Reglement nur wenige gute Jahre vergönnt waren, weil sich früh die Unfälle mit tödlichem Ausgang häuften, befeuert den Mythos dieser Zeit eher noch, als dass dieser Fakt das Image schädigt.
Entsprechend hohe Preise hatte das Auktionshaus Artcurial für die Auktion am Freitag, den 5. Februar 2021 erwartet: Gleich sieben Gruppe-B-Rallyeautos wurden versteigert. Alle Boliden stammen aus der gemeinsamen Sammlung des Verlegers Michel Hommell und von Olivier Quesnel, damals PR-Mitarbeiter in der Autoindustrie, danach mit Jean Todt am Aufbau des Peugeot-Rallye-Teams beteiligt und später sowohl als Citroën- als auch als Peugeot-Teamchef für Titel in der Rallye-WM und bei den 24 Stunden von Le Mans verantwortlich. In den Cockpits der Autos nahmen Helden wie Juha Kankkunen, Bruno Saby oder Carlos Sainz Platz. Alle Autos wurden verkauft und übertrafen ihre Schätzpreise zum Teil recht deutlich.
Audi Sport Quattro S1
Als der hier angebotene Audi Sport Quattro S1 an seiner einzigen Rennveranstaltung teilnahm, war die Ära, die frühere Quattro-Generationen mitbegründet hatten, bereits wieder vorbei. Es war 1988 beim damals erstmals veranstalteten Race of Champions, als sich das Fünfzylinder-Turbomonster erstmals dem Wettbewerb stellte. Am Steuer des Autos mit der Chassis-Nummer 85 ZGA 905 016: Die Crème de la Crème der damaligen Rallye-Helden. Die letzten acht Weltmeister fuhren mit verschiedenen Autos, die von den jeweiligen Werken zur Verfügung gestellt wurden, den ultimativen Champion aus. Am Ende ließ der Finne Juha Kankkunen alle hinter sich.
Der sehr gute Gesamtzustand und der niedrige Tachostand von gerade einmal 1.000 Kilometern zeigen, dass dieser S1 nie die Tortur einer echten Rallye erleiden musste. Er wurde Anfang 1989 direkt von der Audi AG an Olivier Quesnel verkauft. Seit Quesnel das Auto besaß, nahmen immer wieder frühere Rallye-Größen für kurze Spritztouren auf dem Fahrersitz Platz: Bruno Saby, Ari Vatanen, Michèle Mouton – sie alle drehten ihre Runden in dem S1. Wohl auch ein Grund dafür, dass Artcurial mit einem Auktionspreis zwischen 1,0 und 1,3 Millionen Euro gerechnet hatte. Die Erwartungen wurden übertroffen: Verkauft wurde der S1 für 2,016 Millionen Euro – fast das Doppelte des Schätzwerts.
Lancia Delta S4
Exemplarisch für all die Euphorie, aber auch die Tragik der Gruppe-B-Ära steht der Lancia Delta S4. Ein für die Saison 1985 neu aufgelegter Allradler, der damals mit einem technischen Novum aufwartete: Sein nur 1,8 Liter großer, von Abarth entwickelter Vierzylinder-Motor wird sowohl von einem Kompressor als auch einem Turbolader unter Druck gesetzt. Doch ein Titel gelang der italienischen Truppe damit nicht. Schlimmer noch: Der tödliche Unfall des Lancia-Werksfahrers Henri Toivonen bei der Rallye Korsika 1986 war der endgültige Auslöser für das Verbot der Gruppe B ab 1987.
Der hier vorgestellte Delta S4 erblickte erst relativ spät im Jahr 1986 die Welt. Folglich war es auch ihm nicht mehr vergönnt, offiziell an einer WM-Veranstaltung teilzunehmen. Seinen ersten Auftritt hatte der Lancia im Dezember 1986 beim "Memorial Bettega", einem Rennen, das zum Gedenken an den im Vorjahr tödlich verunglückten italienischen Rallyefahrer ausgetragen wurde; Werksfahrer Miki Biasion gelang in diesem Auto mit der Chassis-Nummer 227 der zweite Platz. Danach kam der S4 bei Eisrennen und Rallyecross-Veranstaltungen zum Einsatz. Den Schätzwert von 600.000 und 800.000 Euro übertraf der Delta mit einem Verkaufspreis von 810.560 Euro knapp.
Lancia Rally 037
Für den direkten Vorgänger des Delta S4 hatte Artcurial mit 500.000 bis 800.000 Euro gerechnet. Der flache Italiener ist ein ungewöhnliches Gruppe-B-Auto: Sein Kompressor-Mittelmotor ist mit 310 PS relativ zahm, und er gibt seine Kraft auch nur an die Hinterräder weiter. Dennoch gelang Lancia mit dem Auto 1983 ein Coup: In einer dramatischen Saison holten die Italiener den Konstrukteurs-Titel gegen die übermächtig scheinenden Audis, weshalb der Rally 037 bis heute das letzte hinterradgetriebene Auto mit WM-Ehren ist.
An welchen Wettbewerben dieses Auto mit der Chassis-Nummer ZLA151AR0*00000412 tatsächlich teilgenommen hat, lässt sich heute nicht mehr rekonstruieren. Artcurial zufolge war es bei großen Teams üblich, einen Zulassungsschein für mehrere Autos zu haben; dies trifft auch auf dieses Modell zu. Außerdem scheint es, dass der Abschnitt der Stirnwand mit der aufgestempelten Fahrgestellnummer weggeschnitten und neu verschweißt wurde. Klar ist: 1990 kaufte Olivier Quesnel das Auto beim italienischen Aufbereiter Volta, bevor es direkt für drei Jahrzehnte ins Museum fuhr. Verkauft wurde das Auto für 548.320 Euro.
Ford RS200
Wird die Gruppe-B-Ära beleuchtet, geht ein Vertreter oft unter: der Ford RS200. Dabei war er das einzige Auto, das von Grund auf für den Einsatz in der Gruppe B konstruiert und nicht zumindest in Ansätzen von einem Serienauto abgeleitet wurde. Nur so richtig erfolgreich war er leider nicht: Ein dritter Platz, mehr sprang nicht heraus für die britische Truppe. Was vor allem an seinem späten Debüt lag: Weil sich die Entwicklung verzögerte, startete erst zum Saisonbeginn 1986 erstmals ein RS200 in der Rallye-WM. Da aber schon beim zweiten Lauf in Portugal die unbeschreibliche Unfallserie begann, die kurz darauf zum Gruppe-B-Verbot führte, war seine Karriere schon wieder vorbei, bevor sie richtig begann.
Dabei zeigte der Ford bei seiner Premiere, der Rallye Schweden 1986, welches Potenzial in ihm steckte: Platz drei für Lokalmatador Kalle Grundel. Später führten sowohl er als auch sein schwedischer Landsmann Stig Blomqvist sogar die Akropolis Rallye an, mussten aber jeweils mit Getriebeschaden aufgeben. Apropos: Dieses saß beim RS200 vorne, was in Verbindung mit dem 375 PS starken 1,8-Liter-Turbo-Mittelmotor ein umgedrehtes Transaxle-Layout ergab. Für den Technik-Pionier hatte Artcurial einen Auktionspreis zwischen 250.000 und 400.000 Euro erwartet. Am Ende stieg der Verkaufspreis auf 381.440 Euro.
Peugeot 205 Turbo 16 E2
Der wahre Held der Gruppe-B-Welt ist aber der Peugeot 205 Turbo 16. 1985 und 1986 holten die Franzosen unter Teamchef Jean Todt alle Titel in der Rallye-WM; teilweise fuhren die Peugeot-Piloten Bruno Saby, Ari Vatanen, Timo Salonen und Juha Kankkunen Kreise um die namhafte Konkurrenz. Kein Wunder: Mit Gitterrohrrahmen, Allradantrieb und starkem Turbo-Mittelmotor war kein Auto derart konsequent auf die damaligen Rallye-Anforderungen optimiert die der 205 Turbo 16.
Das von Artcurial zur Versteigerung gebrachte Auto mit der Fahrgestellnummer C209 gehört der Evolutionsstufe 2 an, verfügt also über ein verbessertes Chassis, einen leistungsgesteigerten Motor und weniger Gewicht als der Vorgänger. Doch auch bei ihm ist nicht ganz klar, bei welchen Rallyes er genau startete – aus denselben Gründen wie beim Lancia Rally 037. Das Auktionshaus hatte mit einem Erlös von 600.000 bis 800.000 Euro gerechnet. Der Preis stieg trotz der unklaren Rennhistorie auf 977.440 Euro.
Renault 5 Maxi Turbo
Anders als sein französischer Konkurrent hinterließ der Renault 5 kaum Spuren in der Gruppe-B-Epoche. Sein Motor war nicht stark genug, und dem Werk fehlte das Budget, um einen echten Gruppe-B-Allradler zu konstruieren. Folglich kämpften die Renault-Piloten mit ihrem hinterradgetriebenen Mittelmotor-Renner mit weitgehend stumpfen Waffen gegen die Rallye-Elite dieser Zeit. Unter ihnen ein gewisser Carlos Sainz, der im Renault seine Weltkarriere startete, die ihm zwei WM-Titel und drei Dakar-Triumphe einbrachte. Auch das angebotene Auto wurde zeitweise vom berühmten Spanier pilotiert und sollte laut Artcurial 400.000 bis 600.000 Euro bringen. Das wurde mit einem Verkaufspreis von 667.520 Euro deutlich übertroffen.
MG Metro 6R4
Die Gruppe-B-Zeit war eine wilde und bot somit genug Platz für Exoten. Der wohl skurrilste Vertreter war der MG Metro 6R4. Das hatte nicht nur optische Gründe: Die ultrakurze Rallye-Hummel mit Kunststoff-Karosserie verfügt zwar über das typische Gruppe-B-Antriebs-Layout mit Allradantrieb und Mittelmotor, verzichtet aber auf Turboaufladung. Mehr als Achtungserfolge waren mit dem bis zu 380 PS starken Dreiliter-V6-Triebwerk nicht drin. Auch hier verdiente sich ein Großer seine ersten Sporen: Didier Auriol, Rallye-Weltmeister 1994, startete mit dem MG Metro 6R4 seine erfolgreiche Laufbahn. Unter anderem pilotierte er das angebotene Auto und sorgte für ein spezielles Merkmal: Da der Franzose mit der ursprünglich rechts platzierten Lenkung nicht zurechtkam, wurde der Rallye-Knirps auf Linkslenkung umgebaut. Über diese verfügt er heute noch. Das Auktionshaus rechnete mit 280.000 bis 360.000 Euro für den wundersamen Briten. In diesem Fall wurde der Schätzwert nicht ganz erreicht, das Auto für 244.360 Euro dennoch verkauft.