Kommentar zur Modell-Strategie von Audi

Kommentar zur Modell-Strategie von Audi
Leidet Audi an Herzschwäche?

Inhalt von

Stefan Helmreich über seine enttäuschte Liebe zu Audi, die Gründe für den emotionalen Klimawandel und darüber, wie einfach es doch wäre, die bröckelnde Beziehung wieder zu kitten. Ein Kommentar.

Audi quattro concept, Front
Foto: Audi

Als unabhängiger Motorjournalist untersteht man ja dem Zölibat. Liebeleien zu Produkten sind tabu, schließlich begegnet man einander tagtäglich auf beruflicher Ebene. Doch wie das eben so ist, manchmal erwischt es einen – trotzdem oder gerade deshalb. Und offen gesagt, mich hat Audi erwischt. Seien Sie unbesorgt, damit kann man umgehen, diffizil wird's erst, wenn die Beziehung in die Brüche zu gehen droht. Denn dann muss der Unmut raus.

Bänder schwemmen Audi-Einheitsbrei auf die Straße

Und ja, mein Schatz, an diesem Punkt sind wir beide mittlerweile angelangt, Du hast es so gewollt. Dabei hat alles so wunderbar begonnen mit uns. Du warst gerade dabei, die Rallye-Welt zu dominieren, ich stand daneben, hinter Flatterband an Papas Hand, und hab mir den Kopf verdrehen lassen. Ein paar Jahre später, ich war stolze sechs Jahre alt, hast Du aufgehört, im Dreck zu spielen, und womöglich war es der richtige Entschluss – so bitter er schmeckte. Aber: Du hast dich weiterhin um uns Liebhaber bemüht, hast uns überrascht mit spektakulären Studien wie Avus oder Rosemeyer und Dein täglich Brot in schöner Regelmäßigkeit mit Bonbons versüßt. Doch jetzt auf einmal willst Du nichts mehr investieren, bist frigide geworden, und ich frage mich, warum.

Vergessene Concept Cars

Bis vor fünf Jahren war die Welt noch heil. 2006 bringt Audi den R8, kurz darauf einen bezaubernden A5. 2008 beweist man mit der Reinkarnation des Fünfzylinder-Turbomotors, dass man trotz der ganzen Premium-Propaganda nicht vergessen hat, wo man hergekommen ist, ehe der Kleinwagen-Wolpertinger A1 Quattro die Stimmung noch ein letztes Mal hochkochen lässt – seither jedoch kam nur noch laue Luft.

Ist Audi die Puste ausgegangen? Oder warum laufen Modelle und Design nur noch in Endlosschleife? An fehlenden Ideen kann es nicht gelegen haben. Die gab es zuhauf. Bestes Beispiel: das Quattro Concept – eine Interpretation des Sport Quattro von '84. Alles war historisch einwandfrei. Basis RS 5, verkürzter Radstand, Permanent-Allrad und vorn der Fünfzylinder, den man gemäß dem Vorbild sogar längs einbaute. Zumindest eine Kleinserie würde kommen, hieß es damals. Heute fährt sich das Teil als Totgeburt auf dem Museums-Paternoster dumm und deppert, während die Bänder ringsum immerzu denselben Einheitsbrei auf die Straße schwemmen.

Die einstigen Revoluzzer sind heute keine mehr

Bitte nicht falsch verstehen: Es geht mir gar nicht darum, dass so ein Q5 praktisch aussieht wie sein Vorgänger. Das ist eine tragende Säule der Marke, und an der frickelt man ohne Not einfach nicht herum – seh ich absolut ein.

Und mir ist auch bewusst, dass man in Ingolstadt andere Sorgen hat momentan. Vier Entwicklungsvorstände in vier Jahren, der Mist mit der Schummelsoftware im Dreiliter-TDI und dazu ein Mutterland, das sich auf Gedeih und Verderb in die E-Mobilität stürzen will. Da kann man als Big Player natürlich nicht die ganze Zeit nur die Glückshormondrüsen der Eingefleischten kraulen. Alles gut.

Was ich aber überhaupt nicht kapieren will, ist, dass sich selbst die einstigen Revoluzzer nun treudoof in der Stromlinie anstellen. TT, A5, R8 – sie alle stellten sich früher dem Mainstream in den Weg und sind mittlerweile nur noch Abziehbilder. Natürlich ist deswegen nicht gleich alles an ihnen totaler Murks. So ein Audi TT RS zum Beispiel hat noch immer Flair. Der Schub, die Akustik, keine Frage.

Dennoch: Ich wünsche mir, mal wieder überrascht zu werden – so wie früher. Warum denn nicht mit der Serienumsetzung des Clubsport Concept auf Basis ebenjenes TT RS? Gnadenlos aufgepusteter Fünfzylinder mit vorgeschaltetem E-Verdichter, Handschaltung, drinnen leer geräumt, draußen breit gebaut. Klar ginge das nur als Kleinstserie, klar wäre das Teil schweineteuer, aber klar sein sollte eben auch, dass selbst die „Lindenstraße“ zwischendurch mal etwas Action braucht.

Komm schon, Schatz, lass Deinen Charme wieder spielen, Du kannst es doch!