Da war sie, die Gelegenheit: Der AMG-Kollege ist ins Telefonat vertieft, der Schlüssel liegt unbewacht im Cupholder. Schnell rein, schnell rum, schnell-schnell? Bloß für was? Um dann hektische Fahreindrücke zusammenzunageln, die kaum mehr aussagen würden als das berühmte „Es brummt, es zischt, zu sehen ist nischt“? Ganz ehrlich, das überlassen wir anderen, in der Hoffnung, für den Gehorsam mit einer baldigen Testgeschichte belohnt zu werden. Abgemacht?
Der Mercedes-AMG GT R ist weit mehr als grell, laut und breit
Denn ohnehin werden nur Messungen zeigen, was wirklich drinsteckt in dem Apparat. Einfach weil er nicht nur eine martialischere, lautere und stärkere Version des AMG GT zu sein scheint, sondern ein High Performer, dessen Potenzial sich zum Großteil unter der giftigen Optik verbirgt. Das erklärte Ziel: Man will den 911 GT3 angreifen, und wie es bei AMG zur Tradition gehört, geht man mit Angriffslust eben unverblümter um als in Zuffenhausen. Mit anderen Worten: Der AMG GT R soll zuschlagen statt sticheln. Mit blanker Gewalt, aber „högschder“ Präzision, wie man im Ländle so schön sagt. Und dazu hat man an allen relevanten Stellschrauben gedreht. Und zwar kräftig.
Nur die Grundfeste bleiben bestehen: trockensumpfgeschmierter, dynamisch gelagerter Vierliter-V8-Biturbo als Frontmittelmotor, transaxial gegenüber der Siebengang-Doppelkuppler. Letzterer bekommt einen längeren ersten und einen kürzeren siebten Gang, Ersterer zwei neue Lader mit optimierter Verdichterseite und eine Druckanhebung um 0,15 auf 1,35 bar, was gegenüber dem GT S noch mal 75 PS und 50 Nm freisetzt. Parallel arbeitete man im Sisyphus-Stil am Leergewicht: abgespeckte Schalensitze, Titan-Nachschalldämpfer, leichteres Zweimassenschwungrad, Radfangstreben aus Komposit, Dach und Frontkotflügel aus CFK, Fahrwerksteile aus Schmiede-Alu und, und, und. Die Bilanz: 15 Kilo Einsparung, was sich nach Killefitz anhört, angesichts des Zugewinns an Technologie aber recht beachtlich ist. Neben der Feinabstimmung aller Komponenten sind drei Punkte dabei elementar. Erstens: die reduzierte Karosserietorsion. Über ein sogenanntes Tunnelkreuz aus Kohlefaser, das die beiden Fahrzeugseiten im Bereich des Torque-Tube-Tunnels gegeneinander abstützt, erhöht sich die Steifigkeit um 7,5 Prozent.
Mitlenkende Hinterachse im Mercedes-AMG GT R
Abgestützt wird das Ganze – zweitens – von einem spurverbreiterten Gewindefahrwerk mit vergrößerten Raddimensionen, serienmäßiger Cupbereifung, Unibal-Gelenklagern an den hinteren Querlenkern und – hört, hört – der um bis zu 1,5 Grad mitlenkenden Hinterachse. Je nach Geschwindigkeit unterstützt sie entweder die Agilität oder die Stabilität und wird ihrerseits wiederum durch das ebenso aktive wie adaptive Aerokit unterstützt – den dritten elementaren Punkt. Neben dem manuell einstellbaren Heckflügel kommen dabei elektromotorisch gesteuerte Elemente im Bugbereich zum Einsatz. Das sind zum einen Jalousien in der Schürze, die im geschlossenen Zustand Luftwiderstand und -strom verbessern und nur dann öffnen, wenn es die Thermik verlangt. Zum anderen befindet sich unterhalb des Splitters eine Carbonplatte, die sich ab 80 km/h um rund 40 Millimeter nach unten ausfährt. Der Zweck: den Venturi-Effekt zu generieren, also ein Ansaugen des Autos an die Fahrbahn.
Genaue Werte will AMG dazu noch nicht rausrücken, nur dass sich der Vorderachsauftrieb dadurch bei 250 km/h um circa 40 kg reduziert. Und wo soll das alles hinführen? Nun, auf dem Kleinen Kurs in Hockenheim liegt das Zielzeitfenster gut 1,5 Sekunden unterhalb des AMG GT S, ergo im Bereich tiefer Eins-Achter- Zeiten. In der Verfassung dafür ist dieser GT R aber noch nicht. Das Kombi-Instrument spuckt noch Fehlermeldungen, und auch das rohe, von Kanonenschlägen durchsetzte Gehämmer der Abgasanlage sprengt in der aktuellen Form alle Grenzen der StVZO. Dennoch bleibt am Ende der Zweifel, ob man nicht doch hätte ein Ründchen … – ach, sei's drum.