Wie heißt die Hauptstadt von Australien? Die Frage ist ein Klassiker bei jedem Pubquiz. Tatsächlich stritten sich vor 100 Jahren die Metropolen Melbourne und Sydney unerbittlich darum, welche denn nun die würdigere Hauptstadt wäre. Zum Frust beider Städte lautete das salomonische Urteil: keine von beiden. Rund um einen künstlichen See legte man in den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts mitten im Nirgendwo die Stadt Canberra an.
Exkurs ins Rheinland
Man stelle sich vor, beim Gekeife zwischen Düsseldorf und Köln um die Vorherrschaft in Nordrhein-Westfalen wäre man ähnlich verfahren. Man hätte einfach eine Braunkohlengrube voll Wasser laufen lassen und Grevenbroich zur Landeshauptstadt gemacht. Klar, würde das außer Horst-Schlämmer-Fans auch wieder keiner kennen, aber vielleicht könnte man dann endlich die Blauhelmtruppen abziehen, die seit Jahren den unteren Rhein bewachen, damit es nicht zu Übergriffen der verfeindeten Parteien kommt.
Herbstliche Sonnenstrahlen in Batemans Bay
Zurück auf die andere Seite der Erde: Canberra hat heute eine Viertelmillion Einwohner und kein richtiges Stadtzentrum. Mitten auf der grünen Wiese war immer schon so viel Platz, dass man eher in die Breite bauen konnte. Was vor allem fehlt, ist das Meer, das sowohl Sydney als auch Melbourne vor der Tür haben. Und so unterhält der findige Parlamentarier ein Ferienhäuschen in Batemans Bay, einer 10.000-Seelengemeinde, die im Sommer auf über 30.000 Bewohner anschwillt, wenn die Touristen und Rentner kommen. Denn auch die älteren Semester schätzen Seeluft und warme Sonnenstrahlen.
Zur Zeit ist Herbst und bis auf das Gewusel des zum Aufbruch rüstenden F-Cell World Drive wirkt das Nest ziemlich ausgestorben. Heute stehen lediglich 450 Kilometer auf dem Programm. Wir werden den Bundesstaat wechseln und von New South Wales nach Victoria wechseln. Victoria ist das kleinste Bundesland Australiens und das mit der höchsten Bevölkerungsdichte. Das fällt nicht weiter auf, denn drei von vier Victorianern wohnt in Melbourne und Umgebung. Im restlichen Gebiet ist viel Platz..
Abweichen vom rechten Weg
Unsere Route führt unglücklicherweise nahezu komplett durchs Inland, dabei ist das Meer gar nicht weit weg. Eine Fügung des Schicksals ist Kameramann Rafael, der plötzlich links aus dem Boden gewachsen ist. „Du, da gibt es eine schöne Straße, die führt die ganze Zeit direkt am Meer entlang.“ Red nicht weiter, wir sind dabei. Wir sind in diesem Fall außer auto motor und sport noch Silke und Gerd, die schon am Vortag über zu wenig Wasser im Blick geklagt hatten. Das führt dem Weltreisenden mal wieder vor Augen, was für ein unfassbares Privileg so eine Globusumrundung ist. Die beiden haben nur drei Tage, um das für sie gänzliche neue Australien zu erkunden, da sollte schon was geboten werden.
Mit (fast) Zero Emission über die Küstenstraße
Tatsächlich zeigt sich Down Under von einer seiner schönsten Seiten. Auf den rund 100 Kilometern vom Wallaga Lake nach Pembula Beach klettert die schmale Küstenstraße immer wieder auf hübsche Aussichtshügel, lässt sich dann wieder auf Meersniveau fallen und überquert Sunde, Lagunen und Sandbänke über fotogene Brücken mit weißen Holzgeländern.
Rafael und Moritz bauen die Kamera auf, Silke dreht sich eine Zigarette, Gerd und Stier machen Fotos. Eine Bucht später, alles noch viel schöner. Zerklüftete Felsen, gegen die die Pazifikwellen donnern. Stier macht Fotos, Silke dreht sich eine Zigarette, Gerd raucht eine mit. Streng genommen können wir die „Zero Emission“-Aufkleber auf diesem Auto nicht mehr guten Gewissens dranlassen. Eine Bucht später: Gerd sagt: „Das wird ja immer geiler.“ Silke geht Muscheln suchen (nicht ohne vorher eine Kippe gedreht zu haben), Stier macht Fotos.
Aussicht ist wichtiger als geregelte Mittagspausen
So geht der Tag dahin. Die Besatzung von Wagen eins ist spät dran und hin und her gerissen zwischen dem Genuss von Sonne, See und Strand und der quälenden Sehnsucht, im nächsten Kaff ein „Zu Verkaufen“-Schild aus dem nächstbesten Vorgarten zu reißen und dem Makler ein wild entschlossenes „Geld spielt keine Rolle“ an den Kopf zu werfen.
Der Preis für unsere Extratour ist vergleichsweise leicht zu bezahlen. Das Picknick-Büffet am Tankpunkt ist weitgehend abgefressen. Aber was soll’s? Für Gerd und Stier ist noch ein bisschen kaltes Huhn mit Sweet-Chili-Sauce da, Silke geht ans Flussufer eine rauchen. Sie muss sich ranhalten, denn nächstes Jahr hört sie auf.
Weg vom Meer, auf in die Wälder
Mit dem Wasser war es das erstmal. Die Nachmittagsetappe führt durch dichte Wälder. Dabei fällt auf, dass die Stämme über Dutzende Kilometer rabenschwarz sind. Offensichtlich ist die Gegend einem der berüchtigten australischen Waldbrände zum Opfer gefallen. Erstaunlicherweise sehen viele der Bäume gar nicht wie Opfer aus. „Guck mal, die haben ja alle noch Blätter“, sagt Gerd und mag das mit dem Brand nicht glauben. Doch viele der stolzen Riesen tragen hauptsächlich an der Rinde schwere Brandverletzungen. Auch die dünnen Äste der Krone sind durch die Hitze oft abgestorben, aber kurzerhand haben neue Zweige rund um den Stamm in Windeseile ausgetrieben und halten das Chlorophyll-Kraftwerk am Leben.
Weil Gerd es immer noch nicht glauben mag, geht Stier in den Wald um ein verkohltes Stück Rinde zu bergen, das innen völlig unversehrt ist und um sich am verrußten Gestrüpp die Hose dreckig zu machen. Manche lernen es eben nie. Der Himmel hat sich zugezogen. Es sieht nach Regen aus, aber es kommt nichts von oben. Dafür kommt aber wieder Wasser bis zum Horizont. Lakes Entrance ist erreicht, einer der besten Fischgründe von Victoria. Nach einem schönen Tag, gibt es auch wieder eine Nacht am Meer.