Mercedes F-Cell Word Drive Tag 31: Und es gibt sie doch

Mercedes F-Cell Word Drive Tag 31
Und es gibt sie doch

Der 31. Tag des F-Cell-World Drive führt über die Great Ocean Road von Melbourne nach Portland. Er bietet neben einer der schönsten Straßen der Welt auch einige der ausgefallensten Geschöpfe des Planeten.

Mercedes F-Cell World Drive, 31. Etappe, Australien Melbourne - Portland
Foto: Mercedes-Benz

Bruce breitet die Arme aus: „Ja wenn ich gewusst hätte, dass Ihr kommt. Ihr hättet anrufen sollen.“ Es ist wegen des Wetters. Farblos und trübe hängt die Wolkendecke über dem Südosten Australiens. Es gibt schon hie und da ein paar blaue Fleckchen, aber nie über uns. So haben wir das nicht bestellt. Melbourne ist die Stadt, die sich rühmt, mühelos vier Jahreszeiten in einem Tag unterzubringen. Der Melbourner sagt: „Wenn dir das Wetter nicht gefällt, warte fünf Minuten.“ Auch daran erkennt man den Klimawandel. Vor zehn Jahren hieß es noch: Warte eine Stunde.

Unsere Highlights

Bruce kam auch mal aus Melbourne. Seine Eltern fuhren mit ihm am Wochenende an den Strand, und Bruce lernte Surfen. „Du kannst nicht immer nur Surfen. Du musst dir langsam mal einen Job suchen“, sagten die Eltern später. Bruce hatte seinen Job schon gefunden. Er machte eine Surfladen auf. Eigentlich wollte er immer woanders hin, aber nun verkauft er schon seit 25 Jahren Bretter an der Küste bei Lorne. „Mein Job ist schon ganz in Ordnung, aber eurer ist auch nicht schlecht“, sagt er.

Eine der schönsten Straßen der Welt

Das ist nicht zu leugnen, vor allem, wo heute auf unserer Weltreise eine der schönsten Straßen der Welt auf dem Programm steht. Die Great Ocean Road zieht sich von Torquay bis Warrnambool rund 300 Kilometer an der Küste entlang. Sie ist bucklig, kurvig, windet sich pausenlos auf und ab und gibt immer wieder grandiose Blicke auf die anrollenden Wellen des Pazifik und ihre stark angeknabberte Steilküste preis. Dazwischen fläzen sich perfekte Sandstrände, die auch kein bisschen überfüllt sind - dazu ist das Wetter zu schlecht. Mehr als 16 Grad will das Thermometer nicht anzeigen.
 
Des Himmels Schwere macht träge, und so fallen die Augen auf dem Rücksitz für ein Weilchen zu, fatalerweise genau in der Zeit, wo wir die Abfahrt nach Cape Otway passieren. Plötzlich haben wir den Mittagstankstopp erreicht. Für einen Leuchtturmfetischisten ist die Lage äußerst unkomfortabel, schließlich gehört der Leuchtturm von Cape Otway zu den ältesten in Australien. Nur der erste Leuchtturmwärter wurde dort nicht alt. Lieutenant James Lawrence musste seinen Posten 1848 nach nur wenigen Monaten räumen. Offiziell erhielt er die Kündigung, weil er Wartungsarbeiten durchführte, für die er angeblich nicht qualifiziert war, in Wahrheit flog er wegen seiner großen Klappe, seiner Trunksucht und wegen seines schlechten Benehmens.
 
Es gibt einen weiteren guten Grund, nach Cape Otway zu fahren. Im Nationalpark der Halbinsel gibt es Koalas. Man kennt das ja. An den Eingängen solcher Reservate stehen Schilder, und wenn man einen ganz glücklichen Tag erwischt hat, alle ihren Teller aufgegessen haben, die Sonne scheint, der Mond zusammen mit Jupiter im dritten Haus steht und der FC St. Pauli die Bundesligatabelle anführt, dann zeigt sich vielleicht eines der raren Geschöpfe, weshalb sich Millionen von Menschen teuerste Kameraausrüstungen erstanden und sich noch teurerer Safari-Urlaube gegönnt haben.

Auto-Rüstung gegen Känguruh-Kontakt

Natürlich protzt auch der Park in Cape Otway mit einem der üblichen gelben Schilder, die vor allem möglichen Getier warnen, das es ausschließlich in Australien gibt. Ich verfolge seit langem die Theorie, dass Känguruhs nicht existieren. Sie sind eine Erfindung der australischen Tourismusbehörden, um die gelben Warnschilder zu überteuerten Preisen an nichts ahnende Touristen zu verkaufen. Was war das einschüchternd auf meiner ersten Australien-Reise. Nicht nur die Trucks trugen armdicke Stahlarmierungen vor den Kühlern,
selbst in den Innenstädten von Melbourne und Sydney hatten einige Taxis Känguruh-Fänger montiert. Wow, die kratzen sich hier die Beuteltiere vom Kühler wie unsereins die Mücken von der Scheibe - dachte ich. Der Reiseführer warnte eindringlich vor Fahrten über Land in der Abenddämmerung. Dann sprängen die seltsamen Tiere gern aus dem Gebüsch auf die Straße. Beim Gedanken an die damalige Irrfahrt über vier Stunden mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit von Melbourne nach Wagga Wagga, ziehen sich immer noch unwillkürlich die Schulterblätter zusammen. Gebanntes Starren in die Dämmerung, paranoides Abscannen des Horizonts, hektische Seitenblicke zu den Straßenrändern, und was wars? Nichts war’s. Kein einziges Känguruh, nicht mal ein totes.
 
Auch dieses Mal sind wir schon seit vier Tagen unterwegs, jeder hat sein Foto eines Känguruh-Warnschildes im Kasten, wieder hat keiner eins gesehen. Im Kühlergrill unserer B-Klasse n sind spezielle Ultraschallgeber installiert, die vom Fahrtwind angetrieben einen für Menschen nicht hörbaren Ton erzeugen, der die Tiere angeblich fernhält. Auch so werden gutgläubige Nicht-Australier übers Ohr gehauen.

Wo sind sie denn…

Nun also eingetaucht in die Eukalyptus-Wälder von Cape Otway, wo - ich darf es vorwegnehmen - kein einziges Känguruh zu sehen ist. Dafür aber zwei Französinnen, die am Straßenrand stehen und euphorisch in die Baumwipfel blicken. „Habt Ihr was gesehen?“ „Koalas.“ „Wo?“ „Na, überall.“ In der Tat hocken die putzigen kleinen Beutler, die eben keine Bären sind, auf jedem zweiten Baum. Entweder kommen wir zur Siesta-Zeit, oder es herrscht eine Koala-Grippe-Epedemie. All hocken in sich zusammengesunken in ihren Astgabeln, einem hängt eine drei Zentimeter lange Rotzfahne aus der Nase. Immerhin sind nach der Rückkehr vom Leuchtturm einige aufgewacht und glotzen uns verständnislos in die Kameralinsen. Wahrscheinlich halten die Koalas uns für deutlich seltsamere Tiere als umgekehrt, und mit ziemlicher Sicherheit haben sie recht.
 
Überflüssig zu erwähnen, dass sich auch auf dem Rückweg kein einziges Känguruh zeigt, allerdings zeigt die Spritanzeige an, dass es mit dem Wasserstoff ein bisschen knapp werden könnte. Die Spritztour nach dem Tankstopp hat uns zusätzliche 80 Kilometer gekostet, und das in ziemlich hügeligen Gelände. Von 1,05 Kilogramm auf 100 Kilometer ist der Verbrauch nun auf 1,12 angestiegen. Noch beschäftigt uns das nicht allzu sehr, denn nun kommt eine der Hauptattraktionen Australiens in Sicht. Die zwölf Apostel sind eine Gruppe von Sandsteinfelsen, die seit Millionen Jahren wie Wächter vor den Klippen im Wasser stehen. Vor allem in der Morgensonne sehen sie phänomenal aus, und selbst bei stahlgrauem Himmel sind sie umwerfend. Man kann außer aus der Luft nie alle zusammen sehen, also wird alle paar Minuten am nächsten Aussichtspunkt angehalten.

Nicht nur Ehen erlitten hier Schiffbruch

In Wahrheit ist dieser Küstenabschnitt ganz schön runtergekommen. Es gibt längst keinezwölf Steinpfeiler mehr, denn zwei hat das Meer längst mitgenommen. Auch die berühmte London Bridge hat schon bessere Tage gesehen. Die ins Meer ragende Steinbrücke mit ihren zwei Bögen stürzte 1990 mit gigantischem Platsch ins Meer. Auf dem äußeren Ende musste ein Pärchen mit dem Hubschrauber geborgen werden. Angeblich war die Situation mit Bildern in den Abendnachrichten ziemlich delikat, denn beide sollen anderweitig verheiratet gewesen sein. Nicht nur Ehen erlitten an dieser Küste Schiffbruch, sondern auch reichlich Schiffe, weshalb sie folgerichtig Schiffswrackküste heißt.

100 Kilometer vor dem Etappenziel in Portland sieht es so aus, als würden auch wir vorzeitig stranden. Bordrechner und Command-System prophezeien einen staubtrockenen Tank, selbst bei einer Punktlandung. Die leicht hügelige Strecke hilft auch nicht, den Verbrauch runterzubringen. In der Dämmerung überholt uns eines der Schwester-Autos. Wir sind nun die letzten und bummeln mit maximal Tempo 80 über die Landstraße.

Ein Weltbild beginnt zu bröckeln

Und da plötzlich liegt es am Wegesrand. Ein großes, fellbezogenes Bündel - eindeutig ein Känguruh. Und ein paar Kilometer später ein zweites, kleiner zwar, doch eindeutig Beuteltier mit starken Hinterläufen und kräftigem Schwanz. Ein Weltbild beginnt zu bröckeln. Pah, so leicht lässt sich ein wahrer Verschwörungstheoretiker natürlich nicht aus der Bahn werfen. Die Dinger haben doch die Leute von der Requisite da hingelegt. Bestimmt haben sie drei Wochen daran genäht, um aus all den kleinen Kaninchen ein großes zu machen. Die Notfalltheorie hält eine halbe Stunde, dann stehen sie da. Auf einem Feld zwischen zwei Wäldchen. Zwei ausgewachsene Känguruhs mit dem Rücken zur Straße. Sie blicken sich an, als ob sie gerade besprechen, wo man denn an diesem Samstagabend am besten auf die Rolle geht. In jedem Fall bewegen sie sich und sind eindeutig lebendig.
 
Wir haben das Etappenziel nach rund 600 Kilometern mit 170 Gramm Wasserstoff erreicht. Noch leerer als der Tank ist nur noch der Verstand. Das muss jetzt alles erst mal verdaut werden.