„Heute bekommt Ihr den ersten Geschmack des Outback“, hat Geoff versprochen. Schon gestern ging wie ein Lauffeuer die Geheiminformation durch den Tross, dass rechts und links jenseits der Straßen die giftigsten Schlangen der Welt nur darauf warten, illegales Buschpinkeln per Standgericht mit dem Tode zu bestrafen. Seither gehen wir mit einer Mischung aus Furcht und Sensationslust in die Büsche.
Eyre Highway - 90 Meilen geradeaus
Damit nicht genug. Heute fahren wir von Port Augusta (das mancher Australier wegen seiner Ödnis für gefährlicher halten als die Schlangen) über den Eyre-Highway Richtung Westen. Dabei passieren wir die Eyre-Halbinsel, an deren Südspitze sich sie größte Ansammlung von weißen Haien weltweit findet.
Der erste Teil der rund 500 Kilometer langen Tagesetappe geht stur geradeaus und führt direkt auf die Flinders-Range, Australiens längste Bergkette, zu. Vom platten Land aus gesehen ist sie nicht sehr eindrucksvoll, wer Zeit und Geld hat, sollte sie sich aus der Luft anschauen.
Staubtrockene Gegend - und wieder keine Känguruhs
Wir haben natürlich wie immer keine Zeit und weigern uns deshalb auch, den vom Fotografen vorgeschlagenen Abstecher nach Iron Knob zu machen. Die rote Erde verrät, dass hier Eisen zu finden ist, das die Australier schon seit über 100 Jahren dort abbauen. Anschließend führt die Straße stur geradeaus durch dichtes Baum- und Buschwerk. South Australia ist die trockenste Gegend der Erde, in der noch Weizen angebaut wird. Der Mangel an Niederschlag sorgt dafür, dass auch die sonst so mächtigen Eukalyptusbaumkolonien von krüppeligen Zwergen vertreten sind. Natürlich ist das hier wieder extremes Känguruhland, ein Schild warnt: „Känguruhs über 75 Kilometer. Fast überflüssig zu erwähnen, dass wir außer zwei toten Exemplaren kein einziges zu Gesicht bekamen. Immerhin fanden sich am Straßenrand fünf Emus, aber die ergreifen sofort die Flucht, wenn man den Wagen verlangsamt.
Wer Roadtrains ärgert, ist selbst schuld
Und das ist in dieser Gegend auch gar nicht so ungefährlich. Auf Wunsch des Fotografen Dirk rollen wir eine Zeit lang mit 50 km/h dahin, damit er aus dem Schiebedach seines G-Mercedes schöne Fahrbilder von uns machen kann. Doch dahinter lauert ein gerade überholtes Wohnwagengespann, auf das wiederum ein Truck aufläuft.
Die Brummi-Kapitäne sind hier noch wirkliche Könige der Landstraße. Die mächtigen Roadtrains mit zwei oder drei Anhängern haben immer Vorfahrt, auch wenn sie keine haben. Einmal heruntergebremst ist es mühsam, die mächtigen Gespanne wieder auf Reisegeschwindigkeit zu bringen, und so sind wir schnell Gegenstand wütender Diskussionen im Funk. Einer unserer mitgereisten Ärzte bemerkt lässig, dass es ihn nicht wundern würde, wenn man uns irgendwo auflauern und übel zurichten könnte. Er lässt keinen Zweifel daran, dass wir die Strafe verdient hätten und lässt offen, ob er die dabei davongetragenen Blessuren überhaupt behandeln würde oder uns mit einem oberlehrerhaften „selbst schuld“ davonjagen würde.
Die Chinesen starten ihren Husarenritt
Doch außer einem netten älteren Schwaben, dessen Frau unsere Ankunft bereits in der Lokalzeitung gelesen hat und einer Kindergartenklasse, die uns mittags ihre Aufwartung macht, lauert uns unterwegs niemand auf. Wer derart jeglicher Spannung beraubt wird, muss selbst für welche sorgen.
Die chinesische Gruppe hat einen wahren Heizfuß dabei, das Tomtom-Navigationsgerät verspricht zeitweilig 100 Kilometer ohne Abzweig, die Piste führt in Wellen schnurgerade auf den Horizont zu. Schon schlagen die Asiaten über die Stränge. Man kann deutlich sehen, dass China die aufstrebendste Wirtschaftsmacht ist, in welchem EU-Land würde sich ein Autofahrer Tempo 160 trauen, wenn er für zehn km/h über dem Limit von 110 bereits 350 australische Dollar berappen müsste?
Ausgereizt bis auf das letzte Gramm
Trotz moderater 256 Kilometer bis zum ersten Tankstopp schaffen es die Chinesen so, dass sie den Tank wenige Kilometer vor der Zapfpistole auf 0,00 Kilogramm Wasserstoff runtergeritten haben. Doch das schäumende Auto erhält keine Erholung. Nun wird die Batterie gequält, die überraschenderweise fünf Kilometer durchhält. Im Zwischenziel in Wudinna hat auch die Lithium-Batterie gerade noch fünf Prozent Saft auf der Elektrode. Zu allem Überfluss schlendern die Konsum-Grobiane zum Buffet, zerren sich gegrillte Würste auf den Teller und erwähnen ganz beiläufig den Husarenritt, wobei sie auch nicht vergessen, die Bilder herumzuzeigen, wie einer ein lebendes Känguruh küsst.
Auch wenn es kein wild lebendes Tier war, ernten die Chinesen ob ihrer Taten größtmögliche Bewunderung. Knapper wird niemand vor Ende der Tour sein Auto ins Ziel bringen, und näher wird niemand von uns einem Känguruh je kommen.
Halbzeit in Australien
In Kimba haben wir übrigens kurz vor der Mittagsrast die Hälfte des australischen Kontinents hinter uns gebracht. Die zweite Halbzeit beginnt mit endlosen flachen Weiden und Feldern. Es hat so viel geregnet, dass selbst die Australier staunen, wie grün ihr Kontinent hier unten sein kann. Auf den Wiesen stehen Armeen von rapsähnlichen Pflanzen mit gelben Blüten.
Teures Vergnügen in Smoky Beach
Neben Grün dominiert Beige eindeutig die Farbskala dieses Tages, und so blendet es fast, als wir in Streaky Bay auf diese aquamarinblaue Wand zufahren. Wir sind mal wieder am Meer angelangt, fahren aber für einen Nachmittagskaffee noch ein Kaff weiter nach Smoky Beach. Wer glaubt, der Name lasse auf ein Raucherparadies (vielleicht sogar mit Nacktqualmstrand) schließen, sieht sich spätestens beim Blick über die Schulter in Barbs Gemischtwarenladen getäuscht.
Die Schachtel Marlboro kostet stramme 17,50 australische Dollar, das sind über zwölf Euro. Dann eben nur ein Mango-Eis und einen Tee, was immer noch mit sechs Dollar zu Buche schlägt. „Das ist eben ein sehr abgelegener Ort“, sagt unser Scout Phil entschuldigend.
Atomtests und Sonnenfinsternis - mehr passiert nicht in Ceduna
So gesehen zittern wir schon vor den Preisen in Südaustraliens Regionalmetropole Ceduna mit ihren 2.304 Einwohnern. Welch erhebliche Bedeutung diese Hafenstädte wie Ceduna genießen, lässt sich daran ablesen, dass die bemerkenswertesten Ereignisse seit Bestehen der Stadt in einer Reihe britischer Atombombentests und einer perfekten Sonnenfinsternis (Dezember 2002) bestanden. Es wurde also ein paar Mal ganz hell und einmal ganz dunkel.
Aber wir wollen nicht ungerecht sein. Ceduna ist ein hübsch herausgeputztes Dörfchen, mit einem langen Sandstrand an glitzernden Gestaden. In Ceduna gibt es sogar einen Computerladen, der bis 21 Uhr geöffnet hat. Im Hotel gibt es kabelloses Internet unter dem Namen Nomadnet. Das passt zu uns. Da wo wir morgen hinfahren, gibt es gar kein Internet mehr. Wir verlassen sozusagen das digitalisierte Gebiet, das wird bestimmt spannend, auch wenn wir vielleicht gar nicht sofort darüber im World Wide Web berichten können. Wenn Ihr in drei Tagen nichts von uns gehört habt, schickt Hilfe!