Der Nullarbor mit seinen 1.200 Kilometern Wüstenei entlang der Südküste mag eines der entleertesten Gebiete Australiens sein – und das heißt schon etwas – aber der südliche Teil des Australian Outback steckt dennoch voll erstaunlicher Geschichten und Fabelwesen. So warnen plötzlich ernsthaft Schilder vor die Straße kreuzenden Kamelen. Die Höckertiere stammen noch aus der Zeit der Entdecker. Die Briten waren so clever, einen der trockensten Kontinente der Erde besser mit Lasttieren zu durchqueren, deren Getränkeansprüche sich auf ein Minimum reduzieren.
Weniger clever waren sie danach, als sie die Tiere einfach laufen ließen. Was machen schon ein paar Kamele in dieser riesigen Wüste. Heute sind die wilden Kamele eine Landplage, so dass viele von ihnen kontrolliert gejagt werden. Einige verkaufen die Australier an die Araber, denn mangels eingeschleppter Krankheiten gehören die australischen Kamele zu den gesündesten der Welt.
Mäuse, Ratten, Kaninchen - alles Plagen aus Europa
Weitere menschheitsgemachte Landplagen sind die der Mäuse und Ratten, die als blinde Passagiere auf Schiffen einreisten, Unzahlen von Kaninchen und diverser anderer Tiere. Der Australier betrachtet aber ebenso die einheimische Fauna zuweilen als lästig, weiß aber, daraus Kapital zu schlagen. Von den wie warme Semmeln verkauften Känguruh-Warnschildern war schon die Rede, aber auch Schlangen sind ein gutes Geschäft. Die Brown Snake oder die Death Odder sind extrem giftig. Eine der Todesottern hat die Bardame im Outback-Nest Eucla im Einmachglas auf den Tresen gestellt, damit sich die Gäste schön gruseln. „Die tötet dich in 30 Sekunden“, behauptet sie, um dann zu fragen: „Willst du noch ein letztes Bier?“ Erst vor zwei Wochen soll das mächtige Tier vor der Tür gelegen und auf Einlass gewartet haben.
Eine Nymphe mitten im Outback
Wochenlang lag dagegen die Weltpresse im Jahr 1971 auf der Lauer, als sich herumsprach, dass in der Gegend ein halbnacktes Mädchen gesichtet worden war, das mit den Känguruhs durch den Busch rennt. Die „Nullabor-Nymphe“ erlangte kurze Berühmtheit, bis sich herausstellte, dass alles ein Schwindel war, den die Dorfbewohner in die Welt gesetzt hatten. Bierdosenkühler und T-Shirts mit der „Nullarbor Nymph“ laufen auch vier Jahrzehnte später noch bestens.
Giftschlange aus dem Andenkenladen
Apropos Schwindel. Diverse Mitreisende lassen sich schwer beeindrucken mit einem Foto, dass den furchtlosen Halbjapaner Toshio zeigt, wie er eine braune Schlange am Genick zu Boden drückt. Das ungläubige Staunen endet erst, als einer der Einheimischen das Tier als „Rubber-Snake“ aus dem Andenkenladen identifiziert. Doch auch die scheinbar harmlose Gummischlange ist lebensgefährlich. Wer sie verschluckt, ist in zwei Minuten ein toter Mann.
Wir haben heute so viel Zeit uns diesen Anekdoten so entspannt zu widmen, weil sich die Abreise noch ein bisschen verzögert. Einige Techniker klemmen gerade den Auspuff ab, um davor einen durchsichtigen Plastikschlauch zu installieren, der mit Klebeband an der Flanke fixiert wird, und dessen Ende an der linken, hinteren Beifahrertür endet. Die Fernseh-Truppe will mit dem Experiment vorführen, dass aus der Brennstoffzellen- B-Klasse als Abfallprodukt tatsächlich reines Wasser strömt. Am Steuer sitzt Projektschef Arwed Niestroj himself, mit einigen heftigen Pedaltritten bringt er die Brennstoffzelle zur Hochleistung, und tatsächlich tönt vom Rücksitz nach kürzester Zeit ein aufgeregtes Kichern. TV-Redakteur Christian Maier kann das sprudelnde Nass kaum bändigen und ruft immer wieder giggelnd: „Das funktioniert wirklich“. Kurz danach setzt er das Glas an den Hals und nimmt einen kräftigen Schluck. Das Wasser ist nicht einmal heiß.
Känguruh vor der Linse
Nach so viel Entertainment müssen wir uns erst wieder mental auf die vor uns liegende Leere vorbereiten. Nach einer Stunde fällt Kameramann Rafael in eine Art Schockstarre. Wie der Autor dieser Zeilen hat er viele Jahre lang die These vertreten, dass es Känguruhs nicht wirklich gibt – so lange, bis sein Sitznachbar Moritz im Viano eines sichtet. Es hüpft parallel zum Kamerawagen durch den Busch, leider zu schnell für ein Foto, aber die Filmkamera fängt es dennoch ein.
Rantasten ans Minimum
Wir müssen erst einmal den Verbrauch wieder einfangen. Nach 150 Kilometern zeigt der Bordcomputer, dass wir 30 Kilometer im Minus sind. Fortan ist Sparkurs angesagt, was in Australien nicht so leicht ist. Es gibt zwar keine nennenswerten Höhenunterschiede, aber dennoch ist die Straße ziemlich hügelig und nur selten eben. Aber nachdem wir am Vortag bereits bewiesen haben, dass auch sieben Gramm Wasserstoff ausreichen, um sicher die Zapfsäule zu erreichen, reiten wir heute lässig mit 0,00 Kilo im Ziel ein.
Ganz aufgeregt kommt wenig später das schweizerische Team an. Sie sind nicht nur von einer neugierigen und charmanten Polizistin aufgehalten worden, sie haben ebenfalls den Tank auf null gefahren. Die Schweiz ist trotzdem nur zweiter Sieger, denn wir waren erstens schneller im Ziel, zweitens haben wir nicht die Klimaanlage ausgeschaltet, um die Distanz zu schaffen.
Wer schwitzt, den fressen die Fliegen
Ohne Klimatisierung ist das Leben hier draußen kein Spaß. Das Thermometer zeigt 36 Grad. Wer aussteigt, beginnt sofort zu schwitzen, wer schwitzt, den fressen ruckzuck die Fliegen auf. Immerhin weht heute ein strammer Wind aus Nord, der den Insekten das Kurshalten deutlich erschwert. Wer die Wahl hat, nur durch die geschlossene Zahnreihe zu nuscheln oder ständig den Staub aus den Augen zu reiben und seinen Hut wieder einzusammeln, entscheidet sich freudig für letzteres.
Gegenwind von allen Seiten
Der Wind ist aber anderweitig lästig. Nach dem Tankstopp in Cocklebiddy (acht Einwohner, ein Hund, 32 Vögel und angeblich rund 1,2 Million Känguruhs) wartet die längste Gerade Australiens auf uns. Der Eyre-Highway verläuft auf 146 Kilometern schnurgerade nach West-Südwest. Eigentlich könnten wir das Ruder auf 262 Grad festlaschen, und uns alle ein Stündchen hinlegen, wenn da nicht der Wind wäre, der nicht nur wieder den Verbrauch nach oben treibt, sondern auch ständige Lenkkorrekturen erfordert.
Die 246 Kilometer am Nachmittag sind eigentlich keine große Distanz, dennoch laufen wir mit nur 140 Gramm Wasserstoff im Tank am Roadhouse in Balladonia ein, eine Restmenge, mit der wir uns eine Woche zuvor noch äußerst verwegen vorgekommen wären.
Bitte lasst die Batterie am Leben
Der Konvoichef erhebt die dringende Bitte, die Autos möglichst nicht komplett leer zu fahren. Wenn die Anzeige komplett null zeigt, ist schon noch eine Sicherheitsreserve für etwa fünf Kilometer vorhanden, dann jedoch kommt die Warnung, dass danach auf Batteriestrom gefahren wird, und der Litium-Ionen-Akku könnte eine Komplettentladung übel nehmen.
Unsere normale Zwölf-Volt-Batterie hat bereits einige Entladungen hinter sich, vermutlich weil jemand über nach das Tomtom-Navigerät angelassen hat. Am Morgen sitzt einer der Ingenieure erst einmal 20 Minuten mit dem Laptop im Auto und schaut, ob sich sonstige Fehler im System verbergen. „Vermutlich müssen wie die Batterie demnächst tauschen“, meint er.
Der Catering-Diesel macht schlapp
Damit wäre auch schon das größte technische Problem erwähnt, dass in knapp zwei Wochen in Australien auftrat. Zusammengeklappt ist nur der Camper unserer Catering-Mannschaft wegen eines defekten Diesel-Injektors. Die Mietwagenfirma bringt morgen einen neuen aus Perth. Am Abend haben die Brennstoffzellenautos eine Gesamtdistanz von 15.200 Kilometern zurückgelegt. Es ist Halbzeit. Von 125 Gesamtreisetagen liegen 68 hinter uns, davon 37 Fahrtage. Insgesamt haben die drei B-Klassen und das Filmauto fürs Fernsehen zusammengerechnet 50.000 Kilometer auf dem Buckel, dazu kommen 213.000 Kilometer bei den Begleitfahrzeugen und 54.000 Kilometer auf den Tachos der Servicetrucks. Das macht unterm Strich knapp 318.000 Kilometer. Die Ozeanüberquerungen abgezogen wären das mit einem einzelnen Auto schon zehn Erdumrundungen.
Ruhm, Ehre und ein Plastikbecher voll Sekt
Es gibt ein Plastikbecherchen Sekt, es wird gelacht und geklatscht. Nur gefeiert wird nicht viel. Es ist zwar Halbzeit, aber es gibt keine Halbzeitpause. Morgen brechen wir auf in einen neuen Tag voller Abenteuer und Gefahren. Wir werden im Busch schlafen und von abgestürzten Raumschiffen berichten, aber das ist eine andere Geschichte.