Mercedes F-Cell World Drive Tag 38: Schwere Beine auf der letzten Geraden

Mercedes F-Cell World Drive Tag 38
Schwere Beine auf der letzten Geraden

Der 38. Tag des F-Cell World Drive ist zugleich der letzte in Australien. Die finale Etappe nach Perth ist mit 478 Kilometern gar nicht mehr so lang, sie kommt aber fast allen so vor.

Mercedes-Benz F-Cell World Drive, Mercedes B-Klasse F-Cell, Tag 38, Perth
Foto: Dirk Weyhenmeyer

Als die Vögel im Busch aufwachen, brutzelt schon der Speck in der Pfanne, und der Wasserkocher brodelt vor sich hin. Nicht alle haben gut geschlafen. Das Naturschutzgebiet am Boondi Rock rühmt sich, dass es neben diversen seltenen Vogelarten auch 52 Reptiliensorten beheimatet. Keine davon hat in der Nacht einen der um die 50 Zeltbewohner heimgesucht, Schlaf raubend war eher der gemeine Schnarchzapfen, von denen mehrere im Lager ihr Unwesen trieben.

Unsere Highlights

Zeichen der Zivilisation

Die ganz Fitten machen sich auf, um vom Felsen, nachdem Boondi Rock benannt ist, den Sonnenaufgang zu genießen, einige wenige Unverbesserliche legen sich am Wasserloch auf die Lauer. Es gibt derer nur sehr wenige in der Gegend, weshalb das gesamte Tierreich hier zum trinken kommt, außer natürlich – man ahnt es schon – Känguruhs an diesem Morgen.
 
Das letzte Warnschild vor den legendären Beuteltieren, von denen fast niemand ein Foto in freier Wildbahn erbeutet hat, entlockt uns nur noch ein müdes Lächeln. Obwohl Boondi Rock noch mitten in der Wildnis liegt, sind nach 100 Kilometern Richtung Westen die Zeichen der Zivilisation unverkennbar. Die gelben Schilder warnen am Straßenrand nun nicht mehr vor wilden Tieren, sondern vor Lastwagen und Zügen. Rechts und links der Straße wachsen wieder Zäune aus dem Boden. Vereinzelt tauchen Weiden und Weizenfelder auf.

Australien hält noch immer Überraschungen parat

Zwischendurch bietet aber die Pflanzenwelt noch ein Highlight. Selbst unsere Australier im Team wissen nicht, wie die Baumart heißt, die massenhaft in leuchtenden Farben aus der roten Erde wächst. Die Stämme tragen keine Rinde, ihr Holz schimmert hier wie Grünspan oder Messing, dort Gold, Kupfer und rostrot. Die Szenerie wirkt wie die Werbeausstellung eines Chemiekonzerns für das komplette Sortiment an Rostschutzfarben. Einige Stämme sind sogar zweifarbig gestreift wie Zuckerstangen. Es ist schon unfassbar, dass die südaustralische Landschaft auch nach vier Tagen Busch immer noch mit Überraschungen aufwarten kann.
 
Ganz so idyllisch sieht es allerdings nicht mehr aus. Links der Straße verläuft ein Eisenbahngleis Richtung Kalgoorlie, rechts eine dicke Pipeline. Das hinter uns liegende Kalgoorlie und der Nachbarort Boulder hocken auf einer der reichsten Goldadern der Welt. Schon am Tag zuvor haben wir einen Blick ins tiefste Loch Australiens geworfen. Der Ire Paddy Hannan stieß schon 1893 auf das begehrte Edelmetall und löste einen Goldrausch aus. Heute steht sein Denkmal an der nach ihm benannten Hauptstraße. Die Statue spendet aus ihrem Trinkbeutel das, was in Westaustralien mindestens so wertvoll ist wie Gold: Wasser. Und so führt die über 500 Kilometer lange Rohrleitung, die sich von Perth hierher zieht, weder Öl noch Gas, sie transportiert Wasser in die entlegenen Orte an der Südküste.

Automuseum mit raren Ausstellungsstücken

Perth ist ebenfalls ein abgelegenes Pflaster. Mit Umgebung leben hier um die 1,6 Millionen Menschen, die aber von der nächstgrößeren Stadt wie Darwin im Norden oder Adelaide im Süden weiter entfernt ist als von Indien. Immerhin bekommen wir nach dem Tankstopp im ausgestorbenen Kellerberrin mal wieder ein lebendiges Städtchen zu sehen. York rühmt sich, Westaustraliens erste Siedlung im Inland zu sein. Noch heute stehen schmucke Backsteinhäuser aus der Kolonialzeit wie die Town Hall an der Hauptstraße.

Zudem beherbergt York auch ein liebevoll gepflegtes Automuseum mit raren Stücken wie dem Bedelia der Franzosen Bourbeau und Devaux, die 1910 einen Einsitzer mit Fahrradreifen, beidseitigem Riemenantrieb und Zweizylinder-V-Motor entwickelten, der wie eine zu groß geratene Seifenkiste aussieht, aber immerhin Durchschnittsgeschwindigkeiten von 62 km/h schaffte.

311 km/h schnelle Doppelzigarre

Neben dem Einbaum steht der heute noch futuristische Bisiluro Italcorsa. Tausendsassa Piero Taruffi erschuf 1951 das Gefährt aus zwei parallelen Zigarren. In der einen saß der Fahrer, in der links daneben angebrachten zweiten Röhre war ein Guzzi-Zweizylinder angebracht, der dem Erbauer bald nicht mehr stark genug war. Er baute einen Vierzylinder-Maserati mit Kompressor ein, der 290 PS lieferte und die silberne Doppelzigarre auf 311 km/h beschleunigte.
 
Mit Tempo 100 geht es für uns über schmale Landstraßen in Richtung Ziel. Den Autos geht es gut, aber bei den meisten Insassen ist die Luft raus. Die letzten 100 Kilometer sind zäh wie Kaugummi. Obwohl wir fast den ganzen Tag nur sitzen und auf Beifahrersitzen oder Rückbänken auch immer wieder schlafen, macht sich allgemeine, tiefe Erschöpfung breit. Es ist das klassische Zielgeraden-Syndrom. Wenn du weißt, dass du in die letzte Gerade biegst, wird jeder Schritt zum Zielstrich immer schwerer.

Endlich: Die Skyline von Perth

Endlich taucht hinter einer Kuppe die Skyline von Perth auf. „Wo kommt Ihr denn gerade her“, fragt ein australischer Urlauber. „Aus dem Nullabor.“ „Was, Ihr seid da ganz durchgefahren?“ „Ja, und gestartet sind wir vor knapp zwei Wochen in Sydney.“ „Wow, da habt Ihr vermutlich mehr von Australien gesehen als die meisten Einheimischen in ihrem ganzen Leben.“

Quer durch Australien in der Brennstoffzellen-B-Klasse

Elf Tage waren wir unterwegs, etwa 5.500 Kilometer haben wir zurückgelegt. Bis auf ein paar Kleinigkeiten, meist unbegründete Alarmmeldungen der Elektronik, liefen vier B-Klasse n nahezu klaglos.  Das Wohnmobil der Catering-Truppe war das einzige Auto, das unterwegs liegenblieb. Und davon träumen auch wir: Einfach mal liegen bleiben. In Perth hat es zwar wenige Tage zuvor geregnet, aber die Metropole rühmt sich, das beste Wetter Australiens zu haben, kaum kälter als 18, selten heißer als 30 Grad. Zudem wirbt Perth mit den schönsten Stränden des Kontinents, was natürlich alle anderen Großstädte heftig bestreiten. Wo die Wahrheit liegt, finden wir auf der nächsten Weltreise heraus.

Nächste Etappe: Asien

Nun liegt erst einmal die dritte Flugreise vor dem Tross. In den nächsten Tagen müssen sämtliche Fahrzeuge für den Transport fertig gemacht werden und durch den Zoll. Außerdem müssen alle Fliegen vom Kühlergrill runter. In rund einer Woche, auf der Autoshow in Shanghai sollen die kleinen grünen Weltreisenden schließlich zwischen all den Messehostessen möglichst hübsch aussehen, bevor es dann auf den langen Marsch durch Asien geht.
 
Zum Leidwesen von Fotograf Dirk sind die Autos schon zum letzten Fototermin in Perth fertig gewienert. Zu seinem noch größeren Leidwesen hat er auf der ganzen Tour kein einziges Känguruh-Bild geschossen. Als reine Übersprungshandlung knipst er im Andenkenladen im Kings Park eine Postkarte ab. „Aber die Tiere gibt es doch in Wirklichkeit und dazu in Massen“, behauptet die Kassiererin. Für das Australien, in dem wir waren, trifft das allerdings nicht zu. Angesichts unserer Verzweiflung gibt uns die Dame einen Gehimtipp: In Perth gibt es eine Streichelzoo – mit Känguruhs.