Als sich das Spiel der Kräfte verkehrte und Volkswagen Porsche übernahm statt umgekehrt, wurde in Insiderkreisen kolportiert, dass VW-Chef Martin Winterkorn die fehlende Zukunftsorientierung der Stuttgarter bemängele. Tatsächlich hatten sich die schwäbischen Sportwagenbauer bis dato primär auf alt Bewährtes verlassen: Sechszylinder-Boxermotoren, wahlweise mit oder ohne Turbolader bei den Sportcoupés Elfer und Cayman, Sechs- und Achtzylinder-Frontmotoren sowie ein jüngst hinzugekommenes Diesel-Aggregat im Cayenne und Panamera. Nun aber zündeten die Süddeutschen auf dem 80. Genfer Automobilsalon gleich ein dreifaches Produkt-Feuerwerk, das derlei Bedenken bis auf Weiteres im Keim ersticken dürfte. Neben dem ersten, in das neue, figurbetonte und deutlich leichtere Kleid des Cayenne-Nachfolgemodells gehüllten, in Serie gebauten Voll-Hybrid der Unternehmensgeschichte, lockte der Porsche-Stand die Messebesucher mit zwei sportorientierten Neuheiten an wie die Fliegen. Eine davon, der 911 GT3 R, wird schon bald im Rahmen erster Tests auf dem Nürburgring seine Kreise ziehen. Im Rahmen des am 15. und 16. Mai am selben Ort ausgetragenen 24-Stunden-Rennens soll der mit einem 480 PS starken Verbrennungsmotor im Heck und zwei zusätzlichen, je 81 Pferdestärken mobilisierenden Elektromaschinen an den Vorderrädern bestückte Hybrid-Brenner der traditionell konfigurierten Konkurrenz dann final zeigen, wo im Porsche Entwicklungszentrum in Weissach der Hammer hängt. Test- und 24h-Pilot Marc Lieb feilt dort bereits unermüdlich an der Abstimmung des im Rennwagen verbauten, weil mit einem gegenüber herkömmlichen Batteriesystemen deutlich besseren Wirkungsgrad und einem um ein Drittel niedrigeren Gewicht versehenen KERS-System und an dem das Gesamtsystem koordinierenden Hybrid-Manager. Jener zeichnet laut Porsche Entwicklungsvorstand Wolfgang Dürheimer für die Intelligenz, Güte und Effizienz eines jeden Hybrid- Systems verantwortlich - ganz gleich ob dieses nun bewusst verbrauchsorientiert ausgelegt ist wie im Fall des Cayenne S Hybrid oder streng leistungsbezogen wie beim 911 GT3 R.
Unter 7.30 Minuten um die Nürburgring-Nordschleife
Mit dem im Geheimen entwickelten, derzeit noch als Concept Car firmierenden, weil in der Machbarkeits-Studie befindlichen und beim VW-Konzernabend im Vorfeld des Genfer Autosalons erstmals gezeigten 918 Spyder offeriert Porsche einen weiteren Hybrid-Weg. Dieser ist in der Lage - wenn er denn beschritten wird - das gesamte Spektrum der Einsatzsmöglichkeiten abzudecken. Formal zitiert die Sportwagen-Studie, die binnen fünf Monaten vom beschlossenen Projekt zum fahrfertigen Auto reifte, Design-Elemente der Porsche 917 Rennwagen und des nicht zuletzt dank des sport auto-Rundenrekords auf der Nordschleife berühmt gewordenen Straßensportlers Carrera GT. Und "weil", so der Entwicklungschef, "nichts eine deutlichere Sprache spricht als die Rundenzeit", ist jene auch für den Newcomer bereits in Stein gemeißelt: Der gut 500 PS starke, vom RS Spyder abgeleitete 3,6-Liter-V8-Hochdrehzahlmotor im Heck soll den knapp 1,5 Tonnen schweren Zweisitzer im Verbund mit insgesamt drei, an allen vier Rädern angreifenden Elektromaschinen in unter 7.30 Minuten um die Nürburgring-Nordschleife peitschen. "Die Simulation der Rundenzeiten ist schon gelaufen", so Dürheimer lächelnd, "die Fußgängerschutz-Simulation noch nicht." Das erklärt, warum die zahlungskräftige Klientel - "wir würden lügen, wenn wir sagen würden, dass der 918 Spyder nicht deutlich teurer werden wird als der Carrera GT" - noch zwei bis drei Jahre auf das heiße Porsche-Eisen mit dem grünen Touch wird warten müssen. "Bis alle notwendigen Crash-Tests und Länder-Adaptionen gelaufen sind, das dauert", bringt Hans-Gerd Bode, seines Zeichens Leiter der Produktpresse, die Krux der Serienauto-Entwicklung auf den Punkt. Dann aber bekommen all jene, die es sich leisten können und wollen, die Porsche-eigenen Primärtugenden "Performance, Effizienz und Emotionalität" in neuer, zukunftsweisender Qualität geboten. Anders als der Hybrid-Rennwagen, der seinen Schwungrad-Speicher und die an der vorderen Portalachse montierten Elektromaschinen allein zum Zweck schnellstmöglicher Fortbewegung einsetzt, und der Hybrid-Cayenne, der den längst nicht mehr nur in den USA überaus beliebten SUVs den Spritfresser-Schrecken nehmen soll, wird der neue Supersportler nämlich ein wahrer Alleskönner sein.
Der Hybrid-Erfolg bei Porsche hängt direkt vom Erfolg im Motorsport ab
"Der 918 Spyder besitzt einen Hab-Spaß-Schalter am Lenkrad, mit dem sich vier verschiedene Fahrprogramme anwählen lassen", erklärt der Porsche Chefentwickler die Feinheiten des neuen Vorzeige-Projekts. Die Bandbreite der Fortbewegung reicht von E für rein elektrisch mit einer Reichweite von 25 Kilometern, über H für verbrauchsorientiert mit bedarfsgerechter Aktivierung der E-Maschinen und das Sportprogramm S bis hin zum mit R gekennzeichneten Race-Modus. In letztgenanntem Fall "spreizt der Spyder das Gefieder". So umschreibt der Entwicklungsvorstand die Tatsache, dass dann alle Systeme inklusive der zusammen 218 PS starken E-Maschinen des an der Steckdose aufladbaren Plug-in-Hybrids auf maximale Sportlichkeit getrimmt sind. Der Clou des Ganzen: Durch das Multi-Motoren-Konzept greift der auf einem CfK-Monocoque aufbauende Newcomer mit elektrischem Allradantrieb nebst Torque Vectoring an. Aber warum nun vorab das 24h- Hybrid-Projekt? Ganz einfach: "Weil der Hybrid-Erfolg bei Porsche direkt vom Erfolg im Motorsport abhängt", so Dürheimer. Und weil das 24h-Reglement im Gegensatz zu dem in Le Mans gültigen auch außerhalb der LMP1- Klasse einen Hybrid-Einsatz erlaubt. In ein bis zwei Jahren können wir KERS dann im Porsche-eigenen Supercup erwarten. "Denn" - so der Porsche-Vorstand - "ich wäre ein schlechter Entwickler, wenn ich nicht dafür sorgen würde, dass neue Techniken auch in der Serienfertigung einsetzbar sind."
Übersicht der sportlichen Neuheiten auf dem Genfer Autosalon 2010