Nebelscheinwerfer braucht er, unbedingt! Ohne sie wirkt die markante Frontpartie nicht halb so autoritär. Der böse BMW-Doppelscheinwerfer-Blick läuft unterhalb des Stoßfängers einfach ins Leere. Nachrüsten ist kein Problem, gebrauchte gibt es bei der Autoverwertung meines Vertrauens oder bei Ebay, der Kabelbaum ist dafür bereits vorgesehen. Und edle Kreuzspeichen-Alus muss ich unbedingt nachrüsten. Ich wäre ja schon froh, wenn ich für meinen soeben erworbenen BMW 520i wenigstens Radkappen bekäme, noch heute! Ohne die sieht der Wagen voll trashig aus, total abgerockt. "Libanon-Look" habe ich das mal getauft, denn in Beirut tragen alte Mercedes, BMW oder Nissan nie Radkappen. Man sieht es in den Nachrichten.
Cooler Look in Mattschwarz?
Von einem Augsburger Autohändler habe ich den Wagen vor einer halben Stunde für 690 Euro gekauft. Nihat Kargin sah die Sache pragmatisch: "Die sind bestimmt geklaut worden. Sieht doch so viel cooler aus. Und diese Opa-Goldfarbe musst du mattschwarz rollen, Scheiben hinten abkleben, und dann gucken die Leute." Nein, so will ich sie bestimmt nicht, meine BMW-Limousine mit den unerhört harmonischen Proportionen, frei nach dem Goldenen Schnitt.
Aber es sieht so aus, als drohte seinem Kiesplatznachbarn, ein 230E in Silberdistel, genau dieses Schicksal. Grundierung befleckt seine rostigen Flanken, und die Radkappen sind schon eingeschwärzt. Am liebsten hätte ich ihn gleich mitgenommen. Aber er springt schlecht an und läuft nicht rund. Deshalb wohl der Spottpreis von 700 Euro. Es ist wieder diese Malaise mit dem Zündgeschirr bei den Mercedes-Motoren M102 und M103. Meinen BMW steuere ich nach 60 Litern Shell V-Power schon über den B-17-Zubringer auf die A8, Kurs Nordwest in Richtung Heimat. Die Automatik schaltet weich, der Motor säuselt. Noch habe ich die Temperaturanzeige manisch im Blick, frühe M50-Motoren ohne Vanos waren thermisch durch minderwertige Wasserpumpen sehr gefährdet. Der frisch gekaufte BMW 520i Baujahr 1992 in der besonderen Farbe Kaschmirbeige Metallic mit immerhin 273.456 Kilometern auf dem leicht verpixelten LCD-Display benimmt sich im Vergleich zum 230E bestens: Start und Warmlaufphase verliefen tadellos, beim Beschleunigen gefällt der optisch imposante Doppelnockenwellen-Sechszylinder mit vorzüglicher Gasannahme. Nun schnürt er bei konstantem Tempo 130 und 3.200/min in der fünften Fahrstufe leise vor sich hin. Die Nadel des Fernthermometers ist in der Mitte festgenagelt.
Schonprogramm ohne Kickdown
Der kettengetriebene Vierventiler ist mit seinem kleinen Zylindervolumen leider kein Ausbund an Durchzugskraft, was der Wandler beim Anfahren geschickt kaschiert. Aber ich verzichte auf meiner Jungfernfahrt bewusst auf Kick-down, Sportprogramm "S" und aufs Fahren mit gesperrten Fahrstufen vier und fünf.
Bei der Proberunde am Augsburger Stadtrand habe ich es ausprobiert, es funktioniert, und damit ist gut. Ein Dreivierteljahr Standzeit hat der auch optisch noch recht attraktive Wagen aus vierter Hand hinter sich. Händler Kargin wollte ursprünglich 1.390 Euro für ihn, dann 990 und schließlich ultimative, nicht verhandelbare 690. Es wollte ihn keiner. "Automatik und Goldfarbe mochten meine Exportkunden nicht, die sowieso meist Fünfer-Diesel kaufen, und deutsche Fans wie du wollen keinen 520, die sagen immer "Luftpumpe", klagt Kargin sein Leid. War die "Luftpumpe" nicht der Vorgänger-Zahnriemenmotor mit 129 PS?
Radkappen müssen her
Für mich sind Farbe und Automatik keineswegs ein Handicap, im Gegenteil, ich will es genau so, und das elektrische Schiebedach weiß ich auch zu schätzen. Noch ein halbes Jahr TÜV ist auch nicht zu verachten. Während ich so entspannt vor mich hin fahre, trällert Christopher Cross sehr melodisch auf einer vergessenen Musikkassette im originalen Bavaria-C-III-Radio. "Another Page" heißt das Album des Troubadours aus den frühen 80ern, und es unterstreicht den Chill-Effekt des Fünfer-Fahrens. Unterwegs entwerfe ich schon in Gedanken meine Mängelliste: An erster Stelle stehen die fehlenden Radkappen, weil der Wagen so einfach kriminell fies wirkt.
Die Nebelleuchten sind für mein ästhetisches Wohlbefinden auch ziemlich dringend, und an den rostigen Türunterkanten muss bald etwas gemacht werden. Das aufgeriffelte Fahrer-Sitzkissen nervt mich vor allem angesichts des sonst so schön erhaltenen Innenraums, dessen Polster und Teppiche lediglich frisch aufgeschäumt gehören. Einen guten Fahrersitz wird es gebraucht nicht geben, weil das Fädenziehen eine typische BMW-Krankheit ist. Auf den fünften Posten platziere ich die müden Gasdruckheber der Kofferraumklappe, Nummer sechs betrifft die Blinkerrückstellung, die offenbar defekt ist. Das nervt anfangs, aber dann gewöhnt man sich dran, es selbst zu tun. Schön finde ich, dass zu meinem BMW ein Komplettset Originalschlüssel gehört und dass die kunstlederne schwarze Bordmappe mit Betriebsanleitung, Wartungsheft, Radiocode und allem Pipapo im Handschuhfach liegt. Sogar die kleine BMW-Akku-Taschenlampe ist noch da.
Dem 730i weine ich nicht nach
Zurück in heimischen Gefilden, möchte ich mich mit meinem neuen Spielzeug mächtig austoben, Hochdruckwaschen mit reichlich Schaumschlagen ist angesagt, damit die Schmutzschlieren und Mooskulturen endlich aus allen Ritzen der Karosserie verschwinden. Inzwischen ersetzt mein 520i den entgangenen diamantschwarzen 730i der Baureihe E32 zumindest für den Tag meines goldenen Glücks. Er sieht ja fast genauso aus, und wer weiß, ob der Große so gut laufen würde. Außerdem wirkt Schwarz bei der donaugenährten Neu-Ulmer Hochnebel-Tristesse echt deprimierend, während Kaschmirbeige in der Lage ist, selbst zarte Sonnenstrahlen durch eine spät aufreißende Wolkendecke warm zu reflektieren.
Auf Waschen folgt Staubsaugen des Fahrgastraums, bei der Gelegenheit befestige ich die Veloursfußmatten gleich ordnungsgemäß mit den herumliegenden Plastikclips. Im Motorraum werden noch einmal Wasser und Ölstand kontrolliert, alles bestens, dabei fällt mit ein fleckiger Ölwechselzettel vom 16. August 2013 bei Kilometerstand 239.212 in die Hände. Kein Drama, aber da sollten bald knappe sechs Liter frisches 10W-40 reinfließen. Während ich meditatives Handauflegen an der Ansaugbrücke als ein inniges Zeichen von Jetzt-bist-du-mein praktiziere, schießt mir plötzlich die Therapie für mein Radkappentrauma durch den Kopf: Da gibt es doch in der Lessingstraße in einer alten Fabrik den Reifenhändler Jabr, der müsste sie haben, genau die aus dem Baujahr meines BMW im Turbolook der M5-Alus.
Ein Satz für einen Zehner
Milan Jabr begrüßt mich wie einen alten Freund, obwohl ich vor Jahren das letzte Mal da war. Draußen steht eine ganze Palette voll mit originalen Plastikradkappen. Mit sicherem Blick ziehe ich die vier Turbos raus: "Gib mir einen Zehner", sagt Milan, "oder lade mich zu McDonald’s ein, es ist grad Mittag." Ich zücke zehn Euro und verspreche, dass ich im Frühling wiederkomme mit einem Bic Mac und wegen originaler Alus. Atemlos renne ich mit meiner Beute zum Auto, fahre in eine stille Seitenstraße und tackere die Dinger drauf, Schluss mit dem Libanon-Look. Meinen Seelenfrieden habe ich jetzt gefunden. Aluräder liegen vielleicht noch in meiner Garage, ganz unten im Beifang von knapp 30 unvernünftigen Käufen. Rein ins saubere, gut angezogene Auto und stille, verträumte Landstraßen nach Weißenhorn unter die Winterreife nehmen. Ein paar Stunden sind es noch bis zur Dämmerung, die Sonne scheint nun ungefiltert.