3,5-Liter-Mittelmotor mit Vierventiltechnik, 277 PS, Null auf Hundert in 5,6 Sekunden, 262 km/h: Damals, in seinen Jugendjahren in den späten Siebziger- und frühen Achtzigerjahren, konnte es der BMW M1 locker mit der Sportwagen-Konkurrenz aus Italien und Südwestdeutschland aufnehmen. Unter anderem wegen seiner Motorsporttechnik mit Gitterrohrrahmen, Kunststoff-Karosserie und einem Triebwerk, das von den legendären CSL-Rennwagen abgeleitet wurde. Zu Promotion-Zwecken etablierte BMW damals eine eigene Rennserie im Rahmen der Formel 1-Events, die einige spektakuläre Rennen bot.
Verlebte Karosserie mit Schrammen und Staubschicht
Zu Lebzeiten half das dem M1 wenig, gerade einmal 460 Exemplare wurden gebaut. Doch jetzt, etwa 40 Jahre später, wissen Autokenner das Können des ersten Sportwagens, der von der M GmbH entwickelt wurde, endlich zu schätzen. Was sich auch an den Preisen zeigt: Ein guter M1 kostet heute locker 500.000 Euro. Besonders freche Anbieter schrauben die Preise gar Richtung Millionen-Marke. Sie wissen: Das Auto ist begehrt.
So gesehen könnte sich jener BMW M1, den Coys nun im Rahmen der Techno Classica in Essen versteigerte, als echtes Schnäppchen erweisen. Für 160.000 Euro fand das Rekordauto einen neuen Besitzer. Einen Grund für den Sonderpreis liefern die Fotos: Das Auto sieht sehr verlebt aus, trägt Schrammen an vielen Ecken seiner Karosserie und eine dicke Staubschicht auf selbiger. Ein Blick auf das Foto des Motorraums lässt zudem starke Zweifel aufkommen, ob der Sportwagen überhaupt fahrbereit ist.
LPG-Umbau, zwei Turbos, 301,4 km/h
Das Bild macht noch aus einem anderen Grund stutzig: Sind da wirklich zwei Turbolader zu sehen? Der BMW M1 hatte doch einen drehfreudigen Sauger zwischen Fahrgastraum und Hinterachse sitzen! Und überhaupt: Sah er nicht eigentlich viel schlanker aus? Breitbau-Kit, Aerodynamik-Spiegel, XXL-Lufteinlässe an den Seiten, eckig geformte Radhäuser und einiges mehr: Wurde dieses Auto etwa Opfer eines der größten Tuning-Verbrechen in der Geschichte der Fahrzeugveredelung?
Nein, ganz im Gegenteil: Die Geschichte des in Essen versteigerten M1 ist eine extrem abwechslungsreiche. Zuerst das Positive: Es handelt sich hierbei um einen echten Rekordhalter. Mit 301,4 km/h erlangte der Sportwagen am 17. Oktober 1981 die Bestmarke für LPG-betriebene Autos. Richtig gelesen: Dieser M1 fuhr mit Autogas. Und zwar deshalb, weil der Mineralöl-Gigant British Petroleum (BP) damals LPG als Autokraftstoff bekanntmachen wollte. Umgebaut wurde der M1 seinerzeit bei der Gustav Hoecker Sportwagen-Service GmbH. Dort bekam er nicht nur die Autogas-Umrüstung, sondern auch besagte KKK-Turbos, dank derer die Leistung auf etwa 415 PS wuchs. Die Power reichte, um das angestrebte Ziel zu erreichen und schneller als 300 km/h zu fahren. Doch der Erfolg sollte sich bald in Tragik verwandeln – nicht nur für das Rekordauto.
Der Fahrer starb, das Auto stand
Mit Harald Ertl fand BP einen Rennfahrer, der verwegen genug war, das Projekt umzusetzen. Der Österreicher, der mit deutscher Lizenz fuhr, war in den Siebzigern zuerst erfolglos in der Formel 1 aktiv, um daraufhin in die Deutsche Rennsportmeisterschaft zu wechseln und dort 1978 den Titel zu gewinnen. 1981 pausierte Ertl im Motorsport, hatte aber Lust auf das Rekordprojekt. Also kaufte er den M1 von dessen Berliner Erstbesitzer, veranlasste den LPG-Umbau und fuhr auf dem VW-Testgelände Ehra-Lessien den Geschwindigkeitsrekord. Nicht mal ein halbes Jahr später war Ertl tot: Er starb im Frühjahr 1982 bei einem Flugzeugabsturz im Alter von nur 33 Jahren.
Auch für das Auto ging es traurig weiter. Über Alpina-Händler im Ruhrgebiet und in den Niederlanden und nach einigen Lackierungs-Eskapaden sowie einem Motorschaden gelangte es in den späten Achtzigern nach England. Auch dort stand es sich lange Jahre die Reifen platt, bis sich 1993 jemand erbarmte und den LPG-M1 für die Straße zuließ. Nur zwei Jahre später verstarb der neue Besitzer, und der besondere BMW stand abermals. Erst am Straßenrand, dann als Leihgabe in einem Museum und nach dessen Pleite in der Garage der Witwe des letzten Besitzers. An all diesen Plätzen verbesserte sich sein Zustand nicht gerade.
Coys-Auktion am 13. April auf der Techno Classica
Mit dieser bewegten Geschichte und in diesem bemitleidenswerten Zustand kam der BMW M1 nun zur Coys-Auktion auf der Techno Classica. Am Samstag, 13. April, fiel für ihn bei 160.000 Euro der Hammer. Es ist ihm zu wünschen, dass er jemanden gefunden hat, der sich endlich mal wieder gut um ihn kümmert. Nach so langer Zeit, nach so großer Odyssey, nach so viel Pech hätte er es verdient.