Der BMW M5 (E39) kann Nordschleife und Familienurlaub
Nordschleife oder Familienurlaub? Beides kein Problem für die dritte M5-Generation. Mit seinem 400 PS starken Fünfliter-V8 kommt der E39 dem Idealbild einer perfekten Sportlimousine sehr nahe.
Kein Turbo. Und auch kein Kompressor. Die Kraft, die du gleich spüren wirst, stammt aus einem hochdrehenden Sauger, einem Fünfliter-V8, gut für 400 PS, der so gerade eben in den Maschinenraum einer Fünfer-Familienlimousine hineinpasst. Erst die Kids zur Schule bringen, rasch noch den Einkauf erledigen und dann auf die Bahn, um mit dem BMW M5 ein paar Sportwagen einzutüten – dir gefällt, was du siehst.
Du steigst ein, deine rechte Hand zündet dieses Kraftwerk. Kein Gebrüll, kein Feuer und keine Funken, sondern nur ein Grollen, dezent, aber vielversprechend. Der erste V8 im Bug eines BMW M5 gibt sich im Stand so familienverträglich wie dieser piekfeine Innenraum. Fünf Sitzplätze, klar, die vorderen elektrisch verstellbar sowie mit Memory-Funktion und Sitzheizung, und allenthalben feinstes Leder.
Airbags rundum sind ab Werk inzwischen ebenso selbstverständlich an Bord wie eine Klimaanlage, elektrische Fensterheber oder ein Tempomat. Du schätzt dieses klassische Fünfer-Ambiente des BMW M5, wie du es schon aus einem vollausgestatteten 540i kennst.
So war das damals – den BMW M5 gab's nur mit Schaltgetriebe
Alles gleich also? Nicht ganz. Dir fallen sofort die üppigen Seitenwangen an den beiden vorderen Sportsitzen auf, und natürlich dieses kleine M-Emblem auf dem Schalthebel des Sechsganggetriebes. Zwar konnte man für viel Geld Extras wie einen Bordcomputer inklusive TV-Funktion (3.900 DM) oder ein Navigationssystem (6.400 DM) ordern, ein Automatikgetriebe jedoch nicht. Du erinnerst dich, dass es auch keine BMW M5-Kombiversion gegeben hat.
Dein Blick streicht über die Instrumente des BMW M5, fixiert schließlich diese orange leuchtenden Balken auf der Skala des Drehzahlmessers. Sie beginnen bei 4.000/min – und sind eindeutig als Warnung zu verstehen: bis hierhin und keinen Schritt weiter, solange der Motor dieses Power-Fünfer nicht seine Betriebstemperatur erreicht hat. Schon klar. Du weißt natürlich, dass man mit einem kalten Triebwerk keine schwarzen Striche zieht. Was vor der eigenen Haustür ohnehin nicht so gut ankäme.
Noch jenseits der 200 geht's ordentlich vorwärts
Also hangelst du dich mit dem BMW M5 im Schongang durch den Stadtverkehr, deine Augen wie hypnotisiert alle paar Sekunden auf diese Kontrollleuchten gerichtet: Je wärmer das Öl, desto weniger Warnlichter – bis nur noch eines bei sechsfünf sowie die rote Verbotszone bei siebentausend übrig bleiben.
Zehn Minuten später. Endlich bist du raus aus der Stadt, ein kurzes Stück Schnellstraße, gleich darauf die Auffahrt zur Autobahn. Du kannst es kaum glauben, wie mühelos dieser V8 hochdreht, wie sich das eng abgestufte Getriebe dabei leicht und exakt betätigen lässt. Die Übergänge – perfekt aufeinander abgestimmt, um diesen turbinenartigen Vortrieb bloß nicht auch nur einen Wimpernschlag lang zu unterbrechen. Doch am meisten gefällt dir am BMW M5 natürlich, dass dieser imposante V8 nicht einmal nördlich von Tempo 200 – das bereits nach 20 Sekunden ansteht – die Lust am Beschleunigen verliert.
Ein echter Porsche-Killer mit 290 km/h
Okay, werksseitig war damals bei Tempo 250 Schluss, du erinnerst dich noch dunkel daran, wie sich die Hersteller gegen Ende der 80er-Jahre auf eine freiwillige Tempobeschränkung geeinigt haben. Doch erst ohne Begrenzer, das hatte sich auch in deinem Freundeskreis schnell herumgesprochen, mutiert so ein optisch doch recht braver BMW M5 der dritten Generation mit rund 290 Sachen zu einem echten Porsche-Killer (in Zuffenhausen hatte man diese Beschränkung über die Jahre erwartungsgemäß ignoriert, aber das ist eine andere Geschichte).
Äußerlich war so ein entfesselter BMW M5 als solcher jedoch nicht zu erkennen – man musste es sich also schon sehr genau überlegen, ob man einen M5 auf der Bahn fordern sollte. Oder eben über ausreichend Qualm unter der Haube verfügen.
Doppel-Vanos und Einzeldrosselklappen
So viel Power kommt natürlich nicht von ungefähr, und dir fallen wieder die Testberichte ein, die du 1998, im Jahr der Präsentation, geradezu verschlungen hast. Vom Serien-V8 sei streng genommen nur noch der Zylinderabstand erhalten geblieben, hieß es, und an Gleichteilen sei einzig die Lichtmaschine für den neuen BMW M5 infrage gekommen. Aluminium-Block, Kurbelwelle, die gesamte Peripherie – alles Neuentwicklungen, um genügend Abstand zum ebenfalls nicht gerade untermotorisierten 540i zu schaffen. Nach oben.
Klar, mehr Hubraum. Dazu die bereits vom M3 bekannte Nockenwellenverstellung auf der Ein- und Auslassseite (Doppel-Vanos) sowie ein aufwendiges Ansaugsystem, bei dem für jeden Zylinder eine eigene Drosselklappe vorgesehen ist. Diese Klappen werden beim BMW M5 jedoch nicht wie noch beim Sechszylinder-M3 rein mechanisch, sondern elektronisch von einem Stellmotor gesteuert. Du spürst es an der Leichtigkeit, mit der sich das Gaspedal bewegen lässt, die mit einer mechanischen Übertragung so kaum möglich gewesen wäre.
In der "Sport"-Stellung geht es richtig ab
Dieses E-Gas bietet natürlich weitere Möglichkeiten, und du hast längst den kleinen Schalter auf der Mittelkonsole des BMW M5 entdeckt, mit dem du zwischen zwei Kennlinien wählen kannst. In der "Sport"-Stellung öffnen sich die Drosselklappen eine Spur schneller, und die gerade noch leichtgängige Lenkung verlangt nach etwas mehr Kraft.
Jetzt scheint dieser BMW M5 noch unverrückbarer auf der Straße zu liegen, rennt noch eine Spur exakter durch die Kurven, und es scheint dabei kaum eine Rolle zu spielen, wie schnell du bist. Genial. Dabei hatte dich doch schon die Präzision begeistert, mit der sich dieser rund 1.800 kg schwere Bolide selbst in der "Normal"-Stellung manövrieren lässt.
Dass das Fahrwerk des BMW M5 konstruktiv dem des Serien-Fünfer entspricht, fällt dir in diesem Moment allerdings schwer zu glauben. Die M-Techniker hielten einzig eine straffere Abstimmung, verstärkte Querlenker sowie progressive Federn für erforderlich. Und natürlich diese 18-Zoll-Walzen.
Power macht glücklich!
Klar, dass du jetzt ins Grübeln kommst. Eine Oberklasse-Limousine mit den Fahreigenschaften eines Supersportlers. Die es sich obendrein kaum anmerken lässt, dass sie bereits 17 Jahre alt ist. Man könnte daheim ja verstärkt an die Vernunft appellieren. Ins Feld führen, dass der Kofferraum mit 460 Litern locker das komplette Familien-Urlaubsgepäck schluckt. Oder dass im BMW M5 bereits Isofix-Halterungen für die Kindersitze an Bord sind. Womöglich ist es jetzt an der Zeit, dass du einfach auch mal an dich denkst.