Mit dem Memminger-Käfer ist es so, als würde man nach Jahren einen alten Kumpel wieder treffen. Der, anders als das eigene Spiegelbild, noch aussieht wie zu Studienzeiten, offenbar hat er regelmäßig Sport getrieben. Dann macht er den Mund auf und - holla - hatte der Typ nicht früher so eine Fistelstimme? Heute klingt er, als würde er seine Stimmbänder mit der Schruppfeile reinigen, bevor er sie zum Absingen wilder Seemanns- Shanties rannimmt. Der Memminger-Käfer ist so ein Kandidat.
Der 2,2-Liter-Boxer baut auf dem US-Alublock auf
Auf den ersten Blick ist der Memminger-Käfer nur ein top gepflegtes Cabrio. Okay, Sieben-Zoll-Felgen an der Hinterhand und Pendants mit 5,5 Zoll Breite vorn lassen vermuten, dass hier nicht alles mit originalen Dingen zugeht. Ein Dreh am Zündschlüssel bestätigt den Verdacht. Im Heck boxt sich ein vom bayerischen Motorenspezialisten RMB nach Memminger-Spezifikation aufgebauter Vierzylinder ins Leben. Grundsätzlich klingt er noch wie ein Käfer-Motor, aber wesentlich tiefer und sonorer. Warum ist das so?
Aus der Heckschürze des Memminger-Käfer lugen nach wie vor zwei Endrohre heraus. Ihr Durchmesser nimmt es aber locker mit den in den Siebzigern so beliebten Monza-Tüten auf. Nur dass diese vor allem für die Show waren, steckten sie doch meist in einem Serienschalldämpfer. Käfer-Guru Georg Memminger hat dagegen einen kompletten Edelstahl-Auspuff entwickeln lassen, der den Bedürfnissen großvolumiger Käfer-Herzen entgegenkommt, wahlweise mit Kat für Euro 2-konforme Abgase. Und Volumen hat der Boxer, genau 2.176 Kubikzentimeter.
Kenner werden jetzt bedeutsam Luft zwischen den zusammengebissenen Zähnen durchziehen. Denn Typ 1-Motoren dieser Größe machen häufig Schwierigkeiten, weil der VW-Magnesium- Motorblock bei derart viel Hubraum an seine Stabilitätsgrenzen stoßen kann. Memminger setzt deshalb auf einen Block aus US-Produktion, der aus stabilerem Alu gegossen ist. Angenehmer Nebeneffekt: Die Motor des Memminger-Käfer soll neben guter Dauerhaltbarkeit noch eine hohe Resistenz gegen Ölundichtigkeiten besitzen.
Verbesserte Kühlung und Porsche-Cayenne-Einspritzdüsen
An die sechs Schräubchen, die üblicherweise den Ölablassdeckel halten, hat Memminger einen zusätzlichen Ölsumpf geflanscht. Gemeinsam mit dem in die Frontschürze integrierten Ölkühler ergibt sich so ein Volumen von rund 4,5 Litern für den lebenswichtigen Schmier-/Kühlstoff, den eine verstärkte Pumpe fördert. Das freut besonders den dritten Zylinder, denn der lief gerade bei den Cabrios häufig so heiß, dass sein Auslassventil verbrennen konnte. Daher hat VW neben der Luft- und Ölkühlung auch immer auf die Innenkühlung durch Benzin gesetzt - ein Grund, warum Käfer als Säufer verschrieen waren. Aber dagegen lässt sich ja etwas tun.
Früher nahm man idealerweise Doppelvergaser. Mit ihnen ging zwar der Verbrauch nur wenig zurück, aber nun passte wenigstens die Leistung zum Durst. Georg Memminger hat heute das Problem, dass neue Vergaser in der von ihm bevorzugten Qualität kaum noch zu bekommen sind. Darum setzt er auf eine gemeinsam mit Bosch entwickelte Multi-Point-Einspritzung und bedient sich aus dem Teileregal des großen Zulieferers - der Porsche Cayenne nutzt beispielsweise dieselben Einspritzdüsen wie der Memminger-Käfer.
Memminger verdoppelt das Drehmoment - und halbiert den Verbrauch
Übertrieben kräftig wird der Motor, der nach Anhebung der Verdichtung mit Super Plus läuft, dadurch nicht, die Hinterräder werden von seinen 109 PS kaum überfordert. Aber Pferdestärken sind ohnehin nur am Stammtisch wichtig, während auf der Straße das Drehmoment zählt. Bei dem Memminger-Käfer sind es laut Prüfstandslauf knapp 200 Newtonmeter, etwa doppelt so viel wie beim Originalmotor mit 1,6 Liter Hubraum. Schon bei 2.600 Touren kann man auf der maximalen Drehmomentwoge surfen.
Endlich lässt sich der Käfer untertourig fahren, ohne dass er sich gequält anfühlt. Dabei sinkt der Minimalverbrauch des Memminger-Käfer auf sagenhaft niedrige 6,2 Liter pro 100 Kilometer, gemessen auf der auto motor und sport-Normrunde. Im Mittel süffelt der Boxer 10,1 L/100 km weg. Das 50 PS starke Original kam im Test seinerzeit auf 12,2 L/100 km. Memminger passt das Getriebe an den neuen Mumm an und verlängert die Gänge drei und vier. Bei 100 km/h dreht der Boxer in der letzten Stufe nur noch 2.300/ min, das senkt neben dem Verbrauch auch das Geräuschniveau. Im vierten Gang kann man die Drehzahl bis auf etwa 1.400/ min fallen lassen, wenn gemütliches Gleiten angesagt ist.
Stramm geht es nach vorne, erst bei 164 km/h ist Schluss
Beim Druck aufs Gaspedal im Memminger-Käfer dreht der Boxer aus diesen Drehzahlniederungen dennoch ruckfrei und erfreulich zügig hoch. Es bleibt aber trotz aller Kraft aus dem Drehzahlkeller ein ungewohnt großer Drehzahlsprung zwischen den Gängen zwei und drei. Der Käfer-Spezialist arbeitet allerdings schon an diesem Problem und entwickelt ein Fünfganggetriebe. Aber bereits vierstufig ist der Memminger-Käfer schnell. 164 km/h lassen sich mit dem Aggregat überraschend mühelos realisieren, der auf eine 180er-Skala umgebaute Tacho zeigt dann 170.
Auf der Autobahn ist man mit dem Memminger-Käfer also auf der sicheren Seite. Vorbei sind die ewig langen Überholmanöver, bei denen es galt, einen oder mehrere Lastwagen zu bezwingen. In den Siebzigern ging den meisten Tuning-Käfern ohnehin spätestens bei 155 km/h die Puste aus. Was damals sicher ganz gut war, denn selbst der fahrwerksseitig stark modifizierte Memminger-Käfer hat ab etwa 145 km/h Geschwindigkeit den Geradeauslauf eines jungen Hundes. Man darf das Lenkrad nun nicht verkrampft festhalten, muss die Zügel etwas locker lassen, dann lässt sich mit dem leichten Pendeln erstaunlich gut leben.
Die Sache hat nur einen Haken
Und wo ist der Haken? Man sollte bereit sein, 12.500 Euro zu investieren, für den Motor versteht sich. Der in den Zustand 1 versetzte Käfer kommt dann bei Memminger noch einmal mit rund 48 000 Euro obendrauf. Mit ein bisschen Sport war es also bei diesem alten Kumpel nicht getan. Hier hat eine veritable Herztransplantation stattgefunden. Versteht sich, dass die ins Geld geht. Aber sie macht das Leben mit dem Käfer auch noch ein wenig lebenswerter.
Die Originalitäts- Fraktion schätzt solche Umbauten wie ein Loch im Kurbelgehäuse. Wenn schon Tuning, dann doch bitte mit zeitgenössischen Mitteln.
Vorteile für die Umwelt
Aber welcher Käfer-Motor mit nachträglich montierten 40er-Weber-Vergasern erfüllt schon Euro-2-Abgasstandards und läuft mit zehn L/100 km? Und dann immer diese Ölkleckerei. Dass die Technik von Georg Memminger im Käfer gut funktioniert und sogar ein Plus für die Umwelt bedeutet, steht auf der Habenseite, dass er Oldtimern ihren historischen Status raubt, scheint aber ebenso klar.
Immerhin, Memminger weicht mit seinen Modifikationen nicht vom Grundprinzip des Boxermotors ab, setzt nicht auf moderne Motoren wie manch anderer Oldtimer-Verbesserer. Aber wo genau soll man die Grenze ziehen zwischen sinnvoll modifizierter Technik und einem Oldtimer-Lookalike? Wie denken Sie, lieber Leser? Ihre Meinung würde uns interessieren.