Mercedes 280 SE: W 126 als Klassiker für die Familie

Mercedes 280 SE
W 126 als Klassiker für die Familie

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Die wilden Jahre im Alfa Romeo Spider sind vorbei, das erste Kind ist auf der Welt. Jetzt muss ein Familien-Klassiker her. Und das kann im Fall von Redakteur Jens Katemann nur ein Mercedes-Benz sein.

Mercedes 280 SE, Seitenansicht, Jens Katemann
Foto: Dino Eisele

Onkel und Tante erlauben einem Kind immer mehr als die Eltern. Dieser Umstand hat in meinem Fall mit dazu geführt, dass ich jetzt stolzer Besitzer eines Mercedes-Benz W 126 aus dem Jahr 1984 bin.

Mercedes fahren hat Familientradition

Als meine Mercedes-Benz W 126- S-Klasse bei Daimler in Sindelfingen die Bleche gestanzt, die Scheinwerfer montiert und das große elektrische Schiebedach eingebaut bekommt, bin ich gerade mal zehn Jahre alt und kann kaum über das Instrumentenbrett eines Autos blicken. Meine Eltern schnallen mich in ihrem Audi deswegen brav hinten an, bei meinem Onkel Karl jedoch darf ich vorne sitzen – und bekomme die volle Portion Mercedes, während ich an Audi nur schnuppere.

Unsere Highlights

Seit ich denken kann, fährt mein Onkel Karl Mercedes. In seinen wilden Jahren soll er meine Tante zwar im Fiat Spider ausgeführt haben, aber die liegen da bereits hinter ihm. Sein goldener W 124 ist das erste Auto, an das ich mich bewusst erinnere. Er hatte Automatik, elektrische Fensterheber und eine Anhängerkupplung, war ansonsten aber eher schwäbisch-sparsam ausgestattet. Nur unter der Haube musste es vom Allerfeinsten sein. Karl fuhr stets Achtzylinder und predigte mir immer: „Junge, Hubraum ist durch nichts zu ersetzen.“ An der Ampel gab er den zahlreichen Pferdchen gerne die Sporen.

Neben dem luxuriösen Ambiente des Mercedes war es vor allem dieser Schub, der mich so herrlich in den Sitz drückte und sich mir so ins Gedächtnis gebrannt hat. Dazu auf Augenhöhe mit dem majestätischen Stern, der vorn auf der langen Haube thront – so fühlt sich nur ein Mercedes an. Kindheitserinnerungen sind halt besser als jedes Marketing.

Erst ein offener Italiener

Ich halte mich aber an die Familientradition und verbringe wie Karl meine wilden Jahre im offenen Italiener. Doch in dessen Heck schlägt der Nissan Micra einer übermüdeten Krankenschwester ein. Das muss Schicksal sein, denke ich, und starte im Internet die Suche nach meinem Mercedes. Es soll auf jeden Fall einer aus den Achtzigern sein, denn ich will unbedingt dieses Fahrgefühl von damals selbst am Steuer spüren.

Einige Monate gehe ich mit einem 124er Coupé schwanger. Mit Kind – als Vater eines zweijährigen Sohnes – aber zu unpraktisch. Ein 123er? Mit einem „Du willst so ein Bauernauto?“ beendet meine Frau das Gedankenspiel. Sie plädiert stattdessen für ein mondänes viersitziges Cabrio aus den Fünfzigern, hält mich aber an, nicht mehr als 5.000 Euro auszugeben. Ich glaube, so etwas nennt man Zielkonflikt. Wir einigen uns schließlich auf mondän und trotzdem bezahlbar – es soll eine Mercedes S-Klasse werden. „Was für eine denn?“ „Na, auf jeden Fall mit Schiebedach“, antwortet meine Frau.

Automatik ist Pflicht

Die scheinbar leichte Aufgabe entpuppt sich dann doch als nicht so einfach, denn ich habe genauere Vorstellungen. Automatik ist bei der Mercedes S-Klasse Pflicht, und schon nach einer Woche suchen weiß ich: Es muss die erste Serie des W 126 sein. Mir gefallen die Fuchsfelgen und die Riffelplanken einfach besser als die Gullideckel-Räder des ab 1985 gebauten Facelift. Die ersten Autos schaue ich ohne meine Frau an und komme stets frustriert wieder nach Hause. Entweder Rost so weit das Auge reicht oder rundum vermackt und mit nach 300.000 Kilometern durchgesessenen Polstern, bei denen man jede Feder einzeln spürt. Mein virtueller Parkplatz im Internet schrumpft stetig.

Letzter Hoffnungsträger ist ein Mercedes 280 SE, Baujahr 1984, der auf den Fotos einen ausgesprochen guten Eindruck macht. Aber ich ahne schon, was meine Gattin zu der Farbe sagt. „Silberdistel ist voll zeitgenössisch, und der grüne Innenraum sieht noch super aus“, schwärme ich ihr von der S-Klasse vor. Das Ergebnis meiner Überredungskünste ist immerhin eine Probefahrt mit der ganzen Familie.

Es ist heiß, sogar ungewöhnlich heiß für einen Tag im September in Deutschland. Unser Sohn Justus ist auch dabei. Er läuft erst aufgeregt um den Mercedes 280 SE, klettert dann ins Cockpit, um alle Knöpfe zu testen, während ich schwitzend den Kindersitz montiere. Ich schnappe den Kleinen und setze ihn hinten in die S-Klasse rein, bevor er die Warnblinkanlage zum hundertstenmal an- und ausschalten kann. Viola, meine Frau, nimmt, noch etwas distanziert, auf dem Beifahrersitz platz. Sie ist ungewöhnlich still.

„Das Grün gefällt mir“

Ich erwecke den Reihensechszylinder der S-Klasse zum Leben, der mercedes-typisch kultiviert läuft, löse die Fußfeststellbremse – wir rollen los. Und schon nach wenigen Metern ist es wieder da, dieses erhabene Gefühl, das mir nur ein Mercedes vermittelt. Die rund sechs Liter Öl, die den 2,8-Liter-Doppelnocker umgeben, werden langsam warm – und meine Frau mit der W 126-S-Klasse. Sie drückt auf den Knopf für das elektrische Schiebedach, das sich mit einem leisen Surren öffnet. „Das Grün gefällt mir“, sagt sie und lächelt. Als ich das Radio anschalte, steckt im Kassettenlaufwerk noch ein altes Band – deutsche Blasmusik.

Nach der Probefahrt bestätigt sich auch außen der positive Eindruck des Mercedes W 126. Der Benz hat nahezu keinen Rost, ein Stapel Rechnungen zeugt von einer umfangreichen Wartung, und die Blaskapelle ist im Kaufpreis von 3.700 Euro inbegriffen. „Bei dem Angebot können wir doch nicht Nein sagen, oder?“ Viola erteilt mir die Absolution. Wir einigen uns mit dem Verkäufer auf 3.600 Euro mit vollem Tank. Ein guter Deal, denn wenige Minuten nach der Unterschrift unter den Kaufvertrag gurgelt noch Sprit für 130 Euro in den 90 Liter fassenden Kessel der S-Klasse.

Zu Hause angekommen rufe ich natürlich als erstes meinen Onkel Karl an. „Ich habe mir eine S-Klasse, Baujahr 1984 gekauft“, erzähle ich aufgeregt. Die erste Frage besteht nur aus einem Wort: „Achtzylinder?“ „Nein.“ Trotzdem bekomme ich ein Lob für den W 126 – nicht zuletzt wegen seiner schwäbischen Ausstattung.

Schwäbisch reduzierte Ausstattung

Mein Mercedes 280 SE hat, wie die Autos von Karl, keinen unnötigen Schnickschnack an Bord. Die wichtigsten Extras neben dem elektrischen Schiebedach und der Automatik sind Zentralverriegelung, Kopfstützen und zwei zusätzliche Musikboxen hinten, Mittelarmlehne, rechter Außenspiegel und die geschmiedeten Fuchsfelgen. Ein Blick in die Preisliste von 1984 ergibt dennoch unter dem Strich Extras im Wert von 10.000 DM. Meine S-Klasse hat damit mal über 60.000 Mark gekostet.

Mein Handy klingelt, als ich gerade damit fertig bin, die vier doch etwas arg lädierten Musikboxen des W 126 gegen neue auszutauschen. Es ist Karl. Er hat auf dem Dachboden noch ein Original-Mercedes-Kofferset gefunden. Ich verspreche, ihn im Frühjahr mit der S-Klasse in Düsseldorf zu besuchen und die Koffer abzuholen.

Das Gespräch wird jäh unterbrochen. Justus hat den Lautstärkeregler entdeckt und testet spontan die neuen Boxen. Ich ziehe ihn vom Radio der S-Klasse weg und mache wieder leise, damit die Nachbarn nicht mit AC/DC’s „Highway to hell“ dauerbeschallt werden. Die Blasmusikkassette hatte ich zum Glück schon entsorgt.

Zweijähriger Sohn übernimmt den Bedientest

Der Bedientest geht im Mercedes 280 SE unterdessen weiter, indem alle Kippschalter nacheinander gedrückt werden. Justus findet den Knopf für das Schiebedach am besten. Nach zehnmal auf und zu reicht es mir aber. „Komm, wir drehen eine Runde mit Papas neuer S-Klasse“, versuche ich meinen sichtlich enttäuschten zweijährigen Rockmusik-Fan aufzuheitern und will ihn hinten in den Kindersitz setzen. „Nein, vorne“, protestiert er. Ich erinnere mich an meine Fahrten im Fond des elterlichen Audi und montiere den Kindersitz auf dem Beifahrerplatz.

Stolz sitzt Justus neben mir in der S-Klasse, als meine Frau vorbeikommt. „Der Kleine sitzt aber nicht während der Fahrt vorne“, sagt sie zu mir. „Doch, mein Schatz. Stell dir vor, es ergeht ihm wie mir, und er darf nur bei seinem Patenonkel vorne sitzen. Dann steht er später auf einen Toyota Avensis. Das willst du doch nicht wirklich, oder?“ Sie lässt uns fahren.

Technische Daten
Mercedes 280 SE
Höchstgeschwindigkeit210 km/h