"Mercedes versetzt sein Tafelsilber!" "Wehret den Anfängen!" "Eine Schande für Deutschland!" Mit der ehemaligen Inventarnummer 533 seines Museums hat Mercedes für große Aufregung gesorgt. Diese nüchterne Nummer kennzeichnete einen von nur zwei gebauten 300 SLR Coupés. Für den Zuschlagspreis von 135 Millionen Euro wechselte der kultisch verehrte Supersportwagen aus dem Baujahr 1955 den Besitzer. Dieses SLR Coupé wird jetzt als "wertvollstes Auto der Welt" gefeiert – Mercedes 300 SLR schlägt Ferrari 250 GTO.
Millionen-Opfer für PR?
Wie kann Mercedes nur so etwas machen? Emotional betrachtet ist der SLR ein faszinierender Sportwagen mit für die 50er-Jahre grandiosen Fahrleistungen. Darüber hinaus begeistern die technischen Finessen ebenso wie der raue Sound des Achtzylinders, die elegante Form des geschlossenen Coupés mit Flügeltüren. Also ein No-Go, ein mit kaltem Herzen geschlachtetes Millionen-Opfer für PR und Image durch einen gegründeten Fund für Zukunftsprojekte des Konzerns?
Mit sachlichem Blick jedoch erweist sich das jetzt abgegebene Coupé mit der roten Innenausstattung als historisch weit weniger wertvoll als das Schwesterauto (blaue Innenausstattung), welches im Mercedes-Benz-Museum ausgestellt wird. Der "Rote" mit der Chassisendnummer 00008/55 wurde erst Ende Dezember 1955 fertiggestellt und im Juni 1956 erstmals gefahren worden.
Allerdings hat Uhlenhaut selbst wohl nur zwei Mal am Steuer dieses Autos gesessen, bei Testfahrten im November 1956 und für die Abnahmefahrt. Von 1961 bis 1963 ging der "Rote" auf USA-Tournee. Nach etlichen Demonstrationsfahrten kehrte er schließlich beschädigt nach Untertürkheim zurück, angeliefert in einem Eisenbahnwaggon. 1986 schließlich wurde der "Rote" von Tony Merrick restauriert und war seither immer wieder als für Mercedes-Benz Classic bei einigen Veranstaltungen im Einsatz.
Das echte Uhlenhaut-Auto steht im Museum
Das "Uhlenhaut"-Coupé im strengen Sinn ist der "Blaue" (Chassis …00007/55) und nur der. Dieses Exemplar diente Rudolf Uhlenhaut zeitweise als Dienstwagen. Darüber hinaus als Testwagen für die Sportwagenrennen GP von Schweden, Tourist Trophy und Targa Florio, letztere die beiden abschließenden WM-Läufe sowie in Monza. Dieses erste Coupé war bereits im Juli 1955 fertiggestellt.
Die ganze Aufregung um den Verkauf ist angesichts dieser historischen Fakten überzogen. Das jetzt verkaufte Coupé ist der von seiner Geschichte her uninteressanteste aller neun gebauten SLR. Immerhin hat ein Sammler dafür eine Summe geboten, die sonst nur für hochkarätige Kunstwerke gezahlt wird. Vier Tage nach der Coupé-Versteigerung in Stuttgart wurde in New York Andy Warhols Siebdruck von Marilyn Monroe für umgerechnet 195 Millionen Euro versteigert.
Nicht der erste Verkauf
Mercedes selbst hat sich auch vor dem aktuellen Verkauf immer wieder von Autos aus seiner Sammlung getrennt. Zwei SLR wurden beispielsweise an andere Museen abgegeben. Darüber hinaus wurde das erstgebaute Exemplar 1959 dem Ford Museum in Dearborn überlassen, aber 2001 für 3,5 Millionen US-Dollar zurückgekauft. Das Herauslösen auch von hochkarätigen Exponaten aus der Sammlung ist also nichts Neues. Allerdings passierte das bislang viel geräuschloser als im aktuellen Fall. Allenfalls das ganze Bohei rund um die Auktion bietet einen Grund zur Aufregung. Letztlich muss Mercedes wie jeder private Sammler auch darüber entscheiden, wie der Bestand seiner Sammlung gepflegt wird.
Fazit
Übrigens äußerte Mercedes-Chefingenieur Fritz Nallinger schon 1955 die Idee, 300 SLR-Coupés auch Kunden anzubieten – zu einem geschätzten Verkaufspreis von 20.000 US-Dollar. Das hatte sich mit dem kompletten Einstellen aller Motorsportaktivitäten des Werks erledigt.