Früher hießen SUV Geländewagen. Heute besitzen die ersten ein H-Kennzeichen und versprechen kernigen Fahrspaß mit hohem Freizeit-Nutzwert.
Statt Militäreinsatz zivile Kletterkünstler
Schon bei den alten Preußen galt das Militär als wichtige Schule zur Festigung des Charakters und zur Stärkung der Körperkräfte. Außerdem hob eine Karriere in Uniform die gesellschaftliche Stellung des jungen Mannes, vergrößerte dessen Chancen einer großbürgerlichen Einheiratung und stellte sogar eine ordentliche Pension in Aussicht. Dass auch ein Automobil in den Genuss dieser Vorzüge kommen kann, beweisen die drei hier im Donautal zwischen Beuron und Sigmaringen für einen Fahrvergleich angetretenen Kadetten: Mercedes G, Jeep CJ-7 und Land Rover Serie III.
Sie sind in ihren Grundkonstruktionen mindestens 34 Jahre alt, werden noch heute produziert und erfreuen sich einer riesigen Fan-Gemeinde. Allerdings haben der Land Rover und das G-Modell von 1980 sowie der Jeep von 1978, die hier jeweils in Zivilversion zur Titelstory antreten, das Lastenheft der Militärs schon längst über Bord geworfen. Dafür prädestinieren ihre frische Optik, die widerstandsfähige Technik und höchst unterschiedliche Fahreigenschaften die Drei zu Spaß- und Hobby-Vehikeln der allerersten Güte.
Jeep mit dem längsten Stammbaum
Den längsten Stammbaum mit Militärwurzeln besitzt der Jeep. Ab 1941 hat die US-Automobilmarke Willys zusammen mit Ford (Typbezeichnung GPW) als Lizenznehmer den Willys MB an die amerikanische Armee ausgeliefert. Optisch wie auch technisch ist der Willys MB, von dem bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs 363 000 Stück (Ford GPW: 280 000) produziert wurden, der unmittelbare Vorfahre des CJ-7.
Nach mehreren Firmenfusionen, bei denen der Markenname Willys rasch verschwand, etablierte sich der ab 1944 angebotene CJ (Civilian Jeep) zuletzt sogar als eigene Automobilmarke. Die Produktions-Stationen waren: Willys Overland, Kaiser, American Motors Corporation und seit 1987 Chrysler.
Land Rover wird seit 1948 gebaut
Wesentlich einheitlicher verlief dagegen die Geschichte des 1948 präsentierten Land Rover, der nach dem Vorbild des Jeep einfach und robust konstruiert war, sich in zwei Punkten jedoch stark von diesem unterschied: Die Karosserie besteht bis heute aus Aluminium, und hinter den Vordersitzen stabilisiert ein Querschott den Aufbau, weshalb offene Land Rover stets wie ein Pick-up aussehen.
Ursprünglich war der Land Rover als ziviles Vielzweck-Agrar-Fahrzeug konzipiert, wird aber in vielen Ländern bis heute beim Militär eingesetzt. Bereits ab 1954 gab es zwei verschiedene Radstände mit offenen und geschlossenen Karosserien. Zunächst mit 86 und 107, ab 1957 mit 88 und 109 und seit 1983 bis heute mit 90 und 110 Inches. Die Radstände des Landy dienen auch als Modellbezeichnungen.
Mercedes kam 1979 mit dem G-Modell auf den Markt
Im Vergleich zu seinen beiden Offroad-Kollegen ist das G-Modell von Mercedes ein richtiger Jungspund. Ihn gibt es erst seit 1979 als Kind aus der Ehe von Daimler-Benz mit Steyr-Daimler-Puch, die bereits 1972 mit dem Ziel eines gemeinsamen Geländewagens geschlossen wurde. Bis heute wird der G in Graz gebaut, und bis 2000 wurde er in einigen Märkten als Puch G ausgeliefert. Selbstverständlich dienten zunächst auch der Mercedes G und seine Lizenzbauten wie der Peugeot P4 in vielen Nato-Ländern primär dem Schutz von Heim und Herd. Bei der Bundeswehr hat das "Wolf" genannte G-Modell inzwischen den kapriziösen "Iltis" von Volkswagen komplett abgelöst.
In Zivil mit Charakter
Aufgrund ihrer Auslegung als robuste und unkomplizierte Arbeitstiere unterschieden sich unsere drei Oldtimer-Geländewagen in Militärausführung kaum voneinander. Sie waren offen, hart und ohne Komfort, dazu innen wie außen für eine Dampfstrahlreinigung geeignet. Erst in ihrem zweiten Leben als fleißige Zivilisten zeigt jeder von ihnen einen eigenen Charakter.
Am weitesten von seinem Militär-Urtyp hat sich unser nobles G-Modell von 1982 entfernt. Das überrascht, denn rein private, nicht von Militär, Feuerwehr, Grenzschutz oder sonstigen Behörden genutzte frühe Gelände-Mercedes sind sehr selten. Weshalb sollte also Mercedes für die wenigen Privatkunden spezielle Polsterfarben- und Stoffe sowie Komfortausstattungen ins Programm nehmen? Dennoch haben es die Stuttgarter getan, wie es dieser sandbeige 240 GD von Wolfgang Schmidt beweist. Er kommt aus dem Straßensalz-freien Italien, wo ihn ein Weinhändler vornehmlich auf befestigten Straßen fuhr und mit viel Pflege verwöhnte. Dadurch ist das hohe, kantige Gefährt im authentischen Auslieferungszustand erhalten geblieben.
Gehobene Ausstattung im Mercedes G-Modell
Und wir können über die perfekte Optik und die fast schon luxuriöse Ausstattung nur staunen: die komplett mattschwarze Frontpartie mit Gummischutz für das Lampengehäuse, die insgesamt herrlich kantige Karosserie mit ebenso kantigen Radausschnitten, die in einer dicken Schutzleiste integrierten Türgriffe, das doppelte Tropendach und die drastische Maul-Anhängekupplung in der Front-Stoßstange.
Das Interieur überrascht durch im gleichen Farbton wie die Karosserie gehaltenen, fein karierten Polsterstoff, der auch als Türverkleidungen dient. Sogar der Boden ist mit dattelbraunen Kunststoffmatten ausgelegt, und das Vierspeichen-Pralltopf-Lenkrad stammt aus dem W 123. Auch die Sitze mit ordentlichen Nackenstützen und die Pedale entsprechen dem Limousinen-Standard von Mercedes.
Es entsteht der Eindruck, dass dieser elegante 240 GD von 1980 den zehn Jahre zuvor präsentierten Range Rover mit seiner Komfortausstattung fast schon übertrifft. Ist dieses frühe G-Modell etwa bereits ein SUV?
Gute Aussicht im G-Modell
Hinter dem Lenkrad Platz genommen, überrascht die ungewöhnlich gute Aussicht von oben herab auf Motorhaube und Straße. Das hoch aufragende Dach wird von innen kaum wahrgenommen, weshalb man sich trotz Karosserie wie ein Kutscher von Wells Fargo vorkommt und jetzt einen Begleiter mit Schrotflinte neben sich wünscht.
Vor der Abfahrt erklärt Besitzer Schmidt die Hebel auf der Mittelkonsole: Schalthebel, Allradantrieb und die beiden Zugknöpfe für die hydraulisch betätigten Differenzialsperren von Vorder- und Hinterachse. Dann folgt noch ein wichtiger Tipp: "Bitte drehen Sie die Gänge ab dem Zweiten richtig aus, denn sonst geht es kaum vorwärts."
Unterwegs gibt der 240 GD nun doch einiges von seiner eigentlichen Herkunft als Militär-Arbeitstier preis, wenn sich der Vierzylinder-Diesel knurrend und trotzig durch das Drehzahlbands arbeitet. Wenn sich 72 PS mit 1,7 Tonnen abmühen, erinnert dies an einen Kieslaster aus den Sechzigern, der ebenfalls viel Schaltarbeit verlangte.
Allerdings hält sich das Geräuschniveau des G in Grenzen, denn die Getriebe und Differenziale arbeiten weitgehend leise und diskret. Das schraubengefederte Fahrwerk zeigt feine Komfortqualitäten und verursacht entsprechende Kurvenschräglagen, welche die hervorragenden Sitze wirkungsvoll kompensieren.
Land Rover ist das Vielzweck-Werkzeug
Während ausgerechnet das sonst beamtenmäßig-nüchtern auftretende G-Modell bei diesem Vergleich den luxuriösen Landlust-Dandy mimt, bleibt sich der hellblaue Land Rover 109 seiner ursprünglichen Aufgabe als fahrendes Vielzweck-Werkzeug absolut treu. Man betrachte nur den aus verzinktem Stahl bestehenden Frontscheibenrahmen, die ebenfalls verzinkten Beschläge zwischen der Alu-Karosserie und dem abnehmbaren Hardtop und schließlich die durch Metallleisten geschützten hinteren Wagenkanten.
Anstelle von Türgriffen gibt es zwei quadratische Karosserieöffnungen, in denen ein kleiner, perfekt geschützter Hebel als Türöffner dient. Und die Kühleröffnung ist zum Schutz der Technik zwischen den kastenförmigen Kotflügeln nach hinten versetzt, weshalb auch nach einem harten Nashorn-Kontakt nicht gleich das lebenswichtige Kühlwasser im trockenen Sand der Serengeti versickert.
Im Land Rover herrscht funktionale Kargheit
Doch das war erst der Anfang. Im Inneren ertragen die funktionale Kargheit des Land Rover nur Fans der Marke oder sonstiger Landmaschinen. Aber das Ganze hat auch einen unwiderstehlichen Charme, wenn der etwa 50 Zentimeter lange Schalthebel und seine kleinen Freunde wie Pilze aus dem hellblau lackierten Blech wachsen, wenn man die Außenhaut der Karosserie in den Türen von innen betrachten kann und der Fahrersitz auch auf einem Gabelstapler eine gute Figur machen würde.
Immerhin ist das Instrumentenbrett aus halbwegs elastischem Kunststoff geformt. Kleine Kippschalter im klassischen E-Type-Stil, die links neben den beiden großen Rundinstrumenten platziert sind, regeln die Beleuchtung und das Scheibenwischen, zwei große Lüftungsklappen unterhalb der Windschutzscheibe das Klima.
Ganz im Gegensatz zum Glaspalast des G-Modells sieht der Land Rover-Fahrer durch eine relativ niedrige Windschutzscheibe vor allem auf die von der Sonne gebleichten Gummistollen seines Ersatzrads. Das hätte normalerweise in einer speziellen Kuhle auf der Ladefläche hinter dem Fahrer Platz, kostet dort jedoch einiges an Stauraum.
Ein Durchwühler für Weltenbummler
Die zweitürigen, langen Land Rover mit den beiden Seitenscheiben sind nämlich die typischen Expeditions- und Weltenbummler-Autos, in denen ein Zwei-Mann-Team auch schlafen und sehr eingeschränkt wirtschaften kann. Oder man nützt den üppigen, gut zwei Meter langen Stauraum auf heimischen Touren für den Transport von Schlittenhunden, Mountainbikes, Faltbooten, Conga-Trommeln und ähnlichem. Dann ist es manchmal besser, wenn das Ersatzrad draußen auf der Motorhaube mitreist.
Vor dem Losfahren versetzt der Großkolben-Vierzylinder des Landy mit sonorem Benziner-Trompeten, das auch von einem MG A oder Austin-Healey 100 stammen könnte, den Piloten in allerhöchste Euphorie: Da geht doch was! Auch das eisern-präzise mit eindeutigen "Klicks" und "Klacks" zu schaltende Getriebe steigert die Laune.
Einmal richtig in Fahrt, produziert der Motor nur ein gutmütiges, dezentes Brummen, weil das hallige Singen und Heulen des Antriebs sich akustisch in den Vordergrund drängt. Der riesige Laderaum übernimmt bei die Funktion eines Konzertsaals und verstärkt das vorn unter der Haube sowie unterhalb des Schalthebels produzierte Klangspektakel derart effektiv, dass Unterhaltungen nur noch im Kasernen-Ton möglich sind.
Der Land Rover-Fahrer sollte Gelassenheit mitbringen
Nur die Lenkbefehle des Fahrers nimmt der Landy nicht so gerne an. Über einen breiten Nullbereich hinweg tut sich nämlich nur wenig. Also lenken wir umso stärker in die gewünschte Richtung, die der Wagen dann plötzlich mit der Vehemenz von Vettels Formel 1-Renndose einschlägt und wir wieder erschrocken zurückdrehen. Das beliebte Seemannslied "What shall we do with a drunken sailor" kommt einem in den Sinn. Zum Glück legt sich der hochbeinige Brite recht zackig in die Kurve – sogar mit einer gewissen Härte.
Aber irgendwann hat man den sprichwörtlichen Bogen raus, lässt den Landy mit lockeren Zügeln einfach laufen und konzentriert sich nur noch auf eine Sache: Vollgas, Tempo, Schwung, Speed, Galopp oder wie man es immer nennen mag.
Besonders bergauf müssen sich die 71 PS mit den 1,6 Tonnen Gewicht ziemlich anstrengen. Aber das ist die maximal nur bis 4.000/min drehende Maschine wohl gewohnt. Sie passt hervorragend zum überzeugenden Gesamtkonzept des frugalen Arbeitsgeräts und erzeugt beim Fahrer sogar eine gewisse Genugtuung, weil er jetzt mal jemanden hart für sich arbeiten lassen darf. Sogar ganz ohne Gewissensbisse oder mit der Sorge, der Motor gehe dabei drauf.
Jeep-Karriere: Vom Kriegsgerät zum Spaßmobil
Der Jeep CJ-7 ist in diesem und in anderen Belangen das krasse Gegenteil zum Land Rover und auch zum Mercedes. Er verwandelte sich nämlich sehr rasch nach seiner aktiven Militärzeit, die nach dem Korea-Krieg endete, in ein reines Spaß-Mobil. Mit ihm fuhren seine Besitzer weniger durchs Gelände, um Weidezäune zu reparieren oder Almhütten zu versorgen, sondern oft nur, um sich an der Landschaft und dem unvergleichlichen Cabrio-Gefühl zu erfreuen.
Außerdem macht der CJ-7 auch auf nachts hell erleuchteten Boulevards eine gute Figur, sei es auf dem Strip in Las Vegas oder der Ludwigsstraße in München. Entsprechend häufig pimpten die Besitzer von CJ-7-Modellen und auch vom Nachfolger Wrangler ihren Lieblinge mit glänzenden Chromfelgen sowie mit Überollkäfigen und Ramm-Stoßstangen.
Auch unser Jeep mit fünf Liter großem, 137 PS starkem V8-Motor ist teilweise damit ausgestattet und gleicht mit seinen Kotflügel-Verbreiterungen, dem Überrollbügel und üppigen Rädern der von 1977 bis 1982 angebotenen Topversion Golden Eagle. Tatsächlich ist diese Bezeichnung kaum übertrieben, denn so fährt sich auch der Jeep: überlegen, leicht und luftig.
Seidenweich laufenden V8 für entspanntes Cruisen
Natürlich ist es unfair, das radikale CJ-7-Cabrio mit seinen geschlossenen Mitstreitern zu vergleichen. Im Jeep nimmt man nämlich von der Technik praktisch gar nichts wahr; keine Geräusche, keine Vibrationen, keine Schwächeanfälle. Man fährt im zweiten Gang an, besucht kurz den dritten, und erledigt den Rest ab 25 km/h aufwärts mit dem Vierten. Der elastische, seidenweich laufende V8 hat mit dem 1,4-Tonner leichtes Spiel.
So genießen wir Landschaft und Straße in neuen Dimensionen: 3-D-Cinemascope vom Fußknöchel bis zum Scheitel, vom roten Mohn bis zum blauen Firmament. Dazu frische Orkanwinde, die nicht nur die Seele, sondern auch das Cockpit reinigen.
Der Jeep CJ-7 ist ein Kriegsveteran, aus dem ein Hippie wurde, während Mercedes und Land Rover jeder auf seine Weise noch den Ernst ihrer Militärzeit spüren lassen. Wichtig ist nur: Große Geschichtenerzähler sind alle drei.
Fazit von Motor Klassik-Redakteur Franz-Peter Hudek
Drei Autos aus der Gattung Geländewagen, die trotz ihres genau definierten Aufgabenbereichs und trotz nahezu identischer Technik kaum unterschiedlicher sein können. Das ist die größte Überraschung dieses dreifachen Fahrberichts.
Während der Land Rover noch am ehesten dem Ideal eines robusten, genügsamen Arbeitstiers entspricht, zeigt der Mercedes bereits erste Tendenzen zum Luxus-SUV und der Jeep ganz unverhohlen zum Spaß-Fahrzeug für Boulevard, Strand und Gebirge. Jeder ist deshalb auf eine jeweils andere Art ein faszinierender Klassiker mit großem Unterhaltungswert. Die frühen G-Modelle (W 460) von Mercedes werden jedoch am ehesten an Wert zulegen. Nicht etwa, weil der Stern auf dem Kühler prangt, sondern weil davon so wenig gebaut wurden: Von 1979 bis 1989 pro Jahr rund 6.000 Stück.