Wenn Christof Scherl die Seitenscheibe seines Opel Calibra Keke Rosberg Edition öffnet, muss er oft an eine Geschichte aus den 90er-Jahren denken. Diese ereignete sich an der Fachhochschule Rüsselsheim, wo er sein Maschinenbaustudium absolviert hat. Damals stellten dort Fritz Indra, zu diesem Zeitpunkt Leiter der Motorenentwicklung bei Opel, und der Rennfahrer Keke Rosberg die DTM-Version des Calibra vor.
Indra lobte in den höchsten Tönen die wegweisende Aerodynamik des Wagens und meinte dann vorwurfsvoll: "Und was macht der Rosberg auf der Geraden, er öffnet die Seitenscheibe und die tolle Aerodynamik ist hinüber." Darauf konterte der gewitzte Rosberg unter dem Gelächter des ganzen Saals: "Die Ausstattung ist Scheiße, keine Klimaanlage."
Doch nicht nur deshalb fühlt sich der gebürtige Wiesbadener mit seinem Calibra so eng verbunden, den er im Dezember 2017 gekauft hat. Hinzu kommt, dass sein Vater einst als Ingenieur vom Auto-Union-Werk in Düsseldorf zu Opel nach Rüsselsheim wechselte, wo er bis zu seinem Ruhestand 1996 blieb.
Schon immer Opel-Fan
"Meine ganze Kindheit war veropelt, ich bin mit einem Opel-Schnuller aufgewachsen", scherzt Christof. Kein Wunder, dass er dieser Marke stets treu blieb. Vor seinem Studium durchlief er von 1986 bis 1989 eine Lehre als Kfz-Mechaniker in einem Opel-Autohaus in Wiesbaden. Sein erstes Auto war ein Kadett D 1.3 S, und seit 1995 heißt sein Arbeitgeber Opel.
Während er sich beruflich eher mit der Zukunft befasst, entwickelte er privat vor einiger Zeit ein zunehmendes Interesse für die älteren Modelle der Marke. Hängen blieb er am Calibra. An dem hatte er sogar damals noch geschraubt, weil er mit dem Gesellenbrief in der Tasche ab und zu in jener Werkstatt aushalf, in der er seine Lehre absolviert hatte.
"Ich war überrascht über das noch recht große Angebot", erinnert sich der 49-Jährige an den Sommer 2017, als er mit der Suche nach einem adäquaten Wagen begann. Doch viele waren lange nicht so gut, wie sie in Anzeigen angepriesen wurden. "Einmal bin ich um 7 Uhr morgens mit dem ICE nach Berlin gefahren und war abends wieder enttäuscht zurück."
Ein Angebot in Gelsenkirchen im Dezember schien aber vielversprechend: "Opel Calibra 2.0 16V Keke Rosberg Edition im Topzustand von 1995." Doch als er den Wagen vor Ort bei einem Gebrauchtwagenhändler besichtigen wollte, wäre er beinahe sofort wieder nach Hause gefahren. Zunächst konnte er das Auto nirgends entdecken. Schließlich wurde er zu einer schmutzigen Industriehalle dirigiert, wo er zwischen anderen zum Teil zerlegten Fahrzeugen den Calibra vorfand, dessen Schiebedach gerade repariert wurde.
Immerhin, der mit der Reparatur beschäftigte Mechaniker setzte den Calibra auf eine Hebebühne, und was Christof sah, versöhnte ihn ein wenig. Sogar eine Probefahrt war dann doch noch möglich. Zwar erwies sich der Wagen als nicht ganz mängelfrei, weil die Kupplung und die Stoßdämpfer verschlissen waren, aber höchst erfreulich waren der unverbastelte Originalzustand und die rostfreie Karosserie. Wie Christof erfuhr, war der Wagen nach dem Tod des Erstbesitzers zehn Jahre lang gestanden. Der Händler hatte das Auto dann gekauft, aufbereitet und TÜV-tauglich gemacht. Nun musste noch das Schiebedach instand gesetzt werden.
Christof entschloss sich zum Kauf. Nicht nur der gute Zustand des Wagens erfreute ihn, sondern auch die Tatsache, dass es sich um ein Sondermodell handelte. Und alle dazugehörigen Ausstattungsdetails waren noch vorhanden.
Im Februar 2018 wurde der Wagen geliefert. Gerne hätte Christof nun für weitere Arbeiten selbst Hand angelegt, schließlich hat er eine gewisse Schraubererfahrung. Aber in seinem Wohnort Frankfurt sind Garagen oder kleine Hallen zum Schrauben rar und unbezahlbar.
Umso erfreulicher waren die guten Kontakte zu Opel Meyer um die Ecke, wo man sich auch mit alten Opel auskennt. Dorthin brachte Christof seine Neuerwerbung zwecks großer Inspektion und Durchsicht. Es dauerte nicht lange, bis ein Anruf von Meyer kam: "Sie sollten mal vorbeikommen, es wird Ihnen nicht gefallen."
Manche Überraschung
Auf das Erneuern einiger verschlissener Teile hatte sich der Opel-Fan ja bereits eingestellt, dennoch wurde es letzten Endes mehr als gedacht. Kupplung und Stoßdämpfer wurden gewechselt, die vorderen Spurstangen und die Lagerungen der Achsen. Nach Demontage der hinteren Achslager kam etwas Rost zum Vorschein, doch der war zum Glück nur oberflächlich und konnte ohne Schweißarbeiten beseitigt werden.
Auch einige Benzinleitungen und Schläuche kamen neu. So hatte der Verkäufer einen Schlauch des Abgasrückführungssystems durch ein Stück geschwärzten Gartenschlauch ersetzt. Auch das Eindämmen des Ölverlusts am Getriebe mithilfe von Dichtmasse war Pfusch, daher mussten neue Dichtungen her. "Und schon waren die ersten 3.000 Euro weg", sagt Christof.
Er selbst brachte das eingebaute Grundig SC-303-Stereo-Kassettenradio wieder in Gang, nachdem er ein zweites Gerät als Ersatzteilspender besorgen konnte. Den merkwürdigen Geruch im Innenraum beseitigte er übrigens, indem er eine Weile eine Schüssel mit Kaffeebohnen im Fahrzeug stehen ließ.
Nun wollte Christof seinen Calibra genießen, doch daraus wurde nichts. "An einem freien Tag plante ich einen Ausflug zur Wasserkuppe, doch eine Kontrollleuchte meldete Kühlwasserverlust." Anlässlich eines neuen Werkstatttermins wurden nicht nur poröse Heizungsschläuche entdeckt, sondern auch Öl im Kühlkreislauf, trotz neuer Zylinderkopfdichtung. Christof wusste, dass gerissene Zylinderköpfe ein bekanntes Problem des Vierventilers sind. Und er kannte die Firma, die von Opel exklusiv mit der Reparatur der Köpfe beauftragt worden war. Doch allein das Prüfen des Kopfs hätte schon 300 Euro gekostet.
Opel Meyer hatte die rettende Idee. Auf dem Hof stand ein gerade mal 40.000 Kilometer gelaufener Omega-Unfallwagen mit identischem Motor. Dieses Aggregat wurde überholt und in den Calibra gepflanzt. Möglicherweise war das Problem mit dem Öl im Kühlkreislauf dem Verkäufer bekannt. Mit Sicherheit wusste er aber von der undichten Klimaanlage, die er vor dem Kauf frisch gefüllt hatte und die nun wieder leer war. Die damit verbundenen Reparaturkosten ärgerten Christof besonders.
Mittlerweile entwickelte er einen gehörigen Ehrgeiz, den Calibra perfekt zu machen, und so brachte er ihn zum Aufbereiter zwecks intensiver Interieurreinigung, zum Beseitigen von Dellen und Kratzern und zum Lackieren der Haube sowie der Stoßfänger. Dann wurden diverse vom Gebrauch gezeichnete Teile wie die äußeren Stoßleisten, die Pedalgummi, der Schalthebelsack und vieles mehr ersetzt; sogar die angerosteten Schrauben in den Schwellerabdeckungen tauschte Christof aus. Und bei der Teilesuche merkte er, wie hoch mittlerweile so manches Teil gehandelt wird.
Nun hat er zwar etliche Tausender investiert, aber sein Calibra ist perfekt und wartet auf eine große Ausfahrt. Auf das Öffnen der Seitenscheibe könnte er dabei verzichten, sein Auto hat ja eine Klimaanlage. Aber auf einer Urlaubstour spielt die Aerodynamik eine eher untergeordnete Rolle.