Manchmal erwecken die Ereignisse den Eindruck, als würde sich Geschichte doch wiederholen. Aber nacheinander: Es ist ein klarer Frühlingsmorgen im österreichischen Vorarlberg, und wir haben die weiße Flotte auf dem Faschinajoch so geparkt, dass die Autos den Ausblick Richtung Mittagspitze unverstellt genießen können. In der klaren Luft schwingt das Aroma eines Lobes aus der romantischen Bergkulisse mit, denn wir haben die letzten der 1.486 Höhenmeter mit den sieben Hybridmodellen sozusagen abgasfrei gemeistert – im rein elektrischen Modus, zum Ausprobieren, nur so zum Spaß.
Motorsport fördert Technik
Ziel der Expedition ist das Besichtigen der Route für die Rallye am 7. und 8. Juli, in der sich erstmals die Vertreter der neuen Technik in einem von der traditionellen Oldtimer-Rallye getrennten selbstständigen Kapitel namens Silvretta E-Auto Rallye Montafon messen. Das Re GLE ment erlaubt Hybridfahrzeuge mit einer Kombination aus Elektro- und Verbrennermotor, vollelektrische Batterie-Mobile und kleine Kraftwerke auf Rädern, die mit Brennstoffzellen ihren eigenen Strom erzeugen. Und weil Motorsport seit alters her ein genialer Auslesefaktor für nützliche Automobiltechnik ist, werden am Ende beider Rallyetage nicht nur die Resultate interessieren, sondern auch die Art und Weise des Erzielens.
Das war vor 122 Jahren nicht viel anders, als die Pariser Zeitung „Le petit Journal“ die erste Wettfahrt für die damals noch unerhört neuen Automobile organisierte. Dampf- und Elektrokarren wurden gemeldet, Fahrzeuge mit Federwerkmotoren oder Pressluftantrieb und, natürlich, die Benzinkutschen. Es siegte ein Peugeot, den allerdings ein Daimler-Motor antrieb. Danach begann ein wilder Wettstreit der Systeme, und lange war nicht klar, ob sich der Benzinantrieb durchsetzen würde, der Elektromotor oder gar das Dampfprinzip. 1899 holte der Belgier Camille Jenatzy auf einem torpedoförmigen E-Auto mit 105 km/h den ersten absoluten Geschwindigkeitsrekord der Automobilgeschichte, und noch 1906 lag der amerikanische Dampfwagenhersteller Stanley weit vorn – er schraubte den Rekord auf 204 km/h, und da stand er dann bis 1911.
Mercedes schon 1906 mit Hybridantrieb
Die Daimler Motoren Gesellschaft DMG hatte schon 1899 eine österreichische Dependance gegründet, und durch Nutzen der Patente von Lohner und Porsche entstanden hier 1906 Mercédès-Mixte-Modelle − ein Benzinmotor trieb einen Dynamo an, und der lieferte den Strom für die Elektromotoren in den hinteren Radnaben. Der Hybridantrieb hatte beim Erfinder des Automobils Einzug gehalten, und der alerte Herr Emil Jellinek gründete zusammen mit der DMG flugs in Paris die Société Mercédès Électrique.Ein Verkaufserfolg wurden die Hybridautos damals allerdings noch nicht, und heute hat nicht einmal das Werksmuseum so ein prophetisches Exemplar in seiner Sammlung.
Der Erste Weltkrieg machte dann den E-Autos ein frühes Ende. Höhere Leistung war gefragt, und Elektrofahrzeuge fristeten ihr Dasein nur noch als Stapler, kleine Transporter in Industriehallen oder vielleicht mechanische Briefträger der Deutschen Post. Und heute? Rallyes für Autos mit alternativen Antrieben, also keine reinen Benzin- oder Diesel-Verbrenner, erfreuen sich zunehmender Beachtung. Die Exoten fahren mit Wasserstoff oder Erdgas, was im ersten Fall das Problem kaum vorhandener Tankmöglichkeiten mit sich bringt; der zweite Fall sorgt bisweilen für Unmut, da sich die Fülldrücke der Gastankstellen unterscheiden können und so mal mehr, mal weniger Betriebsstoff getankt wird. Das kann dann beim Berechnen des Verbrauchs aus bisher freundlichen Marshals im Kontrollzettel-Umdrehen uneinsichtige Ergebnisverderber machen.
High Tech auf Tastendruck
Die Silvretta E-Auto Rallye verzichtet auf diese kleinen, jedoch stimmungsmindernden Ärgernisse und setzt auf Stromer. Die Wertungsprüfungen gleichen dabei den WPs, die auch die Oldtimer bei der Silvretta meistern müssen – überwiegend jedenfalls. Die Teilnehmer der E-Auto- Rallye dürfen wieder mit kleineren Prüfungen – etwa zur Stromerzeugung per Pedalwerk im Dynamo-Trainer – rechnen. In den Hybridmodellen von Mercedes funktioniert die Stromerzeugung für die Hochvolt-Batterien zum elektrischen Fahren mit etwa 30 Kilometern Reichweite deutlich müheloser: Es bedarf nur eines Schalterklickens. Die Tipptaste links hinten neben dem zentral auf der Mittelkonsole positionierten Dreh- und Drück- Steller kann insgesamt vier unterschiedliche Modi aktivieren:
In der Hybrid-Position ergänzen sich Elektro- und Verbrennerantrieb automatisch, was den Verbrauch reduziert und die Kräfte der Motoren zusammen nutzt. Der E-Save-Modus setzt allein den Verbrenner zum Fahren ein und schont die Batterieladung – etwa für eine elektrische Stadtdurchquerung am Ende der Überlandetappe. Die dritte Position lässt den Hybriden allein durch seinen E-Motor rollen, und Stellung vier ist dem Laden vorbehalten: Der Verbrenner treibt das Auto an und füllt nebenbei die Batterie. Grün gestrichelte Linien zeigen auf dem Monitor die Fließrichtungen der jeweiligen Energieströme an, was einen nervenberuhigenden Effekt hat, sobald es regnet oder die prächtige Landschaft des Montafon inmitten undurchdringlicher Nebelschwaden kaum zu erkennen ist.
Mercedes-Modellportfolio mit acht Plug-in-Hybriden
Mercedes ordnete von den acht derzeit lieferbaren Plug-in-Hybriden sieben zum Sightseeing ab, und zwar namentlich je einen C 350 e, C 350 e T, E 350 e, S 500 e, GLC 350 e, GLC 350 e Coupé sowie einen GLE 500 e. Nur die dem chinesischen Markt vorbehaltene C-Klasse mit verlängertem Radstand hatte dienstfrei. Die Kombination der Antriebsaggregate sieht für die normale C-Klasse den Vierzylinder-Benziner mit 211 PS vor, unterstützt von einem 60 kW (82 PS) starken Elektromotor. Die GLC befeuern die gleichen Benziner, allerdings verbunden mit der elektrischen 85-kW-Maschine. Die arbeitet auch im GLE und in der S-Klasse , hier jedoch gepaart mit einem V6- Benzinmotor, der aus drei Litern Hubraum 245 kW (333 PS) schöpft. Beim Autowandern lassen die Hybridpakete dabei keine spürbaren Unterschiede erkennen.
Der Startpunkt der E-Auto-Rallye liegt am Donnerstag, den 7. Juli, auf dem Kirchplatz in Schruns. Die etwa 3.700 Einwohner zählende Gemeinde, seit 1420 bei Österreich, wurde in den letzten Jahrhunderten von Politik und Natur nicht immer freundlich behandelt. Gelegen zwischen den Flüssen Litz und Ill, änderte Letzterer 1762 nach einer Hochwasserkatastrophe seinen Lauf wesentlich. Da lag der Dreißigjährige Krieg schon mehr als ein Jahrhundert zurück. In diesem mitteleuropäischen Völkerschlachten machten sich im Jahr 1622 die marodierenden Truppen aus dem Graubündener Prättigau über Schruns her, was eine blutige Retourkutsche für den Überfall war, mit dem die habsburgischen Truppen 1621 das Prättigau geschleift hatten.
Auf den Spuren von Ernest Hemingway
Pest, Lawinen, Überschwemmungen und die napoleonischen Kriege am Ende des 18. Jahrhunderts empfahlen Schruns lange Zeit nicht unbedingt als idyllischen Urlaubsort im Montafon, was sich erst im 20. Jahrhundert änderte. Über die bayerische Herrschaft von 1805 bis 1814 ist man bis heute geteilter Meinung. Mit Ernest Hemingway kam ein Jahrhundert später einer der berühmtesten Schriftsteller seiner Zeit in den Ort, genauer gesagt ins Hotel „Taube“ an der Silvrettastraße. Dort und im Madlenerhaus auf der Bielerhöhe residierte er als Langzeitgast von 1925 bis 1926, und er vollendete hier auch das Werk, das seinen literarischen Durchbruch ausmachen sollte: „Fiesta“.
Ferner regten ihn die schneebedeckten Gipfel rund um Schruns zu einer weiteren Erzählung an: „Schnee am Kilimandscharo“. Den in einem Eisblock eingefrorenen Leopard, von dem Hemingway schreibt, hat er allerdings weder auf dem Hochjoch noch in der Verwallgruppe oder auf der Bielerhöhe erblickt. Seine Eisblöcke waren kleiner und schwammen nicht selten in einem wohlgefüllten Glas mit Whiskey.
Elektrischer Zieleinlauf in Bregenz
Über Gargellen, 1.423 Meter hoch gelegen, führt die Montafon-Schleife des ersten Tages zurück nach Schruns. Am Freitag beginnt die 140 Kilometer lange E-Auto-Strecke in Partenen. Es geht allerdings nicht wie bei der Oldie-Rallye in 34 Kehren südwärts 1.000 Meter bergan bis zur Bielerhöhe, sondern 140 Kilometer nordwestwärts über Faschinajoch und Bregenzer Wald bis zum Ziel, dem Mobilitätszentrum in Bregenz. Rast wird ab 11.30 Uhr gemacht, in Damüls, wo Ingo Madlener vom „Alpenhotel Mittagspitze“ die Verpflegung des Feldes übernimmt und den Schönheiten der alpinen Welt die kulinarischen der Küche hinzufügt.
Wer nach der Siegerehrung noch für fünf Kilometer Strom in der Batterie hat, sollte den zum Abstecher nach Hörbranz nutzen. Dort kann er im Notfall sein Auto nicht nur an der Ladesäule im Obstgarten der Familie Prinz aufladen, sondern auch eine staunenswerte Vielfalt an Obstbränden verkosten, die hier in der fünften Generation destilliert werden. Heute führen das Geschäft die beiden Söhne der Seniorchefin Christa Prinz, und von Hybridautos sind sie so überzeugt wie von ihrer „Alten Marille“. Nur bei den paradiesischen Probierschlückchen muss sich der Fahrer klug zurückhalten. Sonst steht nicht nur seine Hochvolt-Batterie im Handumdrehen unter Strom.