Colorado Grand 2010: Mit Oldtimern durch die Rocky Mountains

Colorado Grand 2010
Mit Oldtimern durch die Rocky Mountains

Colorado Grand - noch nie gehört? Jedes Jahr im Spätsommer trifft sich eine Hundertschaft autovernarrter Oldtimerfans und durchpflügt die Rocky Mountains - ohne Tempolimit. Was sind da schon Cannonball oder die Mille Miglia?

Colorado Grand 2010
Foto: press-inform

Die Mille Miglia gilt weltweit als das renommierteste Oldtimerrennen der Welt. Mit ihren sündhaft teuren Preziosen donnern jedes Frühjahr knapp 400 Fahrzeuge einmal quer durch Italien - 1.600 Kilometer pure Begeisterung, einzigartige Landschaften und beindruckende Städte. Ins Träumen kommen kann da jedoch nur, wer noch nicht die "Colorado Grand" erlebt hat.

Über 1.000 Meilen Bergpisten

Mehr als eintausend Meilen quer durch die grandiosen Rocky Mountains mit Landschaften, die einem beim Gedenken an Nord- und Mittelitalien nur ein mitleidiges Lächeln abringen. Spektakuläre Oldtimer, die nicht enden wollenden Höhenzüge der Rockys mit ihren spektakulär schroffen Tälern und glutroten Schluchten sowie Ordnungsbehörden, die angesichts von großzügigen Spenden gerne  einmal ein Auge zudrücken: So etwas gibt es weltweit nur bei der Colorado Grand.
 
Mercedes 300 SL Roadster, strahlende Flügeltürer, 62er Ferrari 400 Panamerica, Jaguar D-Type, Bugatti T-51 oder Alfa Romeo 6C 2300 Monza von 1934 - das Starterfeld der Colorado Grand liest sich wie das "Who-is-Who" internationaler Automobilgeschichte. Wer hier mitfährt, liebt Oldtimer, die Rocky Mountains und Geschwindigkeiten über den erlaubten 75 Meilen pro Stunde. Im Feld der knapp 100 Fahrzeuge sind acht Colorado Trooper auf Motorrädern dabei, die für Recht und Ordnung sorgen, aber auch gerne einmal selbst die Zügel locker lassen. "Das ganze hier ist kein Rennen, sondern eine Oldtimerausfahrt. Unser Job ist es, allen Teilnehmern eine schöne Zeit zu machen und nicht, jemanden aus dem Knast zu holen", mahnt Trooper Paul Kramer deutlich.

Unsere Highlights

Der US-Staat Colorado macht mit Rasern sonst kurzen Prozess. "Ab 25 Meilen zu schnell geht es ins Gefängnis", ergänzt Kramer und steigt auf seine brandneue Kawasaki, "teuer wird es sowieso." Wer erwischt wird, muss Strafe zahlen. Doch der Reiz, einmal an der Colorado Grand teilzunehmen ist riesig. Die Wartelisten für einen der knapp 100 Startplätze sind lang und zumindest die Fahrer der zehn Ersatzautos hoffen, dass noch kurz vor dem Start einer der Teilnehmer ausfällt. Viele lassen ihren Oldtimer aus anderen Bundesstaaten oder sogar dem Ausland einfliegen und zum Start- und Zielort nach Vail bringen.

Oldtimerrennen für den Guten Zweck

Anders als andere Oldtimerrennen auf der Welt, spenden die Organisatoren seit Jahren respektable Summen an Hinterbliebenenfamilien der State Patrol, Krankenhäuser, Kindergärten und Hilfsorganisationen. Seit der ersten Colorado Grand vor 21 Jahren kamen so knapp drei Millionen Dollar zusammen. Das ist ebenfalls einzigartig auf der Welt. Gewinn will mit der Veranstaltung keiner machen. Nur ein Teil der stattlichen Teilnahmegebühr von 6.700 Dollar geht für Organisation und Durchführung drauf.

Die Route der Colorado Grand könnte spektakulärer kaum sein. Start und Ziel ist im bekannten Wintersportort Vail, rund zwei Stunden westlich von Denver auf einer Höhe von fast 3.000 Metern gelegen. In vier Tagesetappen geht es über das verschlafene Hotchkiss nach Grand Junction, weiter nach Ridgway auf das Hochplateau von Crested Butte und nach Aspen, ehe der Tross der Oldtimer nach mehr als 1.600 Kilometern über Steamboat Springs schließlich wieder im Skiparadies Vail eintrudelt. Eine harte Prüfung für Fahrer und Oldies.

Autos mit Millionenwerten

Die Colorado Grand gilt als einer der spektakulärsten Oldtimerevents der Welt. Ein Grund sind die sensationellen Oldtimer, die pro Fahrzeug selten einen Wert von unter 400.000 Dollar haben. Die meisten Mercedes, Ferrari, Maserati oder Alfa Romeo sind weit teurer und gehen in die Millionenwerte. Die Stimmung der Teilnehmer untereinander ist freundschaftlich, Essen und Zusammenkünfte sind ungewöhnlich unprätentiös und wenig spektakulär. Gerade das macht den Charme der "Grand" aus. "Wir können hier niemandem einen Freifahrtschein geben, nicht auf die Tempolimits zu achten", ermahnt Trooper Piney Haris, der seit Jahren immer wieder zur Colorado Grand kommt, "aber es wird genug Möglichkeiten geben, dass wir die Haare im Wind etwas fliegen lassen können." Die Teilnehmer strahlen. Deshalb sind sie hier. So geht es mitunter mit über 120 Meilen in der Stunde durch die spektakulär roten Schluchten von Montrose, Delta oder Ouray. Kaum ein Auto auf der Straße außer den paar strahlenden Mercedes 300 SL, Porsche 356 oder Ferrari 250 Testarossa, die sich gegenseitig anstacheln.

Technik-Probleme lösen mitgereiste Mechaniker

Chris Marsico hofft, dass sein schwarzer Mercedes 300 SL Roadster gleich wieder auf die Räder kommt: "Ich habe Probleme mit der Bremse vorne rechts. Sonst läuft mein neuer Roadster grandios.“ Mechaniker Nate Lander vom Classic Center in Irvine hat bereits eine halbe Nachtschicht an dem Benz sowie einigen anderen Boliden eingelegt. "Der SL Roadster kommt aus dem Jahre 1962 und hat erst 12.000 Meilen gelaufen. Da kann sich die Bremse schon einmal festsetzen. Sollte aber gleich wieder funktionieren", ergänzt Michael Kunz, Leiter des Classic Centers zufrieden. Am nächsten Morgen strahlt das Ehepaar Marsisco mit der Sonne von Colorado um die Wette. Der dunkle Bolide läuft und bremst wie am ersten Tag. Der offene 300 SL befindet sich im Neuzustand – und dürfte fast eine Million Dollar kosten.

Da ist das Eis im "Aspen Trails Ice Cream Shoppe" kurz hinter Cedaredge günstiger. Normal kostet die Mega-Kugel zwei Dollar, doch die Granders bekommen sie heute umsonst. Wer den Geschmack mit den Eiskugeln am Rande der Mille Miglia vergleicht, weiß warum.

Mit 220 km/h über den Highway

Besonders heiß geht es am dritten Tag zu. Auf der Bundesstrasse Colorado 114 zwischen Gunnison und Saguache donnert gerade eine Horde von Oldtimern vorbei. Vorneweg ein braunen Mercedes 300 SL Roadster, dahinter folgen ein silberner Flügeltürer, ein grüner Costin-Jaguar und ein Ferrari 250 Europa GT. Der Tacho zeigt 220 km/h - im Schlepptau ein Trooper auf einer 1400er Kawasaki. An der nächsten Tankstelle in Vila Grove hebt Trooper Paul Kramer anerkennend den Daumen. "Hat Spaß gemacht, oder?" Doch bei den 1.600 Kilometern durch die Rockys gibt es keinen Freifahrtschein. Davon weiß die Fahrerkombination Steven Adler und  Jacob Greisen ein Lied zu singen. "Auf der 114 hat uns ein Cop erwischt - mit knapp 85 Meilen", grämt sich der Däne Jacob Greisen, "hat aber gerade einmal 200 Dollar gekostet." Was ist das schon gegen den Wert des schwarzen Ferrari 250 GT Series I Cabriolet? Im nächsten Jahr kommen die meisten sowieso wieder und die Warteliste ist bereits geöffnet.