Melkus-Porträt: Melkus lässt den Ost-Flügeltürer aufleben

Melkus-Porträt
Melkus lässt den Ost-Flügeltürer aufleben

Mit Flügeltüren, Kunststoffkarosserie und Wartburg-Dreizylinder knatterte der Melkus RS 1000 einst als einziger ostdeutscher Seriensportwagen durch die Deutsche Demokratische Republik. 2009 präsentierte Melkus auf der IAA den geistigen Nachfolger RS 2000, dessen Kleinserienproduktion seit Anfang des Jahres läuft. Spurensuche in einem Dresdner Wohngebiet.

Melkus RS 2000
Foto: Reinhard Schmid

Funken fliegen - jeder Schweißpunkt ist hier bei Melkus ein Unikat. Ein kleines Kunstwerk, mit Augenmaß platziert. Akkuschrauber rattern in unregelmäßigen Abständen. Schrauben, feilen, bohren. Es klingt nach Handarbeit, und es riecht auch so. Zwei-Komponenten-Klebstoff kitzelt Neugierigen zur Begrüßung die Nasenhärchen. Automatisierte Fertigungsstraßen scheinen bei Melkus so weit entfernt wie die lichtdurchflutete Werkstatthalle in einem Dresdner Wohngebiet von der japanischen Metropole Tokio.

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1970 startete der einzig echte DDR-Sportwagen

"Ich möchte die Idee meines Großvaters wieder aufleben lassen", sagt Firmenchef Sepp Melkus. 1955 gründete sein Großvater die Heinz Melkus KG. Neben seinem Fahrschulbetrieb konstruierte der Firmengründer und Rennfahrer in den fünfziger und sechziger Jahren verschiedene Rennfahrzeuge, bevor 1970 die Kleinserienproduktion des einzig echten DDR-Sportwagens Melkus RS 1000 anlief. Bis 1979 entstanden auf Basis des Wartburg 353-Chassis sowie aus Skoda- und Trabant-Bauteilen 101 Exemplare des Melkus RS 1000 Mittelmotor-Sportwagens mit Dreizylinder-Zweitakter und Kunststoffkarosserie. 

"Überhaupt die Teile in der DDR zu bekommen, war schon ein Wunder. Man musste erfinderisch sein. Der Außenspiegel bestand zum Beispiel aus einer umgedrehten Fahrradlampe", erinnert sich Sepp Melkus an die Anfänge, während er eine Flügeltür des aktuellen Melkus-Projekts öffnet. Zusammen mit seinem Vater Peter Melkus entstand 2006 die Idee, einen geistigen Nachfolger zu entwickeln. Das erste Mal im Spotlight der Öffentlichkeit stand der Melkus RS 2000 auf der IAA 2009.

Leichtbau steht beim neuen Melkus im Mittelpunkt

Pro Jahr sollen rund 20 Exemplare entstehen. Als Hommage an den historischen DDR-Sportler trägt auch der aktuelle Melkus RS 2000 das ausgefallene Türkonzept. Das Lastenheft verrät die Verwandtschaft zum historischen Bruder noch deutlicher, zumindest was die Komposition mit Fremdteilen betrifft. "Es ist wie früher, da haben wir den Melkus auch aus Teilen verschiedener Autos zusammengebaut", erzählt Frank Nutschan, während er mit der Geduld eines Anglers mit einem Maßband ein Spaltmaß kontrolliert. Der 59-Jährige ist heute dienstältester Melkus-Werker. Seit 1971 schraubt er für die Dresdner Sportwagenschmiede, die heute zehn festangestellte Mitarbeiter beschäftigt. 

Während die Sportwagen-Tüftler früher hauptsächlich ostdeutsche Wartburg-Teile verbauten, greifen sie heute auf einen britischen Kleinseriensportler zurück. "Mein Opa wurde wegen seiner Leichtbau-Konstruktionen Colin Chapman des Ostens genannt", sagt Melkus Junior und lüftet das Geheimnis um den heutigen Organspender schnell.

Lotus Elise 111R stand Pate

Das Aluminium-Chassis des Melkus RS 2000, der 1,8-Liter-Vierzylinder, das Sechsgang-Getriebe und die Lenkung stammen aus dem Lotus Elise 111R. "Ansonsten stellen wir aber alles selbst her", fügt der Melkus-Chef schnell hinzu, dessen Neuauflage auch für kritische Töne beim britischen Sportwagenhersteller sorgt. Bis auf die Lotus-Technik entsteht fast alles in mühevoller Handarbeit. Rund acht Wochen dauert es, bis ein Melkus RS 2000 die Automobil-Manufaktur verlässt. Dank handlaminierter Kunststoffkarosserie in Kombination mit dem Aluminiumchassis wiegt der ostdeutsche Flügeltürer nur rund 950 Kilogramm.  

Die knatternde Räng-täng-täng-Melodie und die blau-weißen Zweitakt-Wölkchen bei der Jungfernfahrt sind Geschichte. Statt mit 1.000-Kubik-Motörchen und 70 PS rollt jeder Melkus nun kompressorsirrend aus der Werkstatt. Mit Hilfe eines Radialverdichters von Rotrex steigt die Leistung des direkteinspritzenden Toyota-Saugers von 192 auf 270 PS. "Im RS ist außerdem der Kofferraum viel größer, man will ja auch mal einen Ausflug an die Ostsee machen", sagt Melkus Junior schmunzelnd. Aus dem Elise-Gepäckraum in Waschbeckengröße ist im RS 2000 eine bessere Badewanne mit immerhin 225 Litern geworden. 

Wiesmann als Vorbild für Melkus

"Beim Fahrwerk bieten wir für den Melkus RS 2000 drei Varianten an", erklärt der Firmenchef. Doch Kleinserienfans können nicht nur zwischen einstellbaren Sachs-, Bilstein- oder Öhlins-Fahrwerken wählen. Für die Auswahl des Leders, der Ziernähte und der sonstigen Extrawünsche im Innenraum der Ost-Flunder benötigen Melkus-Kunden schon mal einen ganzen Tag. "Geht nicht gibt es bei uns fast nicht. Jeder Melkus RS 2000 ist quasi ein Maßanzug", sagt Sepp Melkus, dessen Vorbild die Dülmener Manufaktur von Wiesmann ist. Auch der Preis für den Sportwagen-Exoten erinnert an Haute Couture. Rund 100.000 Euro müssen für einen Melkus RS 2000 nach Dresden überwiesen werden. 

Die Melkus-Story

Der gebürtige Dresdner Heinz Melkus (1928-2005) nahm Ende der 1940er Jahre an Motorradrennen teil. 1950 startete er seine Motorsportkarriere im Auto, bevor er ein Jahr später den ersten Melkus-Rennwagen auf VW-Basis entwickelte. 1955 gründete Melkus die Heinz Melkus KG. Neben einem Fahrschulbetrieb, der bis zur Wende weiterlief, widmete sich der Dresdner verstärkt dem Rennwagenbau.

Nachdem die Melkus KG in den fünfziger und sechziger Jahren ausschließlich Fahrzeuge für Motorsportzwecke konzipierte, wurde ab 1966 der Seriensportwagen Melkus RS 1000 entwickelt. Die DDR-Regierung duldete die Entwicklung, verpflichtete die Firma jedoch dazu, am 20. Jahrestag der DDR im April 1969 drei Prototypen zu präsentieren. 1970 lief die Kleinserienproduktion endgültig an. Der Grundpreis des RS 1000 betrug 29.800 Ostmark, die Wartezeit auf den Sportwagen war mit zwei Jahren im Vergleich zum Trabant (rund zehn Jahre Wartezeit) relativ gering. Der RS 1000 durfte anfangs nur von ausgewählten DDR-Bürgern und Inhabern einer Motorsportlizenz erworben werden.

Insgesamt 101 Exemplare wurden bis 1980 gebaut, von denen heute laut Melkus noch 80 Stück existieren sollen. Zu Ehren des 2005 verstorbenen Firmengründers legte die Dresdner Sportwagenschmiede im November 2006 nochmals eine auf 15 Fahrzeuge limitierte Kleinserie des RS 1000 auf.


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