Erst war es vermutet, dann angekündigt und jetzt ist es vollzogen: Das Label "Renault Sport" geht in den Ruhestand, ab 2022 übernimmt Alpine das sportliche Regiment innerhalb der Groupe Renault. Grund genug, um zurückzublicken, auf 45 Jahre voll wilder Konzepte, erfolgreicher Rennwagen und launiger Straßensportler. Gegründet wurde die Abteilung 1976 als Zusammenschluss von Gordini und Alpine, insofern schließt sich der Kreis heute ein Stück weit wieder. 1958 hatte Renault den italienischen Konstrukteur Amédée Gordini zum Leiter der Motorsportabteilung ernannt. Der konnte mit dem Renault 8 Gordini derartig populäre Erfolge feiern, dass 1966 mit dem Renault 8 Gordini Cup die erste Markenpokal-Rennserie der Welt ins Leben gerufen wurde. 1973 wurde Renault zum Mehrheitsaktionär von Alpine und gewann mit der A110 Berlinette prompt die Rallye-Weltmeisterschaft. Drei Jahre später fassten die Franzosen schließlich beide Markenbereiche zusammen und "Renault Sport" war geboren.
Concepts und Kuriositäten
Im Laufe der Jahre haben sich einige bemerkenswerte Fahrzeuge angesammelt, die sich in keine bekannte Kategorie einordnen lassen wollen. Mitte der 90er-Jahre ging es besonders wild zur Sache. 1994 wurde der Espace F1 Concept als Einzelstück vorgestellt. Ein Familienvan, der von einem 811 PS starken V10-Saugmotor aus der Formel 1 angetrieben wurde. Der Sprint von null auf Hundert dauert lediglich 2,8 Sekunden. Ein Terrain, auf dem sich heute Porsche 911 GT2 RS oder Lamborghini Aventador SVJ tummeln. Der extreme Van entsprang der Kooperation mit Williams und Matra zum 10. Jubiläum des Espace. Noch ein i-Tüpfelchen gefällig? Dank Karbon-Chassis wiegt die ganze Fuhre nur 1,1 Tonnen – gut für mehr als 300 km/h Vmax bei einer Lautstärke von rund 160 Dezibel im Innenraum.
Ein Jahr später brachten die Franzosen den Renault Sport Spider auf den Markt, der wie sein verrückter Van-Vorbote im Mittelmotor-Layout, dafür ohne Verdeck und Seitenscheiben vorfuhr. Überhaupt scheinen sie bei Renault Sport eine Schwäche für die Mittelmotor-Bauweise zu haben (Kenner wissen bereits, auf welches Sahnestück hier schon einmal angespielt wird). Der Spider besteht aus einer glasfaserverstärkten Kunststoffhaut, die sich über ein Aluminium-Skelett spannt. Der 147 PS starke Zweiliter-Benziner sitzt quer hinter Fahrer und Beifahrer. Weil das Auto ursprünglich für den Renneinsatz bei der Renault Sport Spider Trophy im Vorfeld der Formel 1 konzipiert wurde, wurde dem kuriosen Roadster als Straßenmodell dann eine besondere Ehre zuteil: Als erstes Fahrzeug mit Straßenzulassung tragen die 1.493 in Dieppe gebauten Spider das Renault Sport-Emblem.
Kleinwagen mit V6-Mittelmotor
Ein Emblem, dass sich bei Erscheinen unseres nächsten Meilenstein-Kandidaten längst in die Köpfe der Fans eingebrannt hatte. Wir kommen auf das oben versprochene Sahnestück zurück: Es geht um den Clio V6. So verrückt, einen Dreiliter-V6 als Mittelmotor in einen Kleinwagen zu packen, war niemand außer Renault Sport. Weil das Interesse der Kundschaft am Concept, das 1998 auf dem Pariser Autosalon gezeigt wurde, so groß war, entschied man sich, eine Kleinserie zu bauen. Für knapp unter 40.000 Euro erhielten insgesamt 2.935 Kunden von 2003 bis 2005 eine bis zu 254 PS starke Taschenrakete. Zwar ohne Rücksitzbank, dafür mit Hinterradantrieb und 5,8 Sekunden Sprintwert auf 100 km/h. Das Prinzip, einen Kleinwagen mit Frontmotor und Frontantrieb derartig umzukrempeln, kannte man bei Renault bereits. Auch hier weiß der Kenner: Gemeint ist der Renault 5 Turbo, doch zu dem kommen wir später.
Wir bleiben noch ein wenig bei den Concepts und Kuriositäten, schreiten aber in der Zeit voran. 2013 und 2014 brachte Renault Sport nämlich zwei gleichermaßen spannende Fahrzeuge hervor. Das erste ist das Twizy Sport F1 Concept. Man muss das mal so trocken wie möglich beschreiben: Dem Elektro-Kleinstfahrzeug wurde das KERS-System aus der Formel 1 implantiert. Also gibt es per Knopfdruck 60 zusätzliche kW Leistung aus einem zweiten Elektromotor, der bis zu 36.000 Umdrehungen pro Minute hinlegt. Wie sich das anfühlt, durfte ams-Redakteur Marcus Peters 2013 am eigenen Leib erfahren.
Ein Jahr später ging es dann wieder mit einem V6-Mittelmotor zur Sache. In diesem Fall mit 3,8-Litern Hubraum, 500 PS, zwei Turboladern und in Gestalt des Markenpokal-Rennwagens Renault Sport R.S. 01. Falls Ihnen die Leistungsdaten bekannt vorkommen, ist das kein Wunder. Den Motor stibitzen die Franzosen ebenso aus dem Nissan GT-R wie das sequentielle Siebenganggetriebe. Nettes Detail zur Aerodynamik des großzügig beflügelten Sportlers: Bei 270 km/h wirken 11 kN Anpressdruck auf den R.S. 01, was in etwa dem Eigengewicht des Autos entspricht. An den Start ging der Bolide bei der eigens aufgelegten Renault Sport Trophy (fand 2015 und 2016 statt) und ab 2017 auch bei der VLN-Langstreckenmeisterschaft.
Motorsport
Damit wäre eine wunderbare Überleitung zum Themengebiet Motorsport geschaffen, zu der man den R.S.01 ja eigentlich auch schon zählen darf. Wir gehen fürs Erste aber einige Jahre in die Vergangenheit. 1980 erblickte der R5 Turbo das Licht der Welt, von dem innerhalb seiner sechsjährigen Bauzeit insgesamt etwas mehr als 8.000 Exemplare entstanden. Der längs vor der Hinterachse positionierte 1,4-Liter-Vierzylinder schickte 160 PS an die Hinterachse. Schon 1981 wurde der kleine Kraftprotz für die Gruppe 4, ein Jahr später für die Gruppe B homologiert. Mit Erfolg: 1981 gewann der R5 Turbo mit seinen 180 PS die Rallye Monte Carlo, 1982 und '85 die Tour de Corse. Zudem sorgte der Rabauke beim "Elf Renault 5 Turbo Europacup" im Rahmenprogramm der Formel 1 für Furore. Immer wieder setzten sich prominente Gastfahrer ans Steuer, darunter auch Walter Röhrl. 1984 brachte Renault Sport eine zweite Version des R5 Turbo an den Start. Diese Version kam in der höchsten R5-Maxi-Turbo-Evolutionsstufe auf mehr als 400 PS.
Auch wenn er der prominenteste Vertreter sein dürfte, war der R5 Turbo nicht das einzige Modell von Renault Sport, das in den 1980er-Jahren motorsportlich unterwegs war. So gewann 1982 ein Renault 20 Turbo 4X4 die Rallye Paris-Dakar, während in der heimischen Tourenwagen-Meisterschaft ein R21 Turbo 4X4 Superproduction mit Kohlefaser-Antriebswelle und 430 PS eingesetzt wurde. In der Saison 1988 holte die Rennwagen-Limousine sechs Siege aus zehn Rennen.
Renault Sport und die Formel 1
Untrennbar ist Renault Sport aber freilich auch mit der Königsklasse verbunden. Mit dem RS01 begann 1977 das Engagement in der Formel 1. 1983 begannen die Franzosen zusätzlich damit, Kundenmotoren an andere Teams zu liefern – darunter Lotus und Ligier. Beim Großen Preis von Portugal 1985 stand nicht nur Ayrton Senna zum ersten Mal ganz oben auf dem Treppchen, sondern mit ihm auch ein Kundenmotor von Renault Sport. Wegen der erfolgreichen Arbeit entschied man sich 1986 für eine Fokussierung aufs Lieferantengeschäft und zog das Werksteam zurück.
Erst 2002 kehrte Renault Sport als eigenes Team zurück, nachdem die Franzosen Benetton übernommen hatten. Am Steuer des Renault RS202: Jenson Button und Jarno Trulli, gemanaged von Flavio Briatore. Ebenfalls bereits im Kader: das damalige Nachwuchstalent und der spätere Weltmeister Fernando Alonso. Der holte 2005 und 2006 die F1-Weltmeisterschaft mit und für Renault Sport. Später war es wieder ein Kundenmotor, der weitere Erfolge einfahren konnte. In diesem Fall jener in Sebastian Vettels Red Bull, der 2010, 2011, 2012 und 2013 den WM-Titel holte. 2020 waren es dann Esteban Ocon und Daniel Riccardo, die den letzten Formel 1-Boliden im gelb-schwarzen Renault Sport-Dress über die Strecken scheuchten, denn 2021 wurde das Team in das Label Alpine überführt.
Straßensportwagen
Was die Renault Sport-Fans der Neuzeit kennen und schätzen, sind vor allem die teilweise sehr sportlichen Ableger von Clio und Mégane – und selbst der kleine Twingo kam im Laufe seiner Karriere in den Genuss eines R.S.-Labels am Heck. Fangen wir direkt mit dem Kleinsten an. Die zweite Generation des Twingo gab es ab von 2008 bis 2013 als RS mit sechs Zentimetern zusätzlicher Spurweite, 133 PS starkem 1,6-Liter-Vierzylinder, gestraffter Federung und einer Tieferlegung um zehn Millimeter. Die aktuelle Generation wurde nicht mehr mit derlei Sport-Insignien geadelt.
EIne breitere RS-Historie hat der Renault Clio, der im Jahr 2000 als Clio Renault Sport sein Power-Debüt mit Zweiliter-Maschine und 169 PS gab. Gefolgt wurde er vom oben bereits bejubelten Clio RS V6. Danach erhielt jede Generation des beliebten Kleinwagens ein potentes RS-Modell. Nur die aktuelle Version muss sich mit der Ausstattungslinie RS-Line zufriedengeben und wie wir von Renault erfahren haben, wird es auch in Zukunft keinen Sport-Clio mehr geben. Schon 2016 mussten Fans einen Dämpfer einstecken, nachdem bekannt wurde, dass die 273-PS-Version Clio R.S.16 doch nicht in Serie gehen sollte, weil man sich im Werk in Dieppe auf die Neuauflage der Alpine A110 konzentrieren wollte. Seine maximale Evolutionsstufe erreichte der Clio daher als R.S. 220 Trophy. Für nur rund 25.000 Euro gab es einen sportlichen Kleinwagen, der im Supertest der Kollegen von sport auto mit 8:23 Minuten die Nordschleifen-Zeiten von BMW Z4 3.0si, Ford Focus RS und Porsche Cayman S (987c) pulverisiert.
Eine Klasse weiter oben rangiert der kompakte Mégane, dessen Sportler-Karriere 2004 beginnt. Das Design dieser Generation war vor allem wegen der steilen Heckscheibe und dem abgeknickten Design gewöhnungsbedürftig. Ab 2009 gab es mit der folgenden Modellgeneration das erste Trophy-Modell, das mit seinen 265 PS zum häufigen Gast bei Touristenfahrten auf Nordschleife und Co. avancierte. Als einziges R.S.-Modell ist noch heute der Mégane in seiner aktuellen Generation zu haben. Mittlerweile ist die Leistung des kompakten Sportlers auf bis zu 300 PS geklettert und sogar ein limitiertes Trophy-R-Modell mit jeder Menge Rennsport-Technik gab es bereits zu kaufen. Und auch wenn Renault Sport als Abteilung zugunsten von Alpine schließt, bleibt eben jenes Trostpflaster erhalten: Den Mégane R.S. will Renault weiterhin im Portfolio führen.