Das freundliche G-Sicht (der erste und letzte G-Präfix-Wortwitz in diesem Artikel, versprochen!) ist nicht wegzudenken aus deutschen Vorabendserien, Weltreisereportagen und Bildern der teuersten Stadtviertel von Los Angeles. Wer im Netz Videos zur klassischen Daimler-Wertarbeit findet, hört mindestens einmal das tresorartige Türgeräusch der G-Klasse , und in jeder guten Bildergalerie fliegt der einstige Mercedes-G-Entwickler Erwin Wonisch über Sanddünen, Sprungkuppen und alle anderen Hindernisse, die so ein G in vollem Galopp bewältigt. Kurz: kultiger als die G-Klasse geht's kaum.
Mit der Baureihe 463, seit 2018 auch 463A genannt, ging Mercedes 1990 den Schritt vom reinen Nutztier für den Profi- und Freizeitgebrauch hin zur Zivilversion für den Alltagseinsatz. Eine geschlossene Frontmaske hielt hier ebenso Einzug, wie ein wertvoller Innenraum mit Bedienelementen aus dem PKW-Baukasten, eine vollwertige Cabrioversion mit E-Verdeck, und vor allem eine Motorenpalette, die mehr als das nötige Mindestmaß abdeckte. Entsprechend vielseitig sind diese Autos und entsprechend viel Geld muss heutzutage für einen Gebrauchten bezahlt werden. Was genau zeichnet den G als Gebrauchtwagen aus?
1. Der hohe Preis.
Zur Fertigstellung des Artikels (aber auch sonst) liegt der allergünstigste im Netz angebotene, deutsche W463 (kein 461 und auch keine Militärversion) bei relativ genau 20.000 Euro. Dafür gibt es dann einen 33 Jahre alten Turbodiesel in kurzer Karosserie, mit knapp 300.000 Kilometern auf der Uhr, zerschlissenen Sitze, einer guten Portion Rost, aber angeblich sogar eine gültige TÜV-Plakette. Sie hätten's gern jünger, fünftürig und zumindest im problemlosen Zustand? Macht 38.000 Euro für das erste seriöse Exemplar auf deutschem Boden. Dazwischen liegen noch einige halbseidene Genossen, die betagte Gs in Eigenarbeit auf einen neueren Stand geliftet haben – meist mit mäßigem Erfolg. Wirklich richtig gute Autos kosten im Schnitt um die 50.000 Euro, für makellose Cabrios wird's dann schon sechsstellig. So übertrifft die G-Klasse als Gebrauchtwagen so manchen Porsche.
2. Die wertvolle Qualität.
Nun lässt sich durchaus entgegnen, dass fürs Geld auch was geboten wird. Schließlich werden auch VW-Busse über viele Jahre gebaut und sind überragend wertstabil. Nun, rein nützlich betrachtet bietet der G noch immer genau das, wofür er 1979 entwickelt wurde: eine enorme Geländegängigkeit, mit der Robustheit von Leiterrahmen und Starrachse und guten Fahreigenschaften. Letztere sind im Vergleich zu offenen Jeeps zu betrachten, einem klassischen Toyota Land Cruiser, oder dem Land-Rover Defender der frühen Jahre; Autos, deren Handling sich mit nautischen Begriffen beschreiben ließe, obwohl ihr Federungskomfort einem Treppensturz nahekommt.
Das kann die G-Klasse viel besser. Sie wirkt moderner, lässt sich im Vergleich spielerisch fahren, und wirkt unnachahmlich heimelig, wenn man seinen Ledersessel im Edelholzsalon erklimmt, und die schwere Einstiegsluke hinter sich ins Schloss bemüht. Kein Witz: Fast alle Mitfahrer, die zum ersten Mal im G sitzen, brauchen zwei oder mehr Versuche, um die Tür richtig zu schließen. Das hat durchaus seinen Reiz. Weniger wertvoll ist dagegen die oft große Menge durch Oxidhydrate verunreinigter Verhüttungsendprodukte oder zu Deutsch:
3. Der Rost.
In diesem Punkt muss der G dann doch als archaischer Oldtimer betrachtet werden. Fertigungstechniken, die ungünstige Überlappungen von Blechteilen vermeiden, ein glattflächiger Unterboden mit lang anhaltender Versiegelung oder zumindest korrosionsoptimierte Falztechniken für Blechkanten waren der G-Klasse stets fremd. An den Türkanten, der Oberkante der Heckklappe, hinterm Reserverad, um den Tankstutzen, am Windschutzscheibenrahmen und der Schottwand, ja sogar am soliden Leiterrahmen und dessen Federaufnahmen können sich über alle Baujahre massive Roststellen finden. Freilich lässt sich dies vermeiden, wenn eine penible Pflege- und Reinigungsroutine eingehalten wird. Doch diese Exemplare gehören dann wiederum zu den teureren der teuren. Setzt sich nach einer wüsten Landpartie ohne anschließende Reinigung feuchter Matsch im Fahrgestell fest, beschleunigt das die Rostneigung noch. Manch ein G-Enthusiast kauft bewusst tolerant ein, weil eine aufwendige Restaurierung mit Trennung von Rahmen und Karosserie bereits eingeplant ist.
4. Das Format.
Nun, wo auch der klassische Land-Rover Defender nicht mehr gebaut wird, lässt sich der G in seinem Format nur schwer vergleichen. Wie ein moderner Fullsize-SUV zieht er 3,5 Tonnen Anhängelast durch die Landschaft. Hier spielt er auch mit seinen 2,2 Tonnen (meist deutlich mehr) Leergewicht mit. Wer aber zum Beispiel die Platzverhältnisse eines BMW X5 gewohnt ist, oder neben einem VW Touareg parkt, stellt fest: Die G-Klasse wirkt beinahe zierlich. Seine markanten Proportionen lassen den G viel bulliger und größer wirken, als er in Wahrheit ist. Mit seinen 4,63 Meter ist der Fünftürer 8 Zentimeter kürzer und 20 (!) Zentimeter schmaler als ein aktueller GLC. In der Höhe toppt der alte G mit 1,93 Metern freilich alle modernen SUV. Dieses Format erlaubt einen luftigen Raumeindruck – schon allein wegen der aufrechten Sitzposition, kneift aber gerade in der Breite so manchem unter den Achseln. Umgekehrt ist die nach heutigen Maßstäben schmale Statur ein gewaltiger Vorteil im Geländebetrieb.
5. Die V8-Versionen.
Kollege Of-Allinger schrieb erst kürzlich die Geschichte des V8-Motors in der G-Klasse auf. Die begann 1993, als ein eigens umgebauter 300 GE mit M117-V8-Motor aus dem W126 dem Mercedes-Vorstand präsentiert wurde und spontan auf Zustimmung stieß. Um das sperrige Triebwerk in den schmalen Motorraum zu bekommen, musste es um sechs Grad nach rechts geneigt werden. Nur so blieb noch Platz für die Lenkspindel der Kugelumlauflenkung unterhalb des fahrerseitigen Auspuffkrümmers. Obwohl diese später verändert wurde, um mehr Raum zu lassen, stehen bis heute die V-Motoren im G merkwürdig schief im Raum. Sein Sie also unbesorgt: Das ist normal.
Über die Jahre reifte der 500er neben den V8-AMG-Ausbaustufen zum meistverkauften G-Antrieb. Sogar ein V8-Diesel wurde zwischen 2001 und 2005 angeboten – mit 560 Newtonmetern eine wahre Wucht. Und es ging noch deutlich extremer. Dazu später mehr.
6. Die PKW-Verwandtschaft.
Während am G-Grundgerüst mit Leiterrahmen und Flachglas-Design schon seit frühen W460-Tagen fast alles unverändert blieb, verband seine Antriebstechnik den G schon immer mit den jeweils aktuellen Groß-Limousinen der Stuttgarter. So finden sich im 463er-Urmodell ab 1990 die Antriebe des altehrwürdigen W124, begonnen mit dem Fünfzylinder-Saugdiesel des 250 GD bis hin zum seidigen M-103-R6 des 300 GE. Diese Verwandtschaft zeigt sich auch im Innenraum, wo Kombiinstrument, Lenkrad, Radios, und viele Schalter ebenfalls den Limousinen des Hauses entsprechen. Ab 1999 gab's Multifunktionslenkrad und Comand-Kombiinstrument aus dem gelifteten W210, und schon 2002 das Lenkrad aus dem W211, nun gepaart mit Kombiinstrument und 4:3-Navi der 203er-C-Klasse. Das ging analog zu Neuerungen bei den Limousinen immer so weiter, bis 2013 der modernste Infotainment-Standard den Weg in den G fand. Analog dazu wurden die Motoren je nach Baujahr stets weiterentwickelt. Reihenfünf- und Sechszylinder-Diesel wichen dem sehr haltbaren V6-Pendant, während auch die Benziner immer wieder durch neuere Generationen ersetzt wurden. So finden sich unter den Gebrauchten sogar schon zahlreiche Exemplare (auch mit Diesel), die die Euro-6-Abgasnorm erfüllen.
7. Die Gebraucht-Schwachstellen.
Genug der Ausstattungs- und Motorentrivia! Wo liegen denn die Probleme und Schwächen des vielgelobten Geländewagens? Nun, dem Rost haben wir ja bereits einen eigenen Absatz gewidmet. Der ist beim G so entscheidend, dass ein rostfreies Exemplar mit hoher Laufleistung einen höheren Stellenwert haben sollte, als ein junges ungepflegtes Auto. Begünstigt wird das ganz einfach auch durch die nur sanften Veränderungen über die Jahre. Solange ein W463 schon ein paar moderne Features, wie Bordcomputer, Tempomat oder Multifunktionslenkrad besitzt, unterscheidet sich ein 2000er-Modell nicht groß von einem 2015er. Allen gemein ist auch der Fakt, dass die Technik generell als enorm robust anzusehen ist. Zwar gibt es Motoren, die (pauschal und ohne besondere Wartung) als langlebiger zu bezeichnen sind als andere, doch wirklich schlecht ist keine Antriebsoption. Trotzdem ist so ein G nicht unzerstörbar. Heftige Geländeeinsätze fordern ihren Tribut am Fahrwerk, wo im Extremfall auch Teile wie Spurstangen einfach verbiegen oder gar abscheren können. Hier muss also alles in Ordnung sein. Gleich danach sollten Sie einen Blick ins Serviceheft werfen, das im Idealfall Auskunft über erfolgte Ölwechsel in Automatikgetriebe und Verteilergetriebe gibt. Drehen Sie bei der Probefahrt enge Kreise bei Schrittgeschwindigkeit und lauschen Sie bei geöffneten Fenstern auf übermäßig lautes Klacken aus dem Antrieb beim Lastwechsel.
8. Die Verwandtschaft zum Wolf.
Der militärische Hintergrund des G darf bekanntlich in keinem G-Artikel fehlen. In typischer Bundeswehr-Manier werden Fahrzeugen Tiernamen gegeben. Das hat nichts mit animalischer Verspieltheit zu tun, sondern mit der leichten akustischen Unterscheidung im Vergleich zur Benennung durch Fahrzeugart und Tonnage. Kurz: "Wolf" ist kürzer und über Funk leichter verständlich als "LKW leicht gl". Die weitaus meisten Wölfe entsprechen dem späteren Typ 461 als 250 GD, mit kurzem Radstand und leichtem Stoffverdeck. Dazu gab es zahllose Sonderkarosserien, teils auch mit langem Radstand, sowie einige schwerere Militärfahrzeuge mit anderen G-Genen.
Wurde die G-Klasse also wie man oft hört für die Bundeswehr entwickelt? Strenggenommen nein. Denn obwohl der Militäreinsatz bereits zum Debüt des Ur-G 1979 eingeplant war, entschied sich der Bund erst Anfang der 90er-Jahre für den G. Der zuvor genutzte VW Iltis war bis Dato einfach günstiger. Bis heute ist der G im Bundeswehreinsatz – vorwiegend als "Greenliner", ein langer W461 mit modernem V6-Diesel (300 CDI).
9. Die Sache mit dem Nachfolger.
Der Nachfolger, also der aktuelle G, firmiert ebenfalls unter dem Baumuster 463, und das, obwohl er bis auf die Türgriffe ein völlig anderes Auto ist. Der Clou: Es fällt optisch kaum auf, dass die G-Klasse nun gleichzeitig leichter, aber viel voluminöser ist und die Vorderachse nicht mehr starr ausgeführt. Entsprechend gelang es den Stuttgartern, die Beliebtheit des G noch weiter zu steigern. Im Klartext bedeutet das: noch höhere Gebrauchtpreise als ohnehin üblich. Das günstigste deutsche Exemplar im Netz steht bei knapp 110.000 Euro. Angesichts von aktuell gut 118.000 Euro Neupreis, liegt es nahe, schlicht zum selbst konfigurierten Neuwagen zu greifen. Ein solches Preisgefüge erreicht im Rahmen der Großserie höchstens Porsche mit GT-Modellen.
Fahrerisch ist die neue G-Klasse deutlich moderner gelungen als die alte. Mehr Spurweite, eine neuzeitliche Lenkung und die Einzelradaufhängung sorgen für viel mehr Präzision und Leichtgängigkeit. Geblieben ist das heftige Windgeräusch ab gut 120 km/h. Ein richtig komfortabler Reise-SUV ist der G also noch immer nicht.
10. Die Wahnsinns-Versionen
Die Tatsache, dass sich der größte Teil der Käuferschicht von europäischen Waldwirtschaftswegen hin zum Rodeo Drive in Beverly Hills verlagert hat, lässt sich durch die mit Abstand meistverkauften Motoren belegen. Platz 1: der G 63 AMG, Platz 2: der G 500. Anstelle von schmalen Geländereifen tragen sie oft extrabreite Riesenräder und kantige, tiefgezogene Rambo-Schürzen. Und weil sich der Wahnsinn bekanntlich immer noch steigern lässt, kam Mercedes über die Jahre auf immer spektakulärere Ideen, den G in Form von Sondermodellen zu vertreiben. Das begann im speziellen 2012, als man den G 65 AMG präsentierte. Mit hohem technischem Aufwand gelang es, den 612- bis 630-PS-starken V12-Biturbo aus SL und S-Klasse in den schmalen G-Bug zu verpflanzen. Die starrachsige G-Klasse wurde dadurch keinen Deut sportlicher. Hohe Geschwindigkeiten sind so zwar möglich, ähneln jedoch in Sachen Fahrsicherheit einem Husarenritt. Dafür lässt sich's zwischen Hollywood Boulevard und Mulholland Drive mal schnell in 5,4 Sekunden von 0 auf 100 km/h beschleunigen.
Ist das noch nicht verrückt genug? Wie wäre ein hochgelegtes Portalachs-Modell, welches in etwa die Höhe eines Bungalows erreicht? Warum nicht gleich mit gestretchtem Radstand und als Landaulet? Vier Räder reichen nicht? Kein Problem – schließlich gibt's ja auch den 6x6. Da würde unser Vorabend-Förster im 230 GD Augen hinterm Fernglas machen.
Und wie kann man den G überhaupt kaufen?
Wenn Sie einen Geländewagen wie den G suchen – ganz gleich, ob Sie ihn wirklich benötigen, oder einfach Lust darauf haben – sollte ein Punkt ganz klar im Vordergrund stehen: Vernunft. Natürlich beschert der wuchtige V8-Schub ein wohliges Gefühl, und natürlich macht ein vollbelederter Designo-Innenraum mächtig was her. Macht es die G-Klasse allerdings zum besseren Auto? Nein. Ein guter G ist einer, der so funktioniert, wie er von seinen Ingenieuren erdacht wurde. Er trägt hochwandige Geländereifen, die zwischen Kornwestheim und Kathmandu in jedem Reifenladen erhältlich sind. Er kommt überall durch, ohne von zu viel Zierrat oder gar einer Tieferlegung gehindert zu werden. Er braucht aber umgekehrt auch keinen Bullenfänger oder bleischweren Dachkorb zur Befestigung von Sandbrettern und Kraftstoffvorräten.
Ein guter G sieht so seriös aus, wie einst im Mercedes-Prospekt beworben. Die Laufleistung auf dem Tacho oder das Löchlein im Fahrersitzpolster spielt da keine Rolle. Versuchen Sie einen CDI-Diesel zu bekommen – das drückt den Verbrauch auf halbwegs verschmerzbare 16-17 Liter. Alternativ darf es ein gut gemachter LPG-Umbau auf Basis eines G 500 mit M113-V8 sein. Das alles lässt sich relativ wirtschaftlich bewegen, es hält ein Leben lang und Sie haben die besten Chancen, ein rostfreies Exemplar zu erwischen, das nicht zu weit nördlich von 50.000 Euro liegt. Dennoch sollte der erste Weg dann zu einem G-Spezialisten führen, um vorbeugend ein paar reinigende und konservierende Pflegemaßnahmen durchführen zu lassen.
Fazit
Erlauben Sie mir, am Schluss kurz persönlich zu werden. Aufgewachsen in den 90er-Jahren wünschte ich mir als Kind nichts sehnlicher, als eines Tages Förster zu werden, und wie Martin Rombach vom Forsthaus Falkenau mit G und Hund durch den Wald zu pirschen, ab und zu durchs Fernglas zu blicken und dabei Wilderer auf frischer Tat zu ertappen. Fernsehautos prägen – speziell, wenn sie so ein freundliches Gesicht haben, wie der G, den ich fortan von Siku, Herpa und Co. mein Eigen nennen durfte. Eines Tages in echt einen zu besitzen? Das wird schwer. Der Kultfaktor treibt die Preise noch unverschämter als der Rost. Dabei läge mir ein mondänes V8-Exemplar ganz fern. Schade eigentlich.