Mercedes mit neuem Partner für Feststoffbatterien

Mercedes und die Feststoffbatterie
Mercedes setzt auf zweiten Feststoff-Partner

Nachdem Daimler einen zweistelligen Millionenbetrag in Prologium aus Taiwan investiert hat, arbeiten die Stuttgarter beim Thema Feststoff-Batteriezellen auch mit dem US-Start-up Factorial Energy zusammen. Bis zum Ende des Jahrzehnts soll die Reichweite von E-Autos verdoppelt werden.

Mahle Kühlsystem für Prologium Festkörper Batterie mit LLCB-Technik
Foto: Hersteller / Schönfeld

Nachdem Festkörper-Batterien viele Jahre eher wie Zukunftsmusik klangen, stellen nun immer mehr Hersteller ihre Hochleistungs-Akkus vor. Auch das Start-up Factorial Energy aus Boston/USA ist offenbar ganz vorn mit dabei und präsentiert eine Batteriezelle mit dem Namen "Solstice." Die wurde zusammen mit dem Schlüsselpartner Mercedes-Benz entwickelt und verfügt über eindrucksvolle Eckdaten.

Energiedichte von 450 Wh/kg, bei bis zu 90°C

So liegt die Energiedichte des neuen Akkus bei 450 Wattstunden pro Kilogramm Batteriemasse. Umgerechnet könnten heutige Elektroautos mit einer solchen Batterie rund 80 Prozent weiter fahren als bisher. Solstice soll dabei nicht nur über ein neuartiges Trockenkathodendesign verfügen, sondern auch effizient und nachhaltig hergestellt werden können.

Unsere Highlights

Und das Unternehmen verspricht die Serienreife bereits in den kommenden Jahren. So könnten neue Mercedes-Modelle bereits Ende des Jahrzehnts mit diesen auf Sulfid basierenden Festkörper-Batterien ausgerüstet werden, die deutlich mehr Sicherheit bieten sollen als die Varianten mit brennbareren und flüchtigeren Flüssigelektrolytdesigns. Factorial verspricht eine thermische Stabilität bis zu einer Betriebstemperatur von 90° Celsius. Damit würden auch die Anforderungen an das Kühlsystem deutlich geringer werden. Doch Mercedes arbeitet beim Feststoff-Thema nicht nur mit Factorial Energy zusammen.

Mercedes-Partnerschaft mit ProLogium

Am 27. Januar 2022 meldete Mercedes-Benz eine Technologie-Partnerschaft mit ProLogium, laut Pressemitteilung ein führender Anbieter von Feststoffbatterien. Die Kooperation dient der Entwicklung von Batteriezellen der nächsten Generation. "Die ersten gemeinsam entwickelten Feststoffbatterien könnten bereits in den kommenden Jahren in Mercedes-Testfahrzeugen zum Einsatz kommen. Im Rahmen der Partnerschaft wurden zudem technologische Meilensteine vereinbart, die auf eine Integration der Feststofftechnologie in ausgewählten Modellen innerhalb der zweiten Hälfte des Jahrzehnts abzielen". Der Zeitplan passt zu den Produktzyklen von Mercedes (sieben Jahre), denen zufolge 2028 beispielsweise eine neuer EQS zu erwarten wäre. Für den und andere größere E-Modelle wie den EQE entwickelt Mercedes bereits eine neue Architektur, die MB.EA.

Die Schwaben wollen bis zum Ende des Jahrzehnts bereit sein, vollelektrisch zu werden – überall dort, wo es die Marktbedingungen zulassen. Zur Batterieentwicklung hat Daimler in den vergangenen Jahren zahlreiche Partnerschaften mit "führenden Unternehmen" etabliert: Die große Batterie im EQS stammt vom chinesischen Giganten CATL, die kleinere vom ebenfalls chinesischen Hersteller Farrasis, an dem Daimler seit 2020 beteiligt ist, am Batteriematerialspezialisten Sila Nanotechnologies Inc. hat sich der Traditionshersteller 2019 ebenfalls beteiligt. Technologisch stellt sich Mercedes dabei breit auf: Während die CATL-Akkus noch klassische Li-NMC-Zellen tragen, arbeitet Sila an Lithium-Batterien mit Silizium-Anoden, wie sie gerade im Forschungfahrzeug EQXX Verwendung finden und wie sie auch Porsche zusammen mit CustomCells entwickelt.

Silizium erlaubt die Einlagerung von erheblich mehr Lithium-Ionen am Minuspol und somit eine höhere Energiedichte. ProLogium schließlich entwickelt Festkörper-Batterien und hat laut Pressetext auch schon Expertise in der Fertigung solcher Akkus. "Die Feststofftechnologie hat das Potenzial, Größe und Gewicht der Batterie deutlich zu reduzieren", sagt Daimler-Entwicklungsvorstand Markus Schäfer. Mercedes hat in dem Bereich zudem wie Stellantis eine Forschungspartnerschaft mit Factorial Energy.

Festkörper-Batterie-Werk soll 2022 schon hochfahren

Vincent Yang, CEO und Gründer von ProLogium Technology kommentiert die neue Partnerschaft mit Mercedes so: "Wir arbeiten seit 2016 mit Mercedes-Benz an der Erprobung unserer Batteriezellen für Elektrofahrzeuge und freuen uns, die Partnerschaft zu stärken und weiter zu vertiefen. Gemeinsam (...) wollen wir am effektiven Einsatz unserer sicheren und leistungsstarken Festkörperbatteriezellen und an der Erfüllung der Standards für die Mercedes-Benz Spitzenqualität arbeiten. Bei ProLogium glauben wir, dass innovative Technologie durch die Skalierbarkeit der Produktion unterstützt werden muss. Wir freuen uns darauf, unser neues Werk bis Ende 2022 hochzufahren und gemeinsam mit unseren Kunden auf eine erfolgreiche Massenproduktion hinzuarbeiten. "

Mercedes Prologium Feststoff-Akku Festkörper-Batterie Entwicklungspartnerschaft
Mercedes
Mehr Leistung, höhere Reichweite und mehr Sicherheit: Mercedes setzt große Erwartungen in die Festkörper-Akkus (Solid State).

ProLogium Technology ist nach eigenen Angaben "ein weltweit führender Anbieter innovativer Batterietechnologien der nächsten Generation für Fahrzeug-, Verbraucher- und Industrieanwendungen". 2006 gegründet, ist es angeblich "das erste Batterieunternehmen der Welt, das Festkörper-Lithium-Keramik-Batterien in Serie produziert". Dazu hält die Firma weltweit über 480 (angemeldete oder erteilte) Patente. Auf einer automatisierten Pilotproduktionslinie habe ProLogium bereits rund 8.000 Zellmuster zur Erprobung und Modulentwicklung für globale Automobilhersteller gefertigt. "Bis Ende 2022 wird ProLogium die Errichtung einer GWh-Fabrik nahe Taipeh abschließen, gefolgt von Kapazitätserweiterungsplänen in wichtigen Märkten weltweit", so heißt es in der Pressemitteilung.

Im Rahmen der Entwicklungspartnerschaft wird Mercedes-Benz (wie bei Farrasis) einen Sitz im Board of Directors (Aufsichtsrat) von ProLogium einnehmen. Über die Kapitalbeteiligung stärkt Mercedes-Benz die Weiterentwicklung der Batterietechnologie sowie den geplanten Aufbau von Produktionskapazitäten des Partners in Europa.

Warum wollen alle die Feststofftechnologie?

Bei Mercedes ist man überzeugt, dass sich mit der Feststofftechnologie Kosten, Skalierbarkeit und Energiedichte im Bereich der Batterien für Elektrofahrzeuge "neu definieren" lassen. Der Festkörperelektrolyt ermögliche die Verwendung von Materialien mit hoher Speicherkapazität, hoher ionischer Leitfähigkeit und einer höheren chemischen Stabilität. Die innovativen Materialien und das Design von Feststoffbatterien haben aus Sicht von Mercedes das Potenzial, die Reichweite der heutigen konventionellen Li-Ionen-Batteriezellen nahezu zu verdoppeln. Für einen EQS-Nachfolger könnte das eine Reichweite von etwa 1.300 Kilometer bedeuten. Wahrscheinlicher wäre aber, dass man das Potenzial der neuen Technologie für kleinere und leichtere Akkus nutzt.

Feststoff-Zellen gelten Batterieforschern schon länger als Ideallösung, weil sie möglich machen, was von Anfang an das hohe Potenzial von Lithium-Batterien ausmachte: Die Anlagerung von reinem Lithium an der Anode (Minuspol). Maximilian Fichtner, Professor für Festkörperchemie an der Universität Ulm und stellvertretender Direktor des Helmholtz-Instituts Ulm für Elektrochemische Energiespeicherung erklärt das so: "Der feste Elektrolyt ist eigentlich ein Hilfsmittel. Er soll die Struktur aus Graphit auf der Minuspolseite überflüssig machen, man könnte sie dann durch reines Lithium ersetzen. Die Speicherkapazität von reinem Lithium beträgt nämlich 2860 mAh/g. In aktuellen Anoden, in denen Graphit das Lithium speichert, kommt man nur auf 370 mAh/g. Das heißt, wir verlieren im Augenblick quasi aus Sicherheitsgründen auf der Minuspolseite den Faktor 8. "Graphit setzt man bislang ein, "weil reines Lithium in einem Flüssigelektrolyt nadelartige Strukturen auf der Oberfläche bildet, wenn man es immer wieder anlagert und auslöst. Diese so genannten Dendriten wachsen in die Zelle, durchbohren Grenzschichten. Dadurch entstehen Kurzschlüsse, die Zelle wird heiß, der Elektrolyt verdampft, die Batterie platzt und beginnt zu brennen. Mit der keramischen Schicht des festen Elektrolyten hofft man eine mechanische Sperre gegen die Dendritbildung zu haben und die Minuspol-Seite ließe sich wie beschrieben massiv verbessern," so Fichtner. Außerdem brennen feste (keramische) Elektrolyten nicht.

Wann kommen die Super-Akkus auf die Straße?

Trotz der vielen Vorteile könnten der Serieneinsatz von Feststoffbatterien noch Jahre auf sich warten lassen. Viele Forscher sehen noch zahlreiche technische Probleme, die vor einer Massenfertigung zu lösen sind – ein fester Elektrolyt leitet naturgemäß die Ionen nicht so gut und über die Grenzschicht zu den Elektroden kommen die geladenen Teilchen auch nicht sonderlich geschmeidig hinweg. Trotzdem versprechen manche Entwickler, wie die VW-Partner Quantumcape, sogar schnellere Ladezeiten und das Unternehmen Solid Power steckt hinter der Ankündigung von BMW und Ford, Protoypen mit Feststoff-Akkus schon deutlich vor 2025 auf die Straße zu bringen.