Ein Jeep mit Elektroantrieb? Schwer vorstellbar für die Mitglieder der gusseisernen Fraktion, bei denen das Blubbern des V8 zum Ritt durchs Gelände als Grundvoraussetzung einfach dazugehört – oder zumindest das kernige Verbrennungsgeräusch eines starken Selbstzünders.
Mit der neuesten Generation der Jeep-Modelle Compass und Renegade ändert sich das. Die beiden kompakten SUV erhalten als erste Fahrzeuge der traditionsreichen amerikanischen Marke einen elektrischen Antriebsstrang in Form eines Plug-in-Hybrid-Systems. Damit geht Fiat Chrysler Automobiles (FCA) den ersten Schritt der Elektrifizierungsstrategie, die für Jeep bis 2022 vorsieht, in jeder Modellreihe eine elektrisch angetriebene Option anzubieten.
Alltagstaugliche E-Variante
Renegade und Compass machen nun den Anfang. Die technisch eng verwandten Fahrzeuge sind die Volumenmodelle in Europa; der Compass allein erzielt rund 40 Prozent der Verkäufe zwischen Norwegen und Sizilien. Gerade in diesem Segment, so Jeep, sei der Plug-in-Hybrid das Konzept, das die Kunden als alltagstauglichste E-Variante bewerten – weil sie sich dank der Kombination aus Verbrenner und Elektromotor keine Gedanken über Reichweiten und die Verfügbarkeit von Ladesäulen machen müssen.
Der elektrische Antrieb soll dabei nicht nur effizient sein und helfen, die Vorgaben des Gesetzgebers beim Flottenverbrauch einzuhalten, sondern auch "Leistung, 4x4-Fähigkeit und Fahrspaß auf die nächste Stufe heben", heißt es bei Jeep. Das unmittelbar zur Verfügung stehende Drehmoment der E-Maschine und deren spontanes Ansprechverhalten sollen nicht nur im Gelände für einen zusätzlichen Kick sorgen, sondern auch auf der Straße für ein dynamisches Fahrverhalten.
Erkennbar sein werden die neuen Plug-in-Modelle am Typenkürzel 4xe. Das steht für Allradantrieb, der Buchstabe "e" lässt sich wahlweise lesen mit "elektrisch" oder mit "effizient". In zwei Leistungsstufen werden sowohl Renegade als auch Compass angeboten: mit einer Systemleistung von 140 kW (190 PS) oder mit 177 kW (240 PS). Dabei leistet der Verbrenner, ein 1,3 Liter großer Multiair-Turbo, 140 oder 180 PS. Die E-Maschine trägt 44 kW (60 PS) bei. Das maximale Drehmoment des Gesamtsystems liegt bei 530 Newtonmetern. Damit sind Verbrauchswerte zwischen 2,1 und 2,3 l/100 km möglich, das entspricht 47 bis 53 Gramm CO2/km.
Der Verbrenner treibt ausschließlich die Vorderachse an, während der Elektromotor an der Hinterachse sitzt und so seine Kraft an die Hinterräder abgibt. Damit bieten die neuen Plug-in-Hybride Allradantrieb, können jedoch auf gewichtige mechanische Komponenten verzichten. Erstmals funktioniert der Vierradantrieb bei Jeep ohne Kraftübertragung von vorne nach hinten. Transfergetriebe und Kardanwelle, die mechanisch zu- oder abgekoppelt werden muss, sind überflüssig. Sobald der geringste Drehzahlunterschied zwischen Vorder- und Hinterrädern auftritt, schaltet sich blitzschnell der Elektromotor zu und sorgt für Vierradantrieb.
Damit lässt sich, wichtig im Gelände, die Kraft an der Hinterachse noch besser dosieren – besser als mit jeder Getriebeuntersetzung. Praktisch von der ersten Umdrehung an steht das volle Drehmoment von 260 Newtonmetern zur Verfügung. Diese Eigenheiten des Elektromotors sind auch beim Fahren mit Anhänger nicht zu verachten – bis zu 1.250 Kilogramm dürfen die Plug-in-Jeeps ziehen.
Neu entwickelter Turbo-Benziner
Den Verbrenner-Part im Antriebsstrang der beiden neuen Modelle übernimmt ein neu entwickelter Turbo-Benzinmotor mit vier Zylindern und 1,3 Litern Hubraum. Das Aggregat ist Teil der neuen FCA-Global-Small-Engine(GSE)-Familie, die bereits im vergangenen Jahr im Jeep Renegade eingeführt wurde. Der neue Motor erfüllt die Euro 6D Final-Norm und verfügt über einen Benzinpartikelfilter.
Die Motoren sind aus Gewichtsgründen vollständig aus Aluminium gefertigt und wiegen als Vierzylinder ab 110 Kilogramm. Das Kurbelgehäuse, das in Zusammenarbeit mit Zulieferer Teksid entwickelt wurde, besteht aus einer Aluminium-Hochdruck-Gusslegierung. Durch den modularen Aufbau und einen hohen Standardisierungsgrad bei Komponenten und Herstellungsverfahren verspricht sich FCA eine hohe Effizienz und damit Kostenvorteile in der Produktion. In den GSE-Motoren kommt die dritte Generation der Multiair-Technologie zum Einsatz. Sie soll die Verbrennungseffizienz weiter optimieren.
Während bei den Verbrennermodellen der 1,3-Liter-Turbo in den beiden Leistungsstufen 96 kW (130 PS) und 110 kW (150 PS) entweder mit einem Sechsgang-Schaltgetriebe oder einem automatischen Doppelkupplungsgetriebe (DDCT) gekoppelt ist, setzt Jeep bei den PHEV-Varianten auf eine Wandlerautomatik mit sechs Gangstufen, die in Kombination mit der elektrischen Hinterachse für weiche und komfortable Schaltvorgänge sorgen soll.
Batterie mit 11,4 kWh Kapazität
Der Elektroantrieb an der Hinterachse wird von einer Lithium-Ionen-Batterie mit Strom versorgt, deren 96 Zellen eine Speicherkapazität von 11,4 Kilowattstunden haben. Davon stehen knapp 9 kWh netto zur Verfügung. Das reicht je nach Fahrweise für eine rein elektrisch absolvierte Strecke von rund 50 Kilometern. Untergebracht ist die Batterie im Unterboden sowie unter den Rücksitzen. Somit geht kein Platz im Innenraum der Fahrzeuge verloren. Die zwischen den Hinterrädern verbaute elektrische Maschine sorgt bis zu 130 km/h für rein elektrischen Vortrieb, im Hybridmodus erreichen beide Modelle eine Höchstgeschwindigkeit von knapp 200 km/h. Den Spurt von 0 auf 100 km/h besorgen sie in etwa sieben Sekunden.
Für die Hochvoltbatterie gibt der Hersteller eine Garantie von acht Jahren oder bis zu einer maximalen Laufleistung von 150.000 Kilometern. Eine der Bedingungen ist dabei, dass die Batterie auch regelmäßig geladen wird. Für das komplette Fahrzeug ist neben der zweijährigen Standardgarantie noch eine ebenfalls zwei Jahre geltende Anschlussgarantie serienmäßig – ohne Kilometerbegrenzung.
Im Gegensatz zu anderen Anbietern von PHEV-Modellen hat sich Jeep für eine vergleichsweise schnelle Ladelösung entschieden: Bis zu 7,2 kW Ladeleistung sind möglich, sodass an einer öffentlichen Ladestation oder an einer Wallbox die Batterie in rund 90 Minuten wieder voll ist. An einer Haushaltssteckdose dauert es gut drei Stunden.
Drei Fahrmodi stehen zur Wahl
Das Zusammenspiel zwischen Verbrenner und E-Maschine läuft automatisch und geschmeidig ab, lässt sich aber durch die Wahl eines der drei Fahrmodi vom Fahrer beeinflussen.
Hybrid: In dieser Einstellung arbeiten Verbrennungs- und Elektromotor zusammen. Das Auto fährt zum Beispiel beim Rangieren oder innerorts elektrisch. Ist mehr Leistung gefragt, schaltet sich der Verbrenner an der Vorderachse zu – oder auch wieder ab, wenn beim Dahingleiten auf der Landstraße nur wenig Antriebsenergie benötigt wird. Bremst der Fahrer oder kommt der Wagen in den Schiebebetrieb, setzt die Rekuperation ein. Der Startergenerator wandelt die Bremsenergie in elektrischen Strom um, statt sie sinnlos an den Bremsscheiben in Wärme aufgehen zu lassen. Das optimiert den Kraftstoffverbrauch.
Elektrisch: Durch Knopfdruck kann der Fahrer den vollelektrischen Modus fest einstellen, sodass das Auto lokal emissionsfrei unterwegs ist. Auch in diesem Fahrmodus wird im Schiebebetrieb und beim Bremsen Energie zurückgewonnen. Sinkt der Ladezustand der Batterie unter 20 Prozent, wechselt das System automatisch zurück in den Hybridmodus und startet den Verbrenner.
E-Save: Will man trotz leergefahrener Batterie elektrische Reichweite gewinnen, um zum Beispiel spätabends lautlos zu Hause in die Garage zu fahren, kann man dies durch die Wahl des E-Save-Modus. Dann treibt der Verbrennungsmotor nicht nur das Fahrzeug an, sondern lädt die Batterie bis zu einem bestimmten Schwellenwert auf.
Zusätzlich haben beide Jeep-Modelle auch die vorwählbaren Programme des Selec-Terrain-Allrad-Assistenzsystems zur Verfügung. Die Algorithmen des Systems passen die Drehmomentverteilung im Antriebsstrang an den jeweiligen Untergrund an. Automatik, Sport, Schnee sowie Sand und Matsch können als Voreinstellung gewählt werden.
Beide Jeep-Hybridmodelle werden im italienischen Werk Melfi gebaut und in den vier Ausstattungslinien Limited, S und Trailhawk angeboten, die beiden letzteren ausschließlich mit 240-PS-Motorisierung. Zur serienmäßigen Sicherheitsausstattung gehören unter anderem Kollisions- und Spurverlassenswarnung sowie die elektronische Stabilitätskontrolle mit elektronischer Überschlagsvermeidung. Optionale Sicherheitsfunktionen sind unter anderem Totwinkel-Assistent, hintere Querbewegungserkennung, Adaptive Cruise Control, ParkView-Rückfahrkamera oder der automatische Parkassistent für paralleles und rechtwinkliges Einparken.
So fließt der Strom in die Batterie
Das On-Board-Ladesystem von Renegade und Compass ermöglicht vergleichsweise schnelles Laden bis zu 7,2 kW. Dafür ist der Anschluss mit dem serienmäßigen Typ-2-Ladekabel an eine Wallbox (siehe auch Seite 24) oder an eine öffentliche Ladestation nötig. Zum Aufladen kann aber auch eine Standard-Schukodose verwendet werden, hier verlängert sich jedoch die Ladezeit auf rund drei Stunden.
Lademanagement ermöglicht das Uconnect-8.4-Infotainment-System oder die passende My-Uconnect-App. So lassen sich Ladezeiten programmieren, etwa während der Nacht in günstigen Tarifzeiten. Auch die maximale Stromstärke der Ladung lässt sich vorwählen, wenn man den Strom der Fotovoltaikanlage auf dem eigenen Hausdach nutzt und nur so viel laden will, wie die Sonne liefert.
Ein neues, sieben Zoll großes TFT-Farbdisplay zeigt E-Fahrtinformationen an wie den Ladezustand der Batterie, die Reichweite im Elektro-, E-Save- und Hybridmodus, den Leistungs- und den Ladestatus. Der 8,4 Zoll große Uconnect-Farbbildschirm bietet neue Anzeigen wie Leistungsfluss, Fahrverlauf, Ladezeiten, E-Save und die verschiedenen Ladeeinstellungen.